Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


Скачать книгу

Ra­dies­chen­spros­sen, grü­nen Oli­ven, schwa­r­zen To­ma­ten und Kräu­tern in ei­ner de­li­ka­ten Vi­nai­gret­te.

      - Den Bur­gun­der­bra­ten in ent­spre­chend fein ab­ge­stimm­ter Rot­wein­so­ße mit ka­ra­mel­li­sier­tem Weiß­wein­möh­ren­ge­mü­se, sau­tier­ten Pil­zen im ro­ten Scha­lot­ten­sud, win­zig klei­nen Sem­mel­knö­deln und zart­gel­ber But­ter­pas­ta.

      - Die fluf­fi­ge Zi­tro­nen­mous­se.

      - Die zart­schmel­zen­de Scho­ko­la­dent­ar­te mit flüs­si­gem Kern.

      - Den Frücht­e­cock­tail mit Sprizz zum Ab­schluss.

      An­na ver­dreh­te kaum merk­lich die Au­gen, als sie be­ob­ach­te­te, wie Wo­nus zu­frie­de­ne Mie­ne sich wäh­rend des Es­sens all­mäh­lich ver­fins­ter­te. Und das, ob­wohl all sei­ne ex­qui­si­ten Spei­sen so re­gen An­klang fan­den. Of­fen­bar pass­te es ihm nicht, dass die mensch­li­chen Din­ner-Teil­neh­mer und auch Lo­a­na lang­sam, aber si­cher zu schwä­cheln be­gan­nen.

      Sie wuss­te ja, dass der Koch stets ver­such­te, Lo­a­na auf­zupäp­peln, weil die­se sei­ner Mei­nung nach viel zu we­nig aß, wes­we­gen er sich stän­dig mit ihr zank­te. Dass er sich al­ler­dings auch an den Men­schen samt ih­ren Schwie­rig­kei­ten mit den el­fi­schen Es­sens­men­gen stö­ren könn­te, da­für brach­te sie kein Ver­ständ­nis auf.

      Ein Blick in Vik­to­ri­as Rich­tung ließ sie grin­sen. Ke­tu hat­te es tat­säch­lich ge­schafft, sie im­mer wie­der auf ih­ren Sitz zu­rück­zu­drü­cken, wenn sie auf­sprin­gen und et­was ho­len oder zu­recht­rü­cken woll­te.

      So war es ein äu­ßerst aus­gie­bi­ges, aber auch ru­hi­ges und aus­ge­spro­chen schö­nes Mit­tag­es­sen, ob­wohl ins­ge­samt zwei­und­zwan­zig Leu­te dicht ge­drängt am Tisch sa­ßen.

      »Im Som­mer la­de ich dich hier­her ein, Wo­nu. Da kannst du dich mal aus­ru­hen und statt­des­sen Vik­to­ria und mir beim Gril­len zu­se­hen.« Vik­tor schob sich genüss­lich einen wei­te­ren Löf­fel der Mous­se in den Mund. Da der Koch ihn rat­los an­starr­te, er­gänz­te er: »Die gan­ze Fa­mi­lie Nell hat Vik­to­ria und mir einen rie­si­gen Gas­grill ge­schenkt. Da­mit kann man drau­ßen im Gar­ten Fleisch und Ge­mü­se bra­ten. Das wird be­stimmt su­per. Ich freu mich jetzt schon dar­auf. Vie­len Dank, noch mal.«

      »Ja, ähm, Dan­ke­s­chön«, pflich­te­te Vik­to­ria ih­rem Bru­der klein­laut bei. »Viel­leicht lässt Vik­tor mich ja auch mal an das Ding. Bis jetzt hab ich es nur aus der Fer­ne be­wun­dern dür­fen, so wie Vik­tor, Va­ter, Ke­tu, Jo­han­nes und Jens mit ih­rer Fach­sim­pe­lei da­vor ge­stan­den sind. Hhm.«

      »Das ist doch der Sinn der gan­zen Ge­schich­te, du Dum­mer­chen«, klär­te An­na sie auf. »Wenn das Haus wie­der mal von Leu­ten über­quillt und die oben­drein was zu es­sen brau­chen, dann lässt du Vik­tor drau­ßen gril­len. Du küm­merst dich nur um Sa­lat und Brot. Kein fett­ver­spritz­tes Kü­chen­cha­os à la Vi­tus. Kein Kochstress. Al­les ist gut.«

      Vi­tus’ Mie­ne ver­fins­ter­te sich, je­den­falls tat er so. Doch Lo­a­na hielt ihn zu­rück, ehe er den Mund für ei­ne Be­mer­kung zu An­nas Spit­ze auf­ma­chen konn­te.

