Elke Bulenda

Himmel, Arsch und Hölle!


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Menschheit vor dem Untergang und wurde von seinem Gott Jahwe rehabilitiert, was ohnehin ein absolutes Novum ist, denn nie zuvor nahm sein Gott einen Gefallenen wieder bei sich auf. Leider ist das kein Happyend, denn Satan schätzt es zwar, wenn jemand von Gott abfällt, er selbst duldet aber keinen Abtrünnigen in seinen Reihen. Deshalb schickte er Zaphiel, damit er Barbiel zurück in die Hölle bringen sollte, wo ihn schlimme Strafen erwarteten. Unser Barbiel ist zwar eine nervige Zicke, doch gab ich ihm mein Wort, ihn zu beschützen. Also machte ich aus Zaphiel Monty-Python-mäßig einen Sitzsack, indem ich ihm alles abhackte und zurück in die Hölle schickte. Er zeterte, dass ich jetzt auch mit in dieser Sache hängen würde, und dass er wiederkäme, um seinen Plan zu vollenden. Seltsamerweise hat er sich bisher nicht wieder blicken lassen. Offensichtlich sucht er noch immer seine verdammte Nase, die ich ihm abschlug und vernichtete, was eher zufällig geschah, weil sie unter meinem Schuh klebte, während der Rest von Zaphiels Körper den direkten Express zur Hölle nahm. Und wenn er nicht gestorben ist, dann sucht er sie noch heute. Pech für ihn ...

      Da meine innere Uhr wieder funktionierte, fand ich es an der Zeit, meinen Termin beim Ferdi wahrzunehmen. Unhöflich wollte ich zu dem hilfsbereiten Friseur nicht sein, darum gab ich Trixie meine Geldbörse, damit sie Luigi bezahlen konnte. Doch der lehnte strikt und auch ein wenig pikiert ab.

      »Nein, Zwerge bezahlen sich untereinander doch nicht! Sie schulden sich einen Gefallen. Du kannst bei meiner nächsten Frisuren-Show als Langhaarmodel für mich auftreten. Schönes, langes Haar hast du ja«, meinte er darauf.

      »Okay, solange du mir keine Brautfrisur steckst, geht das in Ordnung«, kamen wir auf einen Nenner. Wir verabschiedeten uns und Trixie begleitete ihn zur Tür. Als ich aus dem Fenster sah, raste Luigi Paponi mit einem Porsche 911 Carrera davon. Hm, das Haare schnippeln schien ein lohnendes Business zu sein. Wenig später kam die Zwergin zurück und meinte:

      »So, fahren wir ins Hauptquartier, ich habe versprochen, dich hinzubringen.«

      »Wie fahren?«, fragte ich erstaunt. »Bist du mit deinem Wagen hier? Hast du überhaupt ein eigenes Auto?«

      Sie machte ein mürrisches Gesicht. »Natürlich habe ich einen Wagen, nur kurvt einer meiner Söhne gerade damit herum. Er holt jemanden vom Bahnhof ab. Du würdest ohnehin nicht dort hinein passen. Sag bloß nicht, dass du dir immer noch kein Auto angeschafft hast! Die ganze Zeit redetest du davon! Das sind mir die Richtigen, erst tönen: ›Was kostete die Welt?‹ - und dann ne´ kleine Cola nehmen! Dann gehen wir eben zu Fuß!«, nölte sie schmollend.

      »Hey, ich bin noch nicht dazu gekommen, außerdem kann ich mich einfach nicht entscheiden. Die Auswahl ist echt riesig. Jetzt schmoll mal nicht rum, wenn dir der Weg zu weit ist, dann trage ich dich halt«, bot ich ihr an. Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Fein, aber ich sage, wo es lang geht!«

      Tja, was soll ich sagen? Die Zwergin nutzte es voll aus, mich als Reittier zu missbrauchen. Als sie auf meinen Schultern Platz nahm, griff sie sich zwei meiner Zöpfe und gab mir mächtig die Sporen. Zum Glück waren außer den Enten und dem räudigen Kater keine Zuschauer da, als ich schnaufend am See vorbeilief. Im Hauptquartier angekommen, musste ich mich erst mal ein wenig hinsetzen und wieder zu Kräften kommen. Frauen können ja so anstrengend sein!

      »Herrgott, Ragnor, du keuchst wie eine alte Oma! Ich kann dir nur dringend raten, etwas für deine Kondition zu tun! Geh morgens joggen, das hält fit!«, riet sie mir. Sehr witzig, sie war schließlich keinen einzigen Schritt gelaufen.

      Noch immer ganz erhitzt von ihrem rasanten Ritt, schob sie mich energisch vor sich her, was mir das Gefühl gab, ein sturer Esel zu sein. Doch Widerstand war zwecklos, jedenfalls bei Trixie. Sie hat eine Horde Söhne, bei denen sie über die absolute Befehlsgewalt verfügt. Da halfen auch keine Ausreden, z. B. dass ich müde sei u.s.w. Wenig später parkte sie mich vor der Tür des guten Dr. Dr. Ferdinand Gütiger ab, seines Zeichens Parapsychologe und psychologischer Gesprächstherapeut. Zuvor hatten der Doc und ich schon ganz gute Fortschritte gemacht, vor allem, was meine Mordgelüste und Aggressionen betraf. Auch bei der Trauerarbeit und Vergangenheitsbewältigung leistete er mir gute Dienste. Doch diesmal sträubte sich alles in mir, das Vorzimmer und seine Praxis zu betreten. Nachdem Trixie die Vorhut bildete und mich herein winkte, überzeugte ich mich lieber persönlich von der Entwarnung. Keine Molly saß an der Rezeption, der Platz war verwaist. Nur ein Schild auf dem stand: »Komme gleich wieder«, füllte die gähnende Leere. Diese Gelegenheit nutzend, flitzte ich direkt zu Gütigers Tür und klopfte. Eine wohltönende Stimme forderte mich zum Eintreten auf. Puh, der erste Schritt zur geistigen Genesung war getan...

