Elke Bulenda

Himmel, Arsch und Hölle!


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wärst, aber so eine filigrane Arbeit, sehr gut für deine, äh, Konstitution!«, sülzte mich diese Hippe voll.

      »Halt, nee, nee!«, blockte ich ab. »Die ist doch noch gar nicht fertig! Hände weg!«, forderte ich mein künstlerisches Recht ein. Denn das Beste kam ja erst!

      Wie ein Chirurg griff ich mir ein Modellierholz und traktierte damit das Tonkatzenvieh. Die Gerätschaft ließ ich stecken und nahm mir eine Modellierschlinge und stach sie mehrmals in das Kunstwerk. Danach kam der Lochschneider zum Einsatz. Letztendlich schnitt ich dem Vieh mit der Drahtschlinge den Kopf von den Schultern und legte ihn ihr vor die Katzenpfötchen.

      »So, jetzt bin ich fertig, kann gebrannt werden«, kommentierte ich mein Werk, nicht ohne einer gewissen Genugtuung.

      »Nein, ich weigere mich, etwas Gewalt verherrlichendes zu brennen! Ohnehin brauchen wir die Werkzeuge und das Holz würde beschädigt werden!«, mokierte sich die Lesebrillenträgerin.

      Gut, dann wird das Kunstwerk Tote Katze eben niemals das Licht der Welt erblicken. So wurde es kurzerhand wieder zu einem nichtssagenden Klumpen Ton.

      »Ragnor, ich verstehe nicht, wieso du die Katze nicht in ihrem vorherigen Zustand gelassen hast. Sie war doch schön!«, belaberte mich die Wölfische.

      »Schön? Aber absolut nicht aussagekräftig und wenig brauchbar - in meinen Augen unnütz!«, gab ich lakonisch zu Protokoll. Für mich machte die Katze danach viel mehr Sinn.

      »Wenn du auf Nützlichkeit plädierst, dann mache eben etwas davon und nicht so ein destruktives Zeug!«, belehrte sich mich weiter. Irgendwie erwartete ich schon, sie würde sich vor Aufregung mit dem Fuß hinter dem Ohr kratzen.

      »Okay, wenn ich etwas Nützliches machen soll, dann brauche ich mehr Ton, und nimm mal jemand Ernestine von der Platte, ich habe keine Lust mit ihr nachher nur im Kreis zu laufen!«, gab ich zum Besten.

      Da Ökotante die einzige mit sauberen Händen war, hob sie mit leicht angewiderter Miene das Socken-Monster herunter, was Ernestine brummeln ließ.

      »Hier ist Ton, davon kannst du dir nehmen soviel du brauchst«, zeigte Lupinia in die Ecke, in der wirklich viel Ton lag.

      »Oh, so viel Ton!«, grinste ich mit O-Ton in der Stimme. Doch man sollte den Bogen auch nicht zu sehr überspannen, sonst kam die Tussi noch auf den Gedanken, mich aus den Räumlichkeiten entfernen zu lassen. Tja, dann konnte ja nichts mehr schief gehen. Ich feuchtete mir die Hände an und warf den ersten Klumpen auf die Töpferscheibe und brachte ihn schon mal etwas in Form. Wenn Radegundis mir holt war, würde daraus sogar etwas werden, falls ich nicht an totalem Gedächtnisverlust litt. Zum Glück war es eine mechanische Töpferscheibe, denn mit einer motorisierten hatte ich bisher noch nicht gearbeitet. Ja, das Dreck-, Matsch- und Kacke-Spiel war bei uns im Dorf quasi immer die lehrreiche Vorschule des Töpferns gewesen. So bekamen wir schon mal das richtige Fingerspitzengefühl für Material und Motorik. Oder dachtet ihr, wir benutzten keine Teller und futterten unsere Speisen direkt von der Tischplatte? Damit es auch selbst nach der heftigsten Feier, hinterher noch immer genug Irdenes im Hause gab, musste jeder von uns mal an die Töpferscheibe. Seltsam, was so ein Brocken Lehm für Erinnerungen weckte. Und wie der Doc sagte, mussten diese Erinnerungen nicht immer negativer Natur sein. Ohnehin bin ich ein pragmatischer Typ, was eindeutig von meiner Mutter stammte. Und da ich für meinen neuen Hausstand noch dringend ein Essgeschirr brauchte, konnte ich mir gleich eines vor Ort werkeln. Natürlich esse ich nicht, aber man benötigt doch mal einen Teller, oder eine Tasse für einen Gast. Und die Zwerge würden voraussichtlich noch sehr oft zu Besuch kommen. Also, warum nicht etwas ganz Individuelles herstellen? Massenware gibt es doch schon zu Genüge. Mein erster Teller wurde wieder von mir platt gemacht, weil er noch ein wenig krungelig war. Doch der zweite Versuch klappte, und im nu hatte ich sechs Teller geformt. Gerade wollte ich mit den tiefen Tellern beginnen, als die Unterrichtsstunde schon vorüber war. Hätte ich nicht erst so eine blöde Katze modelliert, wäre ich schon wesentlich weiter. Aber morgen stand wieder Töpfern auf dem Plan und dann würde ich sehr bald das gesamte Service fertig bekommen. Zumindest war ich zufrieden, als mein erstes - seit 600 Jahren - eigenes Geschirr zum Vortrocknen im Regal stand. Klar, damals, als ich noch ein großer Macker im Dienste des Lord Seraphim war, besaßen wir natürlich feinstes Chinesisches Porzellan. Nur kam das sehr selten bei uns auf den Tisch. Bei den wilden Kindern? Sollte es etwa den weiten Weg über die Seidenstraße genommen haben, damit mir anschließend meine Rüpel-Kinder das Geschirr zerdepperten? Ohnehin waren die Tassen so klitzeklein, dass ich da niemals meinen Finger durch den Tassenhenkel bekam. Mit anderen Worten: Es sah zwar ganz hübsch aus, war aber im Grunde genommen völlig unpraktisch. Da lobe ich mir doch etwas Rustikales!

