Claudia Karsunke

Jonathans Erbe – Expedition in die Vergangenheit


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ihnen also Besseres vergönnt sein, als am selben Strang zu ziehen? Sie wurden Partner. Das allein war das Geheimnis, das sich hinter dem wirtschaftlichen und technologischen Aufschwung das Unternehmens MorleysPartnership Enterprises und Jonathans Erfolg verbarg. Das Kramer-Such-Projekt war sein ganz persönliches Anliegen. Was er für sein Land noch tun konnte und auch tun wollte, versuchte Jonathan durch diese Expedition herauszufinden. Genau zu diesem Zweck hatte er sie ins Leben gerufen. Er hatte Sponsoren dafür interessiert und selbst eine Menge Geld in die Sache investiert, um auch da erfolgreich zu sein. Es war ihm gelungen, die besten Leute zusammenzubringen, die er sich für diesen schwierigen und zugegebenermaßen einzigartigen Auftrag vorstellen konnte. Erst vor wenigen Tagen hatten seine Leute sich auf den Weg in den Norden gemacht. Nach ein paar notwendigen Umwegen war es Richie offensichtlich bereits jetzt gelungen, auf eine scheinbar sehr lebendige Spur zu treffen. Er wirkte bei ihrer Unterhaltung via Satellit noch sehr beeindruckt von dem, was er am Morgen erlebt hatte. Beinahe sprachlos. Daraus ließen sich für seine Suchmannschaft immens wichtige und neue Erkenntnisse für die weitere Vorgehensweise ziehen. Sein Team würde damit hoffentlich auch bei den sterblichen Überresten Kramers landen. Das war Jonathans Anspruch, und er ging jetzt davon aus, sein hochgestecktes Ziel, das lange gehütete Geheimnis um das Schicksal des Forschers, mit dieser ausgewählten Crew tatsächlich zu erreichen.

      Meine letzte, verhängnisvolle Erfahrung mit den Unwägbarkeiten einer Entdeckungsreise wie dieser sollte sich nicht wiederholen. Ich setzte mich also mit Mendig zusammen, der sich im Laufe der Monate als der Zuverlässigste und Umsichtigste der Männer entpuppt hatte, und sprach mit ihm über meine Überlegungen. Mein Vormann hatte mir seinerseits Vorschläge gemacht, wie sich unsere Situation praktisch verbessern ließ. Und so begann das Umdenken in meiner Expedition. Ab jetzt, so hatte ich beschlossen, würde ich vorgehen wie ein Pionier, der sich allein oder mit seiner Familie in die Wildnis hinauswagt und auf ein Leben weitab von der Zivilisation einrichtet. Auch ein Siedler ist lange Zeit allein auf sich gestellt. Auch sein Überleben in der Abgeschiedenheit hier draußen hängt von seinen praktischen Fähigkeiten ab, sein eigenes und das Überleben der ihm Anvertrauten zu sichern.

       Das alles erschien plötzlich ganz klar vor meinem geistigen Auge. Ich erkannte, dass die Erschließung von neuen Weidegründen für die nachfolgenden Siedler mehr war, als allein die Durchquerung von üppigen Graslandschaften, während mein eigentliches Interesse an diesen Unternehmungen eher meinen botanischen Sammlungen, meinen meteorologischen Messungen und geographischen Aufzeichnungen galt.

       Also begann ich, mich plötzlich selbst als einen Teil dieser Besiedelung zu begreifen. Diese neue Art, meine Reise zu betrachten, war genau das, was mir und meiner Mannschaft das Überleben sicherte, soweit es in unserer Macht stand und was mich darüber hinaus auch als Forscher meinem Ziel Stück für Stück näher brachte. Erst wenn der Grundstein gelegt war, würde sich dieser Kontinent weiter öffnen: für meine wahre Leidenschaft, die schon immer den Naturwissenschaften gegolten hatte. Und diese Grundlage war ich bereits dabei, für mich und nachfolgende Entdeckungsreisende zu schaffen.

       Diese ganze Reihe von Offenbarungen wurde zum Schlüssel für den bisherigen Erfolg meiner Expedition. Ich hatte alles Notwendige in Bewegung gesetzt, um zusammen mit Mendig diese neue Idee zu verwirklichen. Die meisten meiner Männer kamen von Stations oder halfen bei der Bewirtschaftung kleinerer Farmen mit. Für sie stellte es kein Problem dar, zu dem zurückzukehren, was sie aus ihrem früheren Alltag kannten.

       Meine einheimischen Begleiter freuten sich zwar über die nun regelmäßigere Versorgung mit Essbarem, sträubten sich aber strikt dagegen, eigene Vorräte anzulegen. Schließlich konnte ich sie aber so weit bringen, mir oder meinen weißen Männern essbare Wurzeln und wilde Früchte zu zeigen, wenn wir daran vorbeikamen. Die beiden Schwarzen waren jedoch niemals bereit, diese selbst auszugraben oder sogar auf Vorrat zu kochen. Das war in ihren Augen Frauensache. Ihre Aufgabe war eine andere. Jonny und Billy kannten zwar alles, was der Busch für einen Ureinwohner bereithielt, der darauf angewiesen war, eine Weile allein in der Wildnis zu leben. Aber sie waren auch Männer. Sie würden nie mehr wie die Frauen ihres Stammes umherziehen und Knollen und Früchte sammeln, um sie im Lager zu kochen. Sie waren Männer, die ihre Aufgabe kannten.

