Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


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auf­hö­ren! Ver­flixt und zu­ge­näht!«

      Sie nahm das Han­dy und drück­te den An­ruf weg, be­vor sie das Ding ganz aus­schal­te­te. »Ich schwö­re dir, An­na, vor­erst hab ich die Schnau­ze von Män­nern ge­stri­chen voll. Mir reicht’s! End­gül­tig! Ein für al­le Mal!«

      Sie seufz­te schwer, ließ sich aufs Bett fal­len und schau­te zu ih­rer Schwes­ter. »Was machst du heu­te ei­gent­lich?«

      »Ich?«, wun­der­te sich An­na über Le­n­as ab­rup­ten The­men­wech­sel. »Na, was soll ich schon ma­chen? Zu Vik­tor ge­hen na­tür­lich, schließ­lich ist Frei­tag­abend. War­um?«

      »Ach, ähm, nur so«, drucks­te die rum. Da­bei spiel­te sie ner­vös mit den Fin­gern.

      »Gott­chen, Le­na, du bist ja to­tal ver­schos­sen in ihn. Was wird das nur ge­ben? Von we­gen ›Schnau­ze voll von Män­nern‹!«

      An­de­rer­seits, war­um nicht? Ein we­nig Zer­streu­ung wä­re für Le­na jetzt wohl das Rich­ti­ge. »Wenn du möch­test, dann komm doch mor­gen mit. Wir wol­len Vi­tus und Lo­a­na im Schloss be­su­chen.«

      So­fort schoss Le­n­as Kopf in die Hö­he. Ih­re Au­gen blitz­ten grün­lich. »Mor­gen? Zum Schloss? Das wä­re toll.« Dann je­doch er­losch das Blit­zen. Mit sin­ken­dem Kopf sack­ten auch ih­re Schul­tern in sich zu­sam­men. »Ah, ver­flucht, ich muss doch ar­bei­ten, hab bis mit­tags Schicht im Sa­lon. Das ist echt scha­de.«

      An­na lä­chel­te. Sie mach­te sich zwar wirk­lich Sor­gen, Le­n­as In­ter­es­se an ihm könn­te un­er­wi­dert blei­ben. Doch war sie auch froh, dass ih­re Schwes­ter schon fast wie­der die al­te war. Au­ßer­dem wür­de sie ihr nur zu ger­ne das Schloss zei­gen.

      »Le­na, das ist doch su­per. Vik­tor und ich sind ja oh­ne­hin eher die Lang­schlä­fer. Wir ho­len dich von der Ar­beit ab, fah­ren schnell nach Hau­se, da­mit du was ein­pa­cken kannst, und da­nach geht’s ab in die Mär­chen­welt. Das Schloss ist wirk­lich groß. Da gibt es be­stimmt auch ein Käm­mer­lein für dich, wo du schla­fen kannst.«

      Le­n­as Au­gen be­ka­men er­neut die­sen be­son­de­ren Glanz, so­dass sie nun ein­deu­tig mehr grün als grau schim­mer­ten. An­na wuss­te, das ta­ten sie im­mer, wenn Le­na auf­ge­regt oder glü­ck­lich war.

      »Du meinst, ich dürf­te dort so­gar über­nach­ten?«

      »Si­cher doch. Ich hab das ge­ra­de mit Vik­tor aus­ge­macht.«

      »Du meinst, du hast dich ge­ra­de jetzt eben mit ihm ge­dank­lich ver­bun­den, wäh­rend du mit mir ge­re­det hast?«

      An­na nick­te fröh­lich.

      »Wow, das ist echt cool, An­na.«

      Sie ver­zog ein biss­chen das Ge­sicht, schwieg aber. An­na sah deut­lich, dass ih­re Schwes­ter wie­der ein­mal mit An­nas el­fi­schen Fä­hig­kei­ten ha­der­te.

      »Le­na Nell«, sag­te sie des­halb streng, »wir freu­en uns wirk­lich, wenn du mit­kommst, aber oh­ne Neid­fak­tor, hörst du? Du bist so ei­ne tol­le Frau. Du brauchst nie­man­den zu be­nei­den. Und das ist das letz­te Mal, dass ich mit dir dar­über ge­spro­chen ha­be, ver­stan­den?«

      Le­na grins­te ver­le­gen. »Ver­stan­den.«

      »Gut, dann ma­chen wir das so. Ich muss jetzt los. Mach es gut.« Sie gab ihr einen Kuss auf die Wan­ge. »Bis mor­gen, gro­ße Schwes­ter. Tschö.«

      »Ja. Tschö.«

      Drau­ßen vor der Haus­tür wur­de An­na von Vik­tor über­rascht. Ei­gent­lich hat­te sie durch den Wald lau­fen wol­len, doch er stand mal wie­der an sein schwa­r­zes Ca­brio an­ge­lehnt, hat­te die lan­gen Bei­ne läs­sig an den Fuß­knö­cheln über­ein­an­der­ge­schla­gen und spiel­te ge­dan­ken­ver­lo­ren mit sei­nem El­fens­tern am Schlüs­sel­bund. Er schau­te so­fort hoch, als sie die Ein­gangs­trep­pe hin­un­ter­lief, und strahl­te sie an.

