Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


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Ich glau­be, ich wür­de über sie her­fal­len, so sehr will ich sie. Nach die­sen fünf Jah­ren weiß ich ein­fach nicht, ob es mei­ne Ab­sti­nenz oder mein Ver­lan­gen oder mei­ne Lie­be ist, die mich treibt.«

      »Ich wür­de sa­gen, dass du trotz fünf Jah­ren Ent­halt­sam­keit kein Wüst­ling bist, der über ei­ne wehr­lo­se Men­schen­frau her­fällt, Sen­tran.«

      Er­schro­cken wir­bel­te er her­um und blick­te ge­ra­de­wegs in Ke­tus ru­hi­ge hell­brau­ne Au­gen. Sen­tran hat­te ihn nicht kom­men ge­hört, ihn nicht ge­spürt, sich selbst nicht ver­schlos­sen, noch da­zu laut mit sich und ei­nem Pferd ge­spro­chen.

      »Wie hat Vi­tus das so tref­fend ge­sagt?: Es sind die Frau­en. Sie ma­chen uns schwach. Und wir kön­nen nichts da­ge­gen tun. Du bist auch nur ein Mann, der sei­nen Geist auf­grund der Lie­be zu ei­ner Frau nicht mehr im Griff hat.« Ke­tu trat ein Stück nä­her. »Und du bist kein lüs­ter­nes Mons­ter, Sen­tran. Du hast dich ein­fach nur ver­liebt.«

      Ke­tu schien Sen­trans Re­ak­ti­on sehr ge­nau zu be­ob­ach­ten. »Ich hat­te ei­gent­lich gar nicht vor hier­her­zu­kom­men, aber als ich vor ein paar Mi­nu­ten mei­ne Schicht an­trat, ha­be ich un­be­ab­sich­tigt dei­ne Ge­füh­le und Ge­dan­ken wahr­ge­nom­men.« Er sah Sen­tran in sei­ner ty­pisch be­son­ne­n­en Art an. »Ich woll­te es nicht, doch es hat mich an­ge­rührt, wie sehr du ver­letzt wor­den bist und wie du über Le­na denkst.«

      »Dan­ke, für dein Mit­ge­fühl, aber das ist nicht nö­tig«, gab Sen­tran schroff zu­rück.

      Es är­ger­te ihn, dass aus­ge­rech­net Ke­tu ihn er­spürt hat­te. Aus­ge­rech­net der Mann, der ihm von An­fang an so arg­wöh­nisch ge­gen­über­ge­tre­ten war, weil er in der Trau­er um sei­nen Bru­der im­mer noch glaub­te, Sen­tran wür­de als Si­stras Nach­fol­ger des­sen An­den­ken scha­den.

      »Nein, das glau­be ich nicht, nicht mehr. Du scha­dest Si­stras An­den­ken nicht. Nie­mand kann das. Du scha­dest nicht, ganz im Ge­gen­teil, denn wir brau­chen dich als sechs­ten Mann, Sen­tran. Des­sen bin ich mir be­wusst. Mein Schmerz um den Tod mei­nes Bru­ders hat nichts mit dir zu tun.«

      »Wie kommt es zu dem Sin­nes­wan­del?«

      »Wir sind El­fen. Zwi­sche­nel­fi­sche Ein­drü­cke und Emp­fin­dun­gen ent­ste­hen bei uns nun mal häu­fig ex­trem schnell und kom­pro­miss­los, im El­fen­tem­po halt. Soll hei­ßen, ich kann mei­ne freund­schaft­li­chen Ge­füh­le für dich nicht län­ger ver­heh­len.«

      Sen­tran lä­chel­te, als er be­merk­te, dass Ke­tu eher zer­knirscht denn froh über die­se »freund­schaft­li­chen Ge­füh­le« drein­schau­te.

      »Al­so gut, das freut mich na­tür­lich, denn mir geht es nicht an­ders. Ein Wort noch und dann soll­ten wir nie mehr dar­über re­den, Ke­tu: Ich ha­be dei­nen Bru­der nicht ge­kannt, je­doch viel Gu­tes über ihn ge­hört. Wo und wann im­mer sich mir dir Ge­le­gen­heit bie­tet, wer­de ich ihm Eh­re er­wei­sen. Das ver­spre­che ich dir.«

      Ke­tus Blick blieb ver­schlos­sen. Sen­tran sah trotz­dem sei­ne Freu­de. »Dan­ke, Sen­tran. Lass mich jetzt Pan wei­ter ver­sor­gen und geh du zu Le­na.« Ke­tu nahm ihm den Strie­gel aus der Hand. »Ach, üb­ri­gens, ich ha­be Le­n­as Emo­ti­o­nen deut­lich wahr­ge­nom­men. Sie und auch An­na wer­den viel­leicht bö­se sein, weil ich es dir er­zäh­le. Aber, ich den­ke, das ist wich­tig. Ich ha­be es ge­se­hen, Sen­tran. Le­na be­gehrt dich ge­nau­so wie du sie. Geh zu ihr und tra­ge sie in dein Bett. Dei­ne Schicht ist schließ­lich seit ein paar Mi­nu­ten vor­bei.«

      Für einen Mo­ment schwieg Sen­tran, be­vor er ant­wor­te­te: »Ich weiß nicht, ob ich sie in mein Bett tra­gen wer­de, doch wer­de ich jetzt mit ihr spre­chen. Auch ich dan­ke.«

      So­bald er den Stall ver­las­sen hat­te, ras­te Sen­tran mit El­fen­schnel­lig­keit ins Schloss und er­spür­te Le­n­as Auf­ent­halts­ort. Oh­ne an­zu­klop­fen, be­trat er die Bi­blio­thek und sah Le­na ge­ra­de­wegs in die Au­gen.

