Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


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ein­ge­fasst in ei­nem zar­ten Reif. In der Mit­te des Sterns war ein recht gro­ßer Stein in in­ten­siv blau­er Fa­r­be ein­ge­las­sen. Die­se Fa­r­be glich haar­ge­nau der von Vik­tors Au­gen, er­kann­te Vi­tus ge­rührt.

      »Das ist ein sti­li­sier­ter El­fens­tern.« An­na räus­per­te sich. »Al­so, in der Men­schen­welt denkt man, so et­was sei ein El­fens­tern. Der Stein ist ein blau­er Tur­ma­lin, aber er hat mich an einen Tan­sa­nit er­in­nert. Na ja, den konn­te ich mir na­tür­lich nicht leis­ten. Aber ich hab bei dem Stern so­wie­so we­ni­ger an Edel­stei­ne ge­dacht, son­dern mehr an Vik­tor, sei­ne Au­gen und sei­ne Son­ne. Ich fand ihn ein­fach hübsch und …«

      »… pas­send.« Vi­tus nahm den An­hän­ger in die Hand, um ihn ein­ge­hend zu be­trach­ten. »Er ist wun­der­schön, An­na. Wirk­lich wun­der­schön.«

      Ihm war klar, wie tief An­na für ih­re Ver­hält­nis­se hat­te in die Ta­sche grei­fen müs­sen, um Vik­tor die­ses wun­der­ba­re Ge­schenk zu ma­chen. Er sah sie an und freu­te sich über die Lie­be, die in ih­ren Au­gen brann­te, nur für sei­nen Sohn.

      »Das Buch und das Bild wür­de ich mir spä­ter ger­ne an­se­hen.«

      Nun wand­te er sich Vik­to­ria zu. Na­tür­lich war ihm ihr neu­er Schmuck be­reits auf­ge­fal­len. »Auch dein Ge­schenk ist wun­der­schön.« Er be­dach­te Ke­tu mit ei­nem un­durch­schau­ba­ren Blick. »Du scheinst als Wach­mann ja sehr gut zu ver­die­nen.« Ei­ne Spur Iro­nie konn­ten sei­ne Wor­te nicht ver­heh­len.

      »Al­so, Vi­tus, du bist wirk­lich manch­mal ein roh… nein, hhm, ein gro­ber Klotz. Die Ge­schen­ke sind zau­ber­haft«, sag­te Lo­a­na, wäh­rend sie auf­stand. »Ich muss mal kurz, nun ja … Ihr wisst schon.« Vi­tus sah ihr nach­denk­lich hin­ter­her, als sie in Rich­tung Gäs­te­toi­let­te ver­schwand.

      Ke­tus Mund­win­kel zuck­ten. Vi­tus’ Kom­men­tar hat­te ihn wohl be­lus­tigt. »Stimmt, mein Kö­nig, ich bin durch­aus zu­frie­den mit mei­nem Ge­halt. Aber der Schmuck ist tat­säch­lich ein klein we­nig zu kost­spie­lig da­für. Es han­delt sich um Erb­stü­cke. Sie ge­hör­ten der Mut­ter mei­nes Va­ters. Mei­ne El­tern und ich woll­ten ger­ne, dass Vik­to­ria sie be­kommt. Ich ha­be al­ler­dings noch zu­sätz­lich die Ru­bi­ne ein­ar­bei­ten las­sen.«

      Ein knap­per Ein­blick in Ke­tus Kopf zeig­te Vi­tus, dass sein Wach­mann zur­zeit nicht in der La­ge war, sei­nen Geist er­folg­reich zu ver­schlie­ßen. So wur­de ihm zu­teil, dass Ke­tu in den feu­ri­gen Ru­bi­nen das Feu­er in den Au­gen sei­ner Freun­din sah.

      Al­ler­dings konn­te nicht nur er Ke­tus Ge­dan­ken pro­blem­los le­sen. Auch Sen­tran nahm sie au­gen­schein­lich wahr, be­merk­te Vi­tus. Und so, wie Ke­tu jetzt ge­ra­de drein­schau­te, wuss­te der wie­der­um dar­über Be­scheid, dass so­wohl Kö­nig als auch Wach­kol­le­ge sein Den­ken be­lausch­ten. Des­halb mach­te Ke­tu ins­be­son­de­re ge­gen­über Sen­tran ein bit­ter­bö­ses Ge­sicht.

      »Ich ha­be dei­ne Ge­dan­ken ge­nau­so er­ken­nen kön­nen wie Sen­tran und wohl auch die an­de­ren, Ke­tu«, gab Vi­tus ihm süf­fi­sant grin­send zu be­den­ken. »Üb­ri­gens, wenn du dir Lo­a­nas Ver­lo­bungs­ring nä­her an­schaust, dann siehst du, dass ich dei­ne Vor­lie­be für Ru­bi­ne und Di­a­man­ten auf der Haut ei­ner tem­pe­ra­ment­vol­len Frau durch­aus tei­le. Und jetzt guck nicht mehr so düs­ter. Ich ha­be im Mo­ment selbst Schwie­rig­kei­ten, mich im­mer völ­lig zu ver­schlie­ßen. Estra hat­te letz­tens gro­ßen Spaß dar­an, mei­nen stän­dig zu weit of­fen­ge­leg­ten Geist zu durch­fors­ten.« Er be­geg­ne­te Ke­tus fra­gen­dem Blick mit nun toderns­tem Ge­sicht und er­klär­te: »Das sind die Frau­en. Sie ma­chen uns schwach und wir sind voll­kom­men macht­los da­ge­gen.«

      Lo­a­na, die ge­ra­de zu­rück­kam, schnaub­te bei Vi­tus’ Wor­ten mit An­na und Vik­to­ria um die Wet­te. Al­le drei fin­gen dar­auf­hin schal­lend an zu la­chen. Es dau­er­te nicht lan­ge und die Män­ner, selbst Sen­tran, fie­len in das Ge­läch­ter ein.