      Was für einen herr­li­chen An­blick er ihr je­den Tag aufs Neue bot, dach­te An­na glü­ck­lich. Nach wie vor konn­te sie es nicht hun­dert­pro­zen­tig fas­sen, dass die­ser wun­der­ba­re Hal­bel­fe ihr ge­hör­te, ihr al­lein.

      »Und du ge­hörst mir, Klei­nes, mir ganz al­lein.«

      Vik­tor zog sie dicht an sich, um sie aus­gie­big zu küs­sen. Dann wi­ckel­te er ihr sei­nen Schal um, ob­wohl ihr nach sei­nen Küs­sen und sei­ner Son­ne kein biss­chen kalt war.

      »Ich dach­te, wir fah­ren heu­te mal ins Ki­no. Da wa­ren wir noch nie. Im In­ter­net hab ich was von ei­nem Quen­tin Ta­ran­ti­no ge­le­sen. Das soll so ein Kult-Re­gis­seur sein. Der hat einen neu­en Film raus­ge­bracht. Wir könn­ten aber auch in den Hob­bit-Film ge­hen. Du hast die Wahl.«

      An­na schob die ge­spitz­ten Lip­pen hin und her. »Ki­no? Das ist ei­ne tol­le Idee. Hhm, lass mal über­le­gen: Viel Blut und noch mehr To­te oder Fan­ta­sy? Tja, da kann ich mich gar nicht ent­schei­den. Mich in­ter­es­sie­ren bei­de Fil­me. Al­so triffst du die Wahl, mein Prinz.«

      ***

      Was ging da vor?

      Er hat­te sie heu­te mit dem Au­to ab­ge­holt, war aber nicht mit ihr zu sei­nem Haus, son­dern nach Düs­sel­dorf ge­fah­ren und in ei­nem Ki­no ver­schwun­den.

      Mist! Wer weiß, was die sich dort an­schau­en wür­den? Das könn­te zu lan­ge dau­ern. Schließ­lich muss­te er auch sei­ner re­gu­lä­ren Ar­beit nach­ge­hen.

      Er über­leg­te kurz, wäh­rend er ru­he­los an den Nä­geln kau­te. Dann wen­de­te er sei­nen Wa­gen. Er wür­de wie­der­kom­men. Da war ein­deu­tig was im Busch und er wür­de es her­aus­be­kom­men.

      Beim An­blick sei­ner zer­kau­ten Fin­ger­nä­gel ver­zog er an­ge­wi­dert das Ge­sicht. Viel­leicht soll­te er sich doch ein Päck­chen Zi­ga­ret­ten kau­fen.

      ***

      Le­na war atem­los – atem­los von der un­glaub­li­chen Land­schaft, die wie im Traum an ihr vor­bei­ge­zo­gen war:

      Der Wald. Die Lich­tung. Der Bach. Die schim­mern­den Hü­gel, die sich wie sanft wo­gen­de Wel­len ei­nes grü­nen Oze­ans an­ein­an­der­schmieg­ten. Die Fel­der. Der See. Der Fluss. Der über­ir­disch blaue Him­mel.

      All die­se Bil­der schwirr­ten wie groß­ar­ti­ge kunst­vol­le Ma­le­rei­en an ihr vor­über, so, als be­trach­te­te sie in ei­nem Mu­se­um die über­di­men­si­o­na­len Wer­ke be­gna­de­ter Künst­ler, al­lein ihr fehl­te die Zeit zum In­ne­hal­ten.

      Denn schon setz­te das Fi­na­le ein: Sie er­blick­te das Schloss mit sei­nem mäch­ti­gen Mau­e­r­werk aus ro­sa- und na­tur­fa­r­be­nem Stein, das trotz al­ler Ge­wal­tig­keit auch et­was Zar­tes in sich barg. Das Fach­werk, das sich in or­dent­li­cher Un­ord­nung dar­auf auf­bau­te, wur­de ge­krönt von zahl­rei­chen Türm­chen und Er­kern, Bö­gen und Schie­fer­dä­chern, die im Son­nen­licht blitz­ten.

      In den ver­gan­ge­nen Ta­gen hat­te An­na ihr al­ler­hand vom El­fen­land er­zählt, auch vom Schloss. Sie hat­te ge­sagt, dass es ein we­nig an die Burg Eltz er­in­nern wür­de. Le­na gab ihr recht, denn auch sie hat­te die wun­der­schö­ne Burg schon ein­mal in na­tu­ra ge­se­hen.

      Doch die­ses Schloss hier, so be­fand Le­na, war mehr als nur wun­der­schön. Es strahl­te Ru­he, Kraft