Elke Bulenda

Himmel, Arsch und Hölle!


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bei mir überhaupt nichts mehr zu sehen ist. Frag mich nicht wieso, aber seit diesem Tag habe ich weder narkoleptische Anfälle, noch die Fähigkeit etwas zu orakeln«, meinte Delia und legte ihre Hand auf die sanfte Wölbung ihres Bauches, der seit der Trauung schon wieder etwas gewachsen war. »Natürlich habe ich mir schon große Sorgen um das Baby gemacht. Vor allem, wie ich es hinterher versorgen sollte, wenn ich doch ständig meine Anfälle bekäme. Aber es ist fast wie ein Wunder, weil ich ganz plötzlich geheilt bin!«, berichtete sie mir aufgeregt.

      … Oh, dieser infame Kerl! Einerseits finde ich es wirklich nobel von Sal, Delia von ihrer Narkolepsie zu heilen, aber andererseits ist sie nun als Orakel keinen Pfifferling mehr wert. Was mich aber am meisten ärgerte war, dass durch den Verlust von Delias Fähigkeiten, die Möglichkeit ihn aufzuspüren nahezu unmöglich war. Klar, sollte er doch bleiben wo der Pfeffer wächst, nur ärgerte mich die Art seiner Taktik ganz schön. Als wäre er nicht mehr existent, hat er sämtliche Spuren seines Verbleibs gelöscht. Natürlich habe ich keine Sehnsucht nach Sal, alias Cornelius. Doch war ich wirklich ein wenig neugierig, wohin er sich so klammheimlich verzogen hatte. Oder eher, wo er sich versteckte. Damals schon, vor langer Zeit, floh er vor seinem Vampir-Dasein in den tiefsten Wald und lebte in seinem Turm wie ein Eremit. Das Dumme daran ist: Vor sich selbst kann man nicht weglaufen …

      Da Delia nichts von Cornelius´ wahrer Identität wusste, spielte ich das Spielchen mit.

      »Oh, das scheint wirklich ein Wunder zu sein. Ich muss gestehen, auch ich machte mir gewisse Sorgen um dich und den Jungen. Doch da du jetzt geheilt bist, steht deinem zukünftig-glücklichen Leben nichts mehr im Wege.«

      Das ehemalige Orakel strahlte über das ganze Gesicht. »Ja, ich freue mich schon auf unser neues Heim. Ach, übrigens. In der Vorhersage habe ich mich ebenfalls geirrt. Es wird ein Mädchen. Hoffentlich kommt sie nach ihrem Vater. Es wäre wirklich schlimm, wenn sie auch die Sehergabe hätte«, sagte Delia und drückte mir einen Stapel Bilder in die Hand. Eigentlich konnte ich nicht besonders viel darauf erkennen. Es sah wie ein Tier aus, oder ein Alien. Doch als mir Delia erzählte, das wären Ultraschallaufnahmen ihres Babys, war ich ganz schön erstaunt. Noch nie zuvor sah ich ein Kind im Mutterleib. Woher auch, schließlich bin ich nicht Doktor Röntgen. Nur die Aura eines Kindes im Mutterleib kann ich erkennen, aber das Kind selbst nicht. Deshalb sah ich mir die Fotos etwas genauer an. 16.SSW stand auf den Bildern. Die in schwarz/weiß waren nicht so deutlich, aber die bunten, in 3D, waren ganz erstaunlich. Selbstverständlich hatte das Kind einen recht großen Kopf. Aber die Details waren schon erstaunlich. Klitzekleine Ohrenstummel waren schon erkennbar, und die Fäustchen waren an den Kopf gepresst, ganz so, als wollte die Kleine noch nichts von den Schlechtigkeiten dieser Welt hören. Unwillkürlich musste ich grinsen. Vielleicht ahnte das kleine Mädchen schon etwas? - Gewissermaßen eine Vorahnung?

      »Wirklich ganz erstaunlich, diese moderne Technologie. Ja, es wird ein sehr schönes Kind, das sieht man jetzt schon. Und ich freue mich für dich und Simon, jetzt ein normales Leben führen zu können. Um ehrlich zu sein, eure Trauung war wohl die längste Zeremonie, die ich je erlebt habe«, schmunzelte ich. Delia nickte, stellte sich lächelnd auf die Zehenspitzen und gab mir einen Kuss.

      In der Tat war die Trauung ziemlich ungewöhnlich gewesen. Sie wurde in der Kantine vollzogen, damit die geladenen Gäste bei dieser Feierlichkeit genügend Plätze fanden. Zuerst versuchten wir es im Stehen. Der Standesbeamte war unser seltsamer Zyklop aus dem Büro, dessen Verantwortung auch die Ausgabe für die Ausweise und Führerscheine umfasste. Reginald lautet sein Name, den Nachnamen habe ich vergessen, weil ich mir einfach keine Namen merken kann. Als er mit monotoner Stimme begann die Phrasen zu dreschen, kippte Delia in Trance vornüber, so dass ich sie schnellstens auffangen musste, damit die Gute sich nicht den Kopf stieß. Bei ihr kamen die narkoleptischen Anfälle meistens aus heiterem Himmel und währenddessen empfing sie ihre Visionen. Danach musste sie immer schnellstens festhalten was sie sah, sonst wäre es innerhalb von Minuten wieder verpufft und sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr an das Erblickte erinnern. Nachdem sie das zweite Mal umkippte, diesmal nach hinten, organisierten wir uns ebenfalls ein paar Stühle und vollzogen die Zeremonie im Sitzen. Und das dauerte dann auch eine halbe Ewigkeit, was zur Folge hatte, dass nicht nur die Braut immer wieder weg dämmerte, sondern die Hochzeitsgesellschaft gleich mit. Zum Glück war Delia jetzt von diesem Fluch, den man aber auch als Segen betrachten konnte, geheilt. Zwar wusste ich nicht, wer jetzt an ihre Stelle treten sollte, doch für ihr zukünftiges Familienleben schien es eindeutig besser zu sein.