      »Könn­te ich dich spre­chen, Le­na? Bit­te. Un­ter vier Au­gen.«

      »Tja, ich geh dann mal.« An­na husch­te schmun­zelnd an ihm vor­bei durch die Tür und schloss sie lei­se hin­ter sich.

      Er schluck­te schwer, ver­such­te, sich zu sam­meln, um die rich­ti­gen Wor­te zu fin­den. Es ha­lf ihm nicht, dass Le­n­as Au­gen sich kurz­zei­tig wei­te­ten. Die­ser grü­ne Schim­mer dar­in ver­ri­et ihm ih­re gan­ze Auf­re­gung und spie­gel­te da­mit sei­ne ei­ge­ne wie­der. Doch er muss­te ein­fach mit ihr re­den.

      »Ich bin nun mal ein El­fe«, be­gann er. »Ich weiß nicht, was dar­aus wer­den wird. Aber ich weiß, dass du mir sehr viel be­deu­test, Le­na, sehr viel. Wirk­lich sehr viel.«

      Sie ging ein paar Schrit­te auf ihn zu und er wich ge­nau die­se Schrit­te zu­rück.

      »Le­na, du musst wis­sen, wer, was und wie ich bin.«

      Als Re­ak­ti­on trat sie noch nä­her zu ihm. Nun konn­te er nicht wei­ter zu­rück­wei­chen, da er schon mit dem Rü­cken an der Tür stand.

      »Du bist ein ziem­lich gro­ßer El­fen­mann, Sen­tran. Das se­he und das weiß ich. Mehr in­ter­es­siert mich der­zeit nicht.« Sie kam noch et­was nä­her. »Wür­dest du mich bit­te noch ein­mal küs­sen, an­statt von wer, was und wie zu re­den?« Jetzt stand sie so dicht vor ihm, dass sie sich be­rühr­ten.

      Er­neut schluck­te Sen­tran, die­ses Mal so schwer und so laut, dass Le­na es se­hen und hö­ren konn­te. »Aber, Le­na, ich … Ähm … Ich woll­te ei­gent­lich nur mit dir … Ich woll­te dir nur er­klä­ren, dass …« Völ­lig auf­ge­wühlt fuhr er sich mit den Hän­den durchs hel­le Haar. »Ach …« End­lich gab er sich einen Ruck. »Ach, was soll’s?«

      Wie schon drau­ßen im Park riss er sie an sich und ver­schmolz sei­ne Lip­pen mit ih­ren. Sei­ne Lei­den­schaft raub­te Le­na kurz­zei­tig die Sin­ne, so­dass Sen­tran sie er­schro­cken wie­der losließ.

      »Nicht«, stieß sie keu­chend aus. »Nicht auf­hö­ren. Bist du ver­rückt?«

      Lä­chelnd nahm Sen­tran sie bei der Hand. »Doch, Le­na, ganz kurz nur. Komm mit.«

      ***

      Sen­tran brach­te sie in sein Zim­mer, ei­nem spar­ta­nisch ein­ge­rich­te­ten Raum mit ei­nem Stuhl, ei­nem Tisch und ei­nem gro­ßen, brei­ten Bett. »Ich bin erst kur­ze Zeit hier. Es ist noch et­was un­ge­müt­lich«, ent­schul­dig­te er sich lei­se und schau­te sie da­bei an, als hät­te er flüs­si­ges Sil­ber in den Au­gen.

      Er hob ih­re Hän­de an sei­ne Lip­pen und küss­te zärt­lich ih­re Fin­ger­knö­chel, wo­bei er ihr wei­ter­hin der­art tief in die Au­gen blick­te, dass sie ei­ne wun­der­ba­re Gän­se­haut über­lief. »Bist du dir si­cher, Le­na?«

      »Nein, aber ich will es«, ant­wor­te­te sie auf­rich­tig. »Ich hal­te es nicht mehr aus, Sen­tran. So et­was ha­be ich noch nie er­lebt.« Sei­ne Au­gen fun­kel­ten re­gel­recht. Le­na stell­te sich vor, wie sein Sil­ber ih­rem grü­nen Glanz be­geg­ne­te

      Sanft strich er ihr mit sei­nen Fin­gern durchs Haar. »So et­was ha­be ich auch noch nie er­lebt.« Nun sah er ver­le­gen aus. »Le­na, ich ken­ne dich so gut wie gar nicht. Ähm, hast du schon mal …? Nimmst du ir­gend­was? Es tut mir leid, dass ich dich das fra­ge, aber …«

      Sei­ne Ver­le­gen­heit mil­der­te