Elke Bulenda

Himmel, Arsch und Hölle!


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      Des Weiteren öffnete ich noch etliche Geburtstagsbriefe, die witzige Karten enthielten und sogar eine Nachricht meines Sohnes Gungnir, der mich nach Los Angeles einlud. Nur war der Meldetermin abgelaufen, weil ich versumpft war. Mir graute es schon, meine E-Mails durchzulesen. Selbst von meinem kleinen Freund Cedric bekam ich eine Geburtstagskarte, worin er mir stolz erzählte, er sei schon seit unserem letzten Treffen weitere zwei Zentimeter gewachsen. Zudem hatte er noch ein Foto dazugelegt, das ihn mit seiner neuen Familie vor einer atemberaubenden Kulisse zeigte. Selbst unser kleiner Ex-Dämonensuchhund Brutus winkte mit seinem kleinen Pfötchen in die Kamera. Natürlich mit Unterstützung von Cedric. Sie sahen alle sehr glücklich aus. Ja, Alter! So sieht ein echtes Happyend aus.

      Ich muss gestehen, ich war ein wenig gerührt, weil alle an meinen Geburtstag dachten. Um ehrlich zu sein: Damals im Mittelalter, wo ich vorher lebte, feierte man keinen Geburtstag. Was damals gefeiert wurde, waren Taufen und Namenstage. Obwohl es mein 1211 Geburtstag war, fand er für mich somit zum ersten Mal statt.

      »Ich packe mal deinen guten Pullover in den Schrank, Ernestine guckt schon wieder so gierig«, meinte Trixie und räumte ihn weg. Danach griff sie in die Schublade meiner Kommode, zog eine Socke heraus und warf sie Ernestine zu, die sie wie ein Hund einen Ball, in der Luft auffing und auf der Stelle verspeiste. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck nickte die Zwergin.

      »Wenn du dich gut genug fühlst, solltest du eine Dusche in Erwägung ziehen, du müffelst nicht gerade nach Rosen«, empfahl sie mir. Vorsichtig setzte ich mich auf, kämpfte gegen Schwindel und Kopfschmerz und warf die Decke beiseite.

      »Verdammt! Wo sind meine Klamotten!? Hast du mich ausgezogen?«, fragte ich entgeistert. Im wahrsten Sinne des Wortes zog ich blank.

      »Nun stell dich mal nicht so an. Es ist nichts an dir, was ich nicht schon gesehen hätte. Du konntest doch nicht mit deiner Kleidung schlafen und da ich dich nicht mehr wach bekam, habe ich sie dir ausgezogen. Junge, Junge, du schläfst wie ein Toter!«, lachte sie über den gelungenen Witz.

      »Ha, ha, ich bin untot, klar?«, knirschte ich und ging ins Bad. Normalerweise wurde ich schon wach, wenn nur eine Mücke hustete. Meinen tiefen Schlaf hatte ich wohl nur dem Raubbau an meinem Körper zu verdanken. Er holt sich eben das zurück, was er braucht. Als ich mich im Badspiegel (dickes Spezialglas) betrachtete, bekam ich einen Schrecken. Unbedingt schön war ich ohnehin nicht zu nennen, aber mit den weißen Haaren sah ich aus wie ein Irrer. Nach der Dusche und Rasur fühlte ich mich ein wenig besser. Nur so wie ich aussah, konnte ich unter keinen Umständen rausgehen. Äh, jetzt nicht nackt, denn ich war inzwischen wieder bekleidet. Jetzt war guter Rat teuer. »Trixie? Du bist doch eine Frau, kannst du mir nicht die Haare färben?«, fragte ich mal vorsichtig an.

      »Natürlich bin ich eine Frau! Aber sehe ich vielleicht aus, als hätte ich es nötig mir die Haare zu färben? Alter, ich bin naturblond! Wenn du das nicht glaubst, kann ich dir mal meinen Bären zeigen ...«, bot sie an.

      »Nein, das ist nicht nötig, ehrlich nicht, ich glaube es dir ungesehen. Nur so gehe ich nicht raus!«, beharrte ich stur.

      »Gut, kein Problem, ich rufe meinen Cousin Luigi Paponi an, er ist ein angesagter Hair Stylist, er weiß, was mit deiner Matte zu tun ist.«

      Wenig später klopfte es unten an der Haustür, weil noch immer die Klingel abgestellt war. Als ich sie wieder an stellte und den Summer drückte, kam mir ein Zwerg mit Rüschenhemd und Lacklederhose entgegen. Oh, bei Odin! So ein zuckriges Wesen hatte ich zuvor noch nie gesehen. Es wunderte mich ernsthaft, dass er kein Kleid trug. Der Zwerg hatte ein Frisierköfferchen bei sich und checkte bei jeder Gelegenheit, die sich im bot, in allen spiegelnden Flächen sein Äußeres. Trixie dagegen erwartete ihn schon.

      »Moin, Luigi! Komm rein, hier ist der Patient«, grinste die Zwergin.

      »Hallo Trixie, du hast Glück, dass heute Montag ist und ich frei habe«, flötete Luigi. Küsschen links und Küsschen rechts. Mit leicht angeekeltem Gesicht verfolgte ich dieses absonderliche Begrüßungsspektakel.