      Im Gang wartete schon Diemal auf mich und grinste über beide Backen.

      »Es steht 1:1! Du töpferst eindeutig besser als dein Socken-Monster.«

      »Das lag vielleicht daran, weil sie nicht zum Zug gekommen ist. Aber ich habe echt keinen Bock, das Vieh zuhause zu baden«, gab ich zu Gehör. »Findest du nicht auch, dass die Kursleiterin wie ein Wolf aus einem Märchen aussieht? So wie der Wolf, der sich als Großmutter verkleidete. Der aus Rotkäppchen«, bemerkte ich.

      »Hm, vielleicht liegt es an ihrer Mono-Augenbraue? Aber du bist auch zum Fürchten. Diese Katzennummer, die du da vorhin abgezogen hast. Mann! Das war echt ganz schön krank. Die drei kleinen Elfen, die gemeinsam an ihrem Ton gearbeitet haben ... Davon hat sich eine direkt in ihr Kunstwerk übergeben«, lachte Diemal. »Wir haben nun Pause. Was machst du jetzt?«, fragte sie mich.

      »Hm, ich hole mir einen Kaffee und dann gehe ich Delia besuchen«, meinte ich daraufhin.

      »Gut, dann sehen wir uns nach der Pause, zum Yoga«, nickte sie mir zu und ging ihres Weges. Es war schon etwas seltsam, dass Diemal ausgerechnet die gleichen Kurse belegte, für die auch ich eingeschrieben war. Mir schien, als habe Trixie eine kleine Spionin auf mich angesetzt. Auch wenn Diemal eine ziemlich entzückende Person ist.

      Ich trabte in die Kantine, wo mir die gute Anna Stolz zu Mittag eine Überraschung versprach, und nahm einen großen Becher Kaffee mit auf den Weg. Leise klopfte ich an Delias Tür, die mir etwas verändert erschien.

      Ja, genau. Das Schild mit der Aufschrift: "Bitte nicht stören! Orakel bei der Arbeit!", war nicht mehr da. Und ganz zu meiner Verwunderung öffnete Delia persönlich die Tür. Was war hier los? Im Normalfall lag sie in ihrem Bürobett und schlief den Schlaf der Gerechten. Ich war so baff, dass ich mir beinahe den Kaffee über die Füße kippte.

      »Ah, Ragnor! Komm doch rein! Wo warst du solange?«, strahlte mich Delia an. Sie sah wunderschön aus und seit sie in anderen Umständen war, schien sie förmlich von innen zu leuchten.

      »Äh, ja gerne. Ach, ich war in Honolulu, Bikinischönheiten betrachten«, entgegnete ich lakonisch und bückte mich durch die Tür. Auch das Innere ihrer Behausung hatte sich verändert. Das große Bett mit seinen vielen Regalen und Ablageflächen glänzte durch Abwesenheit und halb gepackte Kartons standen auf schon geschlossenen Kisten.

      »Was ist denn hier los?«, fragte ich erstaunt, während ich ungläubig im Zimmer umherblickte.

      »Simon und ich ziehen in die nächsten Ortschaft, in ein kleines, entzückendes Haus. Wir können unmöglich unser Kind in dieser Umgebung aufwachsen lassen«, meinte Delia und legte mir eine Hand auf den Arm. »Verstehe mich nicht falsch, wir mögen euch hier alle. Nur ist das nicht der richtige Aufenthaltsort für ein Baby.«

      Ihre Worte hatte ich begriffen. Sie wollte nicht, dass ihr Kind unter Monstrositäten aufwuchs. Deshalb nickte ich, weil ich es nachvollziehen konnte.

      »Aber was ist mit deiner Gabe? Du bist doch unser Orakel«, fragte ich nach.

      »Weißt du, seit Sal weggegangen ist, hat sich hier vieles verändert ...«

      »Ach ja, er hat dir nicht zufällig gesagt, wohin er wollte?«, hakte ich nach.

      »Nein, ich kann auch nicht sehen wohin er gegangen ist, oder wo er sich befindet. Ich kann nicht ...«

      »Wie du kannst nicht? Du kannst es mir nicht sagen, oder willst du es mir nicht sagen?«, unterbrach ich