bringt andere zwar nur zu gerne in Verlegenheit, aber heute Morgen brannte ihm eindeutig etwas viel Wichtigeres auf der Seele als Lenas und Sentrans Bettgeflüster.« Dafür handelte er sich einen Rippenstoß von Anna ein.
Lena fühlte schon wieder die Röte in sich aufsteigen. Ihr wäre es lieb gewesen, man würde nicht derart lebhaften Anteil an ihrem Liebesleben nehmen.
Offenbar war für Vitus das Thema abgeschlossen. Er wandte sich an Viktoria. »Schön, dass du mitgekommen bist und das, obschon Ketu Dienst hat.«
»Och, ich kann mich zwischendurch ganz gut alleine beschäftigen, Vater. Ich bin gerne hier im Schloss. Außerdem würde ich mich freuen, wenn wir uns die Sachen von unserer Mutter anschauen könnten.«
»Das ist eine hervorragende Idee.« Vitus lächelte, wurde aber wieder ernst, als er bemerkte, wie Loana unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte.
»Schon wieder?«, fragte er besorgt. Sie nickte stumm, sprang auf und rannte hinaus – und Vitus hinterher.
»Du meine Güte!«, rief Anna aus. »Hoffentlich hört das bald auf. Loana tut mir schrecklich leid.«
Viktoria blickte nachdenklich zur offenstehenden Küchentür. »Ja, das ist wirklich schlimm. Aber ich glaube, das ist ihr egal. Sie ist so überglücklich. Schließlich hat sie jahrelang geglaubt, keine Kinder bekommen zu können. Ich nehme an, da nimmt sie das bisschen Kotzerei gerne in Kauf.« Sie sah zu Lena, die gerade herzhaft in ihr Käsebrötchen biss, und machte große Augen. »Ach du Schreck, entschuldige bitte, Lena. Das war taktlos von mir. Das ist nun wirklich kein Thema fürs Frühstück.«
Lena war schlichtweg am Verhungern, weshalb sie nur mit halben Ohr zugehört hatte, und schluckte nun den so genüsslich einverleibten Bissen ihres Brötchens hastig runter. »Hm?« Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, dass Viktoria sie gemeint hatte. »Oh, ähm, nein, schon gut. Ich bin nicht so empfindlich. Außerdem ist Loana ja rausgegangen, um zu …«
Was redete sie denn da? Erneut wurde sie rot. Doch als sie die belustigten Gesichter erblickte, auch das von Sentran, fiel sie erleichtert ins Gelächter ein und setzte dann fröhlich ihr Frühstück fort. Kurze Zeit später aber hielt sie sich stöhnend den Bauch. »Ich kann nicht mehr«, jammerte sie.
»Du kannst mit deinen gerade mal zwei Brötchen unmöglich schon satt sein«, protestierte Sentran. »Außerdem bist du eindeutig zu dünn, genau wie deine Schwester.«
»Hey, lass mich da gefälligst raus, Sentran. Mir reicht es schon, wenn Viktor und Vitus mich ständig mit dem Essen gängeln.« Anna guckte beleidigt drein. »Und überhaupt, was heißt hier: zu dünn? An uns Nell-Schwestern ist alles dran, was dran zu sein hat.«
Lena lachte, als sie Sentrans betretenes Gesicht sah. An ihr war in der vergangenen Nacht ganz bestimmt genügend dran gewesen. Das hatte er ihr ausgiebig gezeigt. Deswegen nahm sie seine Hand und drückte sie zart.
»Schon gut, Anna, wir sind mit allem bestückt, was wir zum Leben brauchen.« Sie ließ Sentran los und hielt sich aufs Neue den Bauch. »Aber jetzt bin ich dermaßen satt, dass ich das Gefühl habe, es wäre viel zu viel an mir dran.«
Sie erwiderte Sentrans empörten Blick. »Zwei Brötchen, eine Riesenportion Rührei und Müsli. Ich bitte dich, Sentran, das kannst du doch nie und nimmer zu wenig nennen? Ich bin nicht mal die Hälfte von dir. Du hast aber nicht doppelt so viel gegessen wie ich.«
»Vergiss es, Schwesterherz!«, rief Anna eilig dazwischen. »Wenn es ums Essen geht, sind Elfen und auch Halbelfen äußerst starrsinnig. Das scheint deren Lebensphilosophie zu sein.«
»Es sind die Menschen, die sagen: Essen hält Leib und Seele zusammen«, schaltete Ketu sich ein.
Lena hatte von ihrer Schwester allerhand Anekdoten und Geschichten über den Elfenkönig, seine Verlobte und auch über seine sechs Wachen gehört. Jedenfalls genug, um zu wissen, dass Ketu zwar zu der zurückhaltenden Sorte Mann gehörte, aber nicht zur gänzlich stillen. Offenkundig hatte er sich an ein Sprichwort aus dem reichhaltigen Repertoire seines verstorbenen Bruders Sistra erinnert und es nun zum Besten gegeben.
»Eben, Ketu, Essen – aber nicht Fressen«, konterte Anna lachend, während vier der Wachen als Kommentar einmal kurz nickten, dann aufstanden und hinausgingen.
Ketu gab Viktoria einen sanften Kuss. »Kommst du noch mit raus?«, bat er sie.
»Aber sicher doch, Ketu. Schließlich muss ich bis heute Abend ohne dich auskommen.« Viktoria folgte ihm nach draußen.
»Tja, wir sollten in die Bibliothek gehen, Viktor, damit sich Sentran und Lena auch ungestört voneinander verabschieden können.« Anna zog ihn hinter sich her. Dann drehte sie sich um und sprach Lena noch einmal an, ehe beide hinausgingen. »Komm doch gleich nach.«
»Was?«, fragte Lena völlig überrumpelt. »Du musst weg?«
»Ja, ein Einsatz im Norden«, entgegnete Sentran und wirkte niedergeschlagen. »Aber heute Abend bin ich zurück, Lena, bestimmt. Wirst du auf mich warten?« Seine silbergrauen Augen blickten sie so eindringlich an, dass sich ihr Herz augenblicklich zusammenzog.
»Gerne«, flüsterte sie und ließ sich noch einmal ausgiebig von ihm küssen, bevor auch er zur Küche hinausging.
Nachdem sie allein war, befand sich Lena wie in Trance. Sie räumte den Tisch ab und stapelte alles auf die Anrichte. Dabei war sie derart tief in ihren Erinnerungen an die vergangene Nacht, aber auch den überraschenden Abschied von Sentran versunken, dass ihr gar nicht aufgefallen war, wie eine große junge Elfe den Raum betreten hatte und Lena nun ungeduldig anstarrte.
»Du brauchst das nicht zu tun. Das ist nämlich meine Aufgabe.«
Erschrocken fuhr Lena herum und ließ eine Gabel fallen.
»Mein Name ist Etita. Du wolltest doch zu deiner Schwester in die Bibliothek.« Etita machte mit den Händen eine scheuchende Bewegung. »Sie erwartet dich schon.«
Lena war es nicht gewohnt, dass andere hinter ihr herräumten und noch dazu in ihren Kopf herumstöbern konnten. Doch diese Etita machte auf sie den Eindruck, ihr besser nicht zu widersprechen. Also ergriff sie die Flucht und machte sich hastig auf den Weg zur Bibliothek.
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