      »Ah, ja! Ich habe diesen modischen Unfall schon auf der Treppe gesehen. Du meine Güte! Der Barbaren-Look ist doch so etwas von out!«, schwuchtelte der rosa Friseur. »Na, dann wollen wir mal sehen, was noch zu retten ist ...«

      »Hallo? Eins wollen wir doch mal klarstellen: Ich bin weder ein Patient, noch ein modischer Unfall. Mein Name ist Ragnor. Hör zu, Luigi: An meinem Barbaren-Look habe ich nicht das Geringste auszusetzen, weil ich eben auch ein Barbar bin, klar? Hier wird nichts dran geändert, es wir weder etwas abgeschnitten, noch dauergewellt, ebenso verzichte ich auf eine Typberatung. Du sollst mir lediglich das Haar färben, das ist alles!« Sofort fühlte ich mich besser, nachdem ich meinen Standpunkt klar dargelegt hatte.

      Enttäuscht blickte mich der kleine Friseur an. »Hm, na ja. Na gut, wenn du nicht das 8. Weltwunder durch meine Friseurkünste erfahren willst, dann eben nicht! Äh, hast du vielleicht einen Tritthocker im Haus?«, sah er mich fragend an.

      Mir blieb nichts anderes übrig als mit den Achseln zu zucken. Wozu bräuchte ich einen Tritthocker? Bisher kam ich überall ohne einen dran.

      »Warte, ich hole ihn«, entgegnete Trixie und war verschwunden. Wenig später stellte sie einen Klapptritt ab. Diese Zwergin kannte sich besser im Gebäude aus als ich.

      Was dann passierte, ist mit Worten nicht auszudrücken. Zuerst einmal mussten wir meine Dreadlocks entfriemeln, das ging nur durch den Einsatz von Unmengen eines Conditioners. Die Haarfarbe stank wie die Hölle und diese ganze Prozedur dauerte eine halbe Ewigkeit, die ich damit verbringen musste, einfach nicht weg hören zu können, was sich Trixie und Luigi an Frauenthemen zu erzählen hatten. Wenigstens machten sie einen ordentlichen Kaffee. Nachdem der Kurzzeitmesser (Lüge! So kurz kam es mir nicht vor!) freudig piepte, schritten wir zur Tat und spülten diese stinkende Masse von meinem Kopf. Immerhin hatten sich diese Mühen gelohnt und ich sah wieder aus wie … na dunkelrot eben. Nur wieso mein Haar zuvor so plötzlich ergraut war, dieser Umstand schien mir noch immer ein Rätsel. Aber es kursieren immer wieder Gerüchte, dass Schockopfer über Nacht schlohweiß wurden. Bisher hielt ich so etwas immer für ein Ammenmärchen. Aber ich denke, es ist ein Zeichen meiner seelischen Krise. Und damit kamen wir zum zweiten Punkt. Natürlich wäre ich schon längst zu Dr. Dr. Gütiger gegangen. Nur hatte dieser eine neue Assistentin. Und diese Assistentin war ausgerechnet Molly Flannigan. Molly und ich hatten mal etwas miteinander. An und für sich ist sie eine sehr hübsche, ansprechende Person, nur drängt sie mich ständig dazu, dass ich sie in eine Vampirin wandeln sollte. Trotz ihres leckeren Äußeren, ist sie eine respektlose, rotzfreche Gothic-Göre, mit Hang zur Dunkelheit, aber das ist ja quasi die Grundvoraussetzung dieser Gothic-Szene. In Paris stritten wir uns wieder wüst, weil ich vorgab sie zu wandeln, es aber dann doch nicht tat. Das Mädchen sollte erst mal leben, bevor sie untot werden wollte. Obendrein schmeckte ihr Blut so komisch. So beschloss ich, da ich ein Auge auf Amanda geworfen habe, dass ich einen großen Bogen um Molly machen musste, weil wir ansonsten wieder zusammen im Bett landen würden. Wir konnten einfach nicht die Hände voneinander lassen. Das wären in meinen Augen unfair Amanda gegenüber. Obwohl das mit Amanda reines Wunschdenken ist. Aus diesem Grund hatte ich auch die Klingel abgestellt. Damit Molly nicht Sturm klingelte, falls sie wieder ihrer Überredungskünste bei mir anwenden wollte. Ob sie mir noch hinterher stalkte oder nicht, das kann ich jetzt nicht sagen. Und falls sie demnächst doch aufschlagen sollte, und sich gewaltsam Eintritt verschafft, kann ich zur Not immer noch aus dem Balkon springen und das Weite suchen. Klingt vielleicht ein wenig krass, doch Molly führt auch virtuos den Baseball- und den Golfschläger, da wäre es möglich, dass sie zwischenzeitig in der Volkshochschule einen Kurs im Einbrechen belegt haben könnte. Aber wer mein Haus betreten will, muss schon ziemlich starke Nerven haben. Mal von den vielen, drohenden Warnschildern abgesehen, die besagen, dass höchste Lebensgefahr herrscht, habe ich daneben noch noch eine Mülltonne gestellt, worin der Besucher seine hohen Erwartungen und Hoffnungen ablegen kann. Davon mal abgesehen, habe ich noch für ungebetene Gäste ein paar Gadgets installiert.

      … Hey, ich bin nicht paranoid, aber in Paris habe ich mich mit Zaphiel angelegt, dem Vorgesetzten von Barbiel. Also, eigentlich dem ehemaligen Vorgesetzten, denn Barbiel ist rehabilitiert worden. Ach, damit ihr wisst, wovon ich überhaupt rede: Barbiel