      Zur Psychologie des Schafes: Der sichtbar gestaltete Ausdruck hoher Zustände ist dem der Blödheit nicht unähnlich.

      (Robert Musil)

      »Ah, schön dich zu sehen, Ragnor. Es freut mich, dass du gekommen bist«, begrüßte mich der Doc. Wie jedes Mal, musste ich mich überwinden, ihm die Hand zu geben.

      … Einem Menschen die Hand zu geben, ist für Vampire ungefähr so, als tätschele man ein Schwein, um zu überprüfen, welche Qualität das Kotelett haben würde. Es klingt augenscheinlich ein wenig arrogant, aber wenn man so wie ich an der Spitze der Nahrungskette steht, fällt für den edlen Menschen schon mal der Begriff Langschwein. Natürlich benutzten wir Vampire diese Redewendung vor langer Zeit. Seit Sal mich mit seinem Humanismus-Kram vollquatschte, hat er mir solche Flausen gründlich ausgetrieben. Die Menschenjagd war für mich schon fast ein Jahr lang ein Tabuthema. Bei Nichtbeachtung dieser Regeln, würde ich auf Nimmerwiedersehen von der Oberfläche verschwinden und in einem unterirdischen Gefängnis vergammeln. Meine Fähigkeiten wurden seit meinem fatalen Erwachen in die Dämonenjagd kanalisiert, der sich die Organisation Salomons Ring verschrieben hatte. Aber nicht nur Dämonen sind unsere Feinde. Jeder, der mit Magie Schandtaten betreibt und sie gegen die Menschen einsetzt, ist eine potenzielle Zielperson. Unsere Organisation ist sozusagen das letzte Bollwerk gegen das Böse. Und mit meinem miesen Charakter dem Bösen den Arsch zu versohlen, ist schon ein wenig schizophren. Trotzdem finde ich es dufte, auf der richtigen Seite zu stehen. Vielleicht gehe ich deshalb zum Irrenarzt ...

      Die Eulenaugen des Therapeuten musterten mich. Zum Glück machte mir der Doc nie irgendwelche Vorhaltungen.

      »Ragnor, ich habe gehört, dass es dir in letzter Zeit nicht so gut ging. Barbiel erzählte mir schon, dass man euch in Paris ziemlich übel mitgespielt hatte. Wie wäre es, wenn du mir davon erzählst?«, schlug der Doc vor. Wie immer war ich völlig gebannt von seinem Äußeren. Die Brille vergrößerte seine Augen so stark, dass er schon fast wie ein Außerirdischer wirkte.

      »Ja, Paris war echt scheiße! Ich bin sehr traurig. Dort wurden alle meine Hoffnungen begraben. Ich denke nicht, dass ich sie umbetten werde«, brummelte ich. »Dort traf ich auf den Mörder meiner ersten Frau. Ich machte ihn platt und seitdem fühle ich mich immer noch nicht besser. Dann erfuhr ich vom Verbleib meiner zweiten Frau und den Töchtern. Das gab mir den Rest. Die Mädchen sind verloren und meine Frau annullierte unsere Ehe, um mit jemand anderen zu paktieren! Sie entehrte mich und meine Kinder!« Außerhalb Gütigers Blickwinkel, genauer gesagt, unter seinem Schreibtisch, ballte ich meine Fäuste. Liebend gern hätte ich jetzt etwas zerstört.

      »Hm, mir scheint, du bist eher wütend und nicht traurig. Du erwähntest dich an erster Stelle und danach erst deine Kinder. Höre ich etwa gekränkte Gefühle aus deinen Worten? Vergiss nicht, deine Ex-Frau musste sich und zwei kleine Kinder durchbringen. Sie wird es wirklich nicht leicht gehabt haben. Dass sie die Ehe für null und nichtig erklären ließ, wundert mich nicht. Schließlich wurdest du im Nachhinein zur persona non grata erklärt«, orakelte der Therapeut.

      »Wäre ich nicht ein noch größerer Idiot, wenn ich nicht gekränkt sein dürfte? Natürlich ist es durch meine dumme Tat, den Lord zu ermorden, alles meine Schuld - und dafür hasse ich mich! Durch mein Handeln habe ich sie einem ungewissen Schicksal preisgegeben. Das Leben ist ein Jammertal! Alles was mir etwas bedeutet, wird mir entzogen. Es ist wie eine Bestrafung! Außerdem fehlt mir die Action mit den Jungs. Verdammt, ich wurde kaltgestellt! Nur weil ich ab und zu Kopfschmerzen habe. Okay, ich gebe es zu, ich habe mich in letzter Zeit ein wenig gehen lassen. Aber ist es ein Wunder? Mein Leben hat keine Bedeutung mehr, alles