      »Wenn deine Jungs wieder da sind, gibt es eine Einweihungsfeier«, meinte Delia und machte sich wieder ans Packen. »Unterstehe dich, wieder abzutauchen, du musst mich mindestens einmal in der Woche besuchen kommen.«

      »Klar, komme ich dich besuchen!«, versprach ich ihr und schritt zur Tür. »Gut, meine Süße, ich muss jetzt zum Yoga. Tschüss. Weiß der Teufel, was ich da soll! Ich hoffe doch, dass ich die Auflösung des Knotens in meinen Beinen, noch vor Ende der Stunde erfahre«, beschwerte ich mich und trabte los. Delia lachte herzlich über meine Pöbelei und winkte mir hinterher.

      Im Yoga fiel ich hauptsächlich durch mein lautes Schnarchen auf, als wir zum Schluss noch ein wenig Autogenes Training machten. Dieser Akt der totalen Entspannung erfreute unseren Lehrgangsleiter nur bedingt. Er war Inder und hieß so ähnlich wie Paramanamtam und trug einen senfgelben Turban. Selbst Ernestine schien gelangweilt und rollte sich bei mir ein und schnarchte ebenfalls. Offenbar war ich nicht so schnell wieder wach zu bekommen. Aber wie es mit dem Schlaf nun mal so ist, war mir gar nicht bewusst gewesen, überhaupt beim Autogenen Training weggedriftet zu sein. Etwas kitzelte mich an der Nase. So schnupperte ich und meinte:

      »Hm, Liebes, dein Haar duftet so anders, aber echt gut. Lass mich noch ein wenig liegenbleiben, komm, kuschel dich an mich!«

      Ein Kichern ertönte. »Sag noch mal "Liebes" zu mir und ich breche dir den Kiefer! Und kuscheln werde ich mit dir erst gar nicht. Aber du hast recht, mein Haar duftet wirklich gut!« Diemal schnupperte an einem ihrer beiden hüftlangen Zöpfe. »Aber um das Kompliment zurückzugeben: Du duftest auch nicht übel. Los, steh auf, es ist Zeit für´s Mittagessen!«

      Mit hochrotem Gesicht schlug ich die Auge auf und blickte in die Deckenbeleuchtung, was zur Folge hatte, dass ich einem photischen Niesreflex erlag. Verdammt, ich dachte doch wirklich, es wäre meine Frau gewesen, die mich so zärtlich weckte, oder eher meine Ex-Frau. In gedrückter Stimmung schleppelte ich der Zwergin hinterher und erreichte die Kantine, wo ich großzügigerweise am Zwergentisch Platz nehmen durfte, weil mein Team ohne mich in geheimer Mission unterwegs war. Einerseits bedeutet es eine große Ehre, am Tisch der Zwerge sitzen zu dürfen. Andererseits ist es ein echtes Elend, als Hüne daran einen Platz zu finden. Meine Beine passten nicht unter den Tisch, so dass ich ihn beinahe angehoben hätte. Auch der winzige Stuhl drohte unter meinem Gewicht nachzugeben. Deshalb setzte ich mich auf den Boden. Die Überraschung zu Mittag stellte sich als Blut-Sorbet heraus. Genau das Richtige zu dieser warmen Jahreszeit. Trotzdem riss es mich nicht vom Hocker. Ich war ziemlich deprimiert. Nun ging Delia auch noch weg. Mir schien, als würden alle vor mir panisch das Weite suchen. Obendrein war es erst Mittag und ich definitiv schon austherapiert, oder eher der Therapie müde. Es erwarteten mich noch so ein beklopptes, kreatives Malen, meditatives Gärtnern und eine beknackte Reittherapie. Was später darauf hinauslief, dass ich der Erfinder des großen und kleinen Blutbilds wurde und einer tiefen Enttäuschung erlag, weil das Rasen sprengen gänzlich ohne C4 Sprengstoff stattfand. Aber es brachte mich immerhin auf eine geniale Idee, die ich dringend vor meinem trauten Heim umsetzen musste. Mit dem Reittier musste ich mich erst mal eine Runde prügeln, weil es beim Aufsitzen ständig vor mir die Flucht ergreifen wollte. Nun, an so etwas bin ich schon gewöhnt. Wir konnten uns auf Anhieb nicht leiden.

      … Schon immer hatte ich eine ausgesprochene Abneigung gegen Pferde. Damals, als ich noch bei den Rittern des Michael war, besaß ich einen Gaul, der die gleiche Farbe wie mein Haar hatte. Wir wurden als Einzelindividuen schon gefürchtet, doch wenn ich auf Gunnar durch die Gegend ritt, wurde sozusagen jedes Mal der Ausnahmezustand ausgerufen. Es interessierte den blöden Klepper überhaupt nicht, ob sich etwas vor seiner Nase befand. Wer nicht schnell genug das Weite suchte, wurde entweder von ihm getreten, gebissen oder zu Hackfleisch verarbeitet. Ebenso ignorant verfuhr er damit, wohin ich wollte. Das Schlimmste war der Akt, diesem Gunnar das