      ***

      Als es um Punkt zwölf läu­te­te, öff­ne­te An­na den rest­li­chen vier Wa­chen die Haus­tür. Sie wuss­te, dass die Män­ner die kö­nig­li­chen Ta­ges­ge­schäf­te den Be­ra­tern und rangnied­ri­ge­ren Wach­leu­ten im Schloss über­ge­ben hat­ten, um auf Vi­tus’ Ge­heiß bei des­sen Kin­dern zu er­schei­nen. Nun stan­den sie dort drau­ßen vor der Tür. Al­le­samt rie­sen­groß, dun­kel­haa­rig, mit be­ein­dru­ckend mus­ku­lö­sem Kör­per­bau: Vol­tran, An­nam, Tim­mun und Es­sem.

      Der Blu­men­s­trauß sah in Es­sems Hand trotz sei­ner ge­wal­ti­gen Grö­ße win­zig und ir­gend­wie fehl am Plat­ze aus. Auch bei Vol­tran wirk­te das in bun­tes Pa­pier ein­ge­wi­ckel­te Päck­chen un­ter sei­nem Arm völ­lig de­plat­ziert. Viel­leicht lag das an auch der düs­te­ren Klei­dung, über­leg­te An­na.

      Die Män­ner tra­ten ein, be­grüß­ten na­tür­lich zu­erst Vi­tus mit ei­nem Kopf­ni­cken so­wie dem ob­li­ga­to­ri­schen »Mein Kö­nig!« und nick­ten da­nach al­len an­de­ren zu.

      Ke­tu und Sen­tran ge­sell­ten sich hin­zu, ehe Vol­tran sich an die Zwil­lin­ge wand­te: »Wir be­dan­ken uns für die Ein­la­dung und gra­tu­lie­ren euch bei­den ganz herz­lich.«

      An­na ver­kniff sich ein Ki­chern ob der Kür­ze der »An­spra­che«. Vol­tran über­reich­te Vik­tor das Päck­chen. Es­sem gab Vik­to­ria die Blu­men. Dan­kend nahm die­se den Strauß an und such­te nach ei­ner Va­se, wäh­rend Vik­tor wie­der ein­mal un­ge­dul­dig am bun­ten Pa­pier sei­nes Ge­schen­kes riss.

      »Die neue Ver­si­on vom Dra­chen­jä­ger!« Vik­tor grins­te Ke­tu an. »Das war be­stimmt dei­ne Idee, stimmt’s? Und so un­ei­gen­nüt­zig. Play­sta­ti­on spie­len macht dir ganz schön viel Spaß, nicht wahr?«

      Ke­tu nick­te. »Si­cher, ich hof­fe, du lässt mich mal dran. Es war üb­ri­gens ei­ne schwie­ri­ge Su­che nach dem rich­ti­gen Spiel, denn in die­ser Sa­che hat­ten Vik­to­ria und An­na mir nicht hel­fen kön­nen, aber das In­ter­net und Jens.« Er wa­rf An­nas Bru­der einen dank­ba­ren Blick zu.

      »Na, das ist ja schön, dass die Her­ren nun auch end­lich mal er­schei­nen!«

      Al­le mit­ein­an­der dreh­ten sich zu der schril­len Stim­me um, die mes­ser­scha­rf aus der Kü­che zu ih­nen her­übers­aus­te. Mit hoch­ro­tem Kopf und Schweiß­per­len auf der Stirn stand der Koch Wo­nu lei­se vor sich hin schimp­fend in der Kü­chen­tür.

      Sei­ne schwa­r­zen Kä­ferau­gen blitz­ten die Wach­män­ner bö­se an, be­vor er sei­ne Me­cke­rei fort­s­etz­te: »Los, los, ihr Bur­schen! Heu­te stellt ihr mal un­ter Be­weis, dass ihr nicht nur mit eu­ren Mus­keln spie­len und noch mehr wie eu­er Kö­nig es­sen könnt, son­dern dass ihr auch in der La­ge seid, den Tisch zu de­cken und nach­her die Spei­sen auf­zu­tra­gen. Al­so, auf geht’s! Hopp, hopp!«

      Es gab schon ein drol­li­ges Bild ab, wie der für El­fen­ver­hält­nis­se ziem­lich klei­ne Wo­nu die Meu­te von sechs Rie­se­n­el­fen hin und her scheuch­te, sie noch da­zu stän­dig wie ein Rohr­spatz be­schimpf­te. Die aber lie­ßen das Gan­ze mit stoi­scher Ru­he über sich er­ge­hen. Sie ha­l­fen dem Koch, so gut sie es mit ih­ren un­ge­len­ken gro­ßen Hän­den eben konn­ten. Höchst­wahr­schein­lich woll­ten die es sich mit dem Koch nicht ver­scher­zen, amü­sier­te