      7. Tag

      14° 55’ 19’’ S / 133° 07’ 58’’ O Mataranka, NT Das Konzert der vielfältigen Tierstimmen ließ darauf schließen, dass der Campingplatz von üppiger tropischer Vegetation umringt war. Es war später Nachmittag und noch immer unangenehm heiß. In der feuchten Luft, die den Eindruck entstehen ließ, dass es noch heißer als gewöhnlich war, dröhnten die Zikaden beinahe unerträglich laut und schrill in den Ohren, so dass man seine eigene Stimme anheben musste, um diesen Lärmpegel zu übertreffen. In der Mitte der großen Rasenfläche, auf der sich Zelte, Reisemobile und Allradfahrzeuge in möglichst diskretem Abstand voneinander verteilt hatten, stand ein offenes Gebäude. Es beherbergte die sanitären Anlagen des Platzes. Mit einem dicken Bündel von ordentlich übereinandergelegten Wäschestücken auf dem Arm trat Annette aus der Laundry heraus. Auf ihrem Weg zur Wäscheleine stieß sie beinahe mit Richie zusammen, der gerade den Eingang ansteuerte. „Gut, dass du gerade kommst. Hilf mir doch bitte mal mit den Sachen. Mit einer Hand kann ich sie sonst so schlecht aufhängen.“ „Ich wollte eigentlich zur Toilette.“ Richie deutete lächelnd auf sein Ziel. Mit ihren Augen versuchte die Deutsche seinen Blick einzufangen und ihn von der Vordringlichkeit ihres Anliegens zu überzeugen. „Das kannst du doch auch noch danach machen, oder?“ Richie verzögerte seine Schritte. Dann resignierte er und drehte um. „Also gut.“ Annette packte den Wäschestapel auf seinen Arm und marschierte vorweg. „Hier drüben. Diese Leine nehmen wir.“ Die Sachen, die schon zum Trocknen dort hingen, sahen alle irgendwie gleich aus. Es war die offizielle Kleidung, die ihnen der Sponsor zur Verfügung gestellt hatte. Auf jeden entfielen drei Polo-Shirts, bzw. Blusen in verschiedenen Farben, zwei Sweatshirts und zwei lange Hosen, deren Beine sich durch Reißverschlüsse jederzeit zu Bermudas oder zu Shorts verkürzen ließen. Trotz der Farbvielfalt, die den gesamten Regenbogen repräsentierte, waren die meisten Hemden uni rot, grün und blau. Richie schaute Annette fragend an. Die Teile ließen den Betrachter eher auf die Mitglieder einer Hockeymannschaft schließen. „Kannst du mir sagen, wie du die später alle noch auseinanderhalten willst?“ Annette nahm ein Stück nach dem anderen von dem Stapel und klammerte es auf die Leine. Nun kam die Unterwäsche an die Reihe. „Daran, Richie, ist doch logisch oder?“ Während sie auf die Wäsche auf Richies Arm deutete, schüttelte er nur verständnislos den Kopf. „Deiner Logik soll ein normaler Mensch folgen können.“ „Aber wieso denn? Schau her! Ich erklär’s dir!“ Annette hielt die Boxershorts hoch, die obenauf lagen. „Jimmy zum Beispiel trägt die unter seinen Sachen. Hans bevorzugt diese Art Slips.“ Annette griff nach seinem modischen schwarzen Slip und hängte ihn auf die Leine. „Paddy findet offensichtlich so was originell.“ Diesmal zog sie einen dunkelgrünen Slip mit einem eingewebten Krokodil hervor, um ihn festzuclipsen. „Und Frank steht auf diese bunte Hawaiiausgabe.“ Es blieben zwei Modelle übrig, ein paar einfarbig mittelblaue Boxershorts und ein schwarzer Slip mit Eingriff „Darüber bin ich mir noch nicht so ganz sicher.“ Sie befestigte den Slip an der Leine. „Könnte das deiner sein?“ Sie wiegte den Kopf ein wenig hin und her und wartete aus den Augenwinkeln heraus auf Richies Reaktion. Er war zwar der älteste von ihnen, aber diese Einschätzung seiner Person rief seinen ganzen Protest hervor. „Danke für die Blumen. Ich dachte nicht, dass du mich so siehst.“ Annette spielte die Irritierte und beschwichtigte ihn sofort. „Dann gehört er vermutlich doch Bill.“ Verärgert drückte Richie Annette die restlichen Wäschestücke in die Hand und wendete sich abrupt zum Gehen. „Entschuldige mich, aber ich muss jetzt wirklich...“ Langsam bekam er einen Eindruck von dem, was Hans gemeint hatte, wenn der sich über Annettes Art ausließ. Er würde sich künftig bedeckt halten, wenn sie wieder versuchen sollte, ihn aus der Reserve zu locken. „Oh, entschuldige Richie. Ich wollte dir wirklich nicht zu nahe treten.“ Sie schaute ihm triumphierend hinterher, bis er in der Herrentoilette verschwand. Sie schüttelte den Kopf, als sie den vorerst letzten Slip an der Leine befestigte. Aber sie musste zugeben, dass er zu Bill irgendwie am besten passte. Dann kehrte sie, zufrieden mit sich selbst, zurück in die Waschküche, wo eine weitere Maschine auch bald fertig sein musste. Erst danach würde auch sie sich ein ausgiebiges Bad in diesem Thermal-Swimmingpool zwischen