      Da­für hell­te sich Vik­to­ri­as Ge­sicht deut­lich auf. »Das ist ja toll. So ha­be ich das noch gar nicht ge­se­hen. Des­halb hat nur Vik­tor die­se Schür­ze samt all­dem an­de­ren Zeugs da­zu­be­kom­men und ich das Sa­lat­buch. Hey, das ist wirk­lich gut, dan­ke!«, rief sie nun hoch­er­freut aus.

      Nach dem Es­sen mach­ten sie es sich mit Es­pres­so im Wohn­zim­mer ge­müt­lich. Nur der Koch war aus der Kü­che zu hö­ren, wie er zwar laut­stark, aber letz­ten En­des zu­frie­den brum­mend mit Töp­fen, Tel­lern und Be­steck klap­per­te.

      In­des leg­te An­na schläf­rig den Kopf an Vik­tors Schul­ter, wäh­rend sie sich trä­ge um­blick­te.

      Lo­a­na war be­reits zum vier­ten Mal auf der Toi­let­te ver­schwun­den.

      »Sie sieht ein biss­chen kä­sig aus. Ob sie krank ist?«

      Doch da be­trat Lo­a­na, ihr üb­li­ches Tem­pe­r­amt ausstrah­lend, wie­der das Wohn­zim­mer. Kurz dar­auf un­ter­hielt sie sich mit Vi­tus, The­resa und Jo­han­nes über The­resas Mut­ter aus Ulm.

      Jens fach­sim­pel­te aufs Neue mit Ke­tu über den Grill, wo­bei Sil­vi Vik­to­ri­as Schmuck be­wun­der­te.

      Pa­nu hat­te Bru­der, Schwes­ter und so­gar sei­ne El­tern, Estra und Isi­nis, da­zu über­re­den kön­nen, in Vik­tors Zim­mer ei­ne Run­de Play­sta­ti­on zu spie­len.

      Al­le hat­ten Spaß, re­sü­mier­te An­na. Nur Le­na fühl­te sich sicht­lich un­wohl in­mit­ten der vie­len Pär­chen und der zu­sätz­li­chen Hor­de hü­nen­haf­ter Wa­chel­fen. Oh­ne Un­ter­lass rühr­te sie in ih­rem win­zi­gen Es­pres­sotäss­chen her­um. Da­bei schiel­te sie in schö­ner Re­gel­mä­ßig­keit zu den fünf Wach­leu­ten, die sich, na­tür­lich nur auf Vi­tus’ Ge­heiß, schwei­gend und mit ver­schränk­ten Ar­men auf den Ess­zim­mer­stüh­len da­zu­ge­setzt hat­ten.

      An­na konn­te es gar nicht ver­hin­dern, in Le­n­as Ge­dan­ken ein­zu­t­au­chen. So er­kann­te sie, dass ih­re Schwes­ter an­ge­sichts die­ser gro­ßen, et­was mür­ri­schen Wach­män­ner zwi­schen Furcht, Ver­le­gen­heit und Auf­re­gung hin- und her­schwank­te:

      … Zu­vor hat­te Le­na ja nur Ke­tu ken­nen­ge­lernt – und letz­tens Sen­tran. Sie er­in­ner­te sich an das ei­gen­ar­ti­ge Krib­beln im Nacken, das Sen­trans Blick bei ihr ver­ur­sacht hat­te, als sei­ne Sil­be­rau­gen sie für einen win­zi­gen Mo­ment er­fass­ten. Im Ge­gen­satz zu den an­de­ren war Sen­tran zwar hell­haa­rig. Doch auch er flößte ihr ge­hö­ri­gen Re­spekt ein mit sei­nem erns­ten, at­trak­ti­ven Ge­sicht und der enor­men Grö­ße. Be­son­ders aber mit die­sen mus­ku­lö­sen Ar­men und der brei­ten Brust, die sein en­ges schwa­r­zes Shirt nicht zu ver­ber­gen ver­moch­te. …

      An­na re­gis­trier­te, wie Le­na sich Sen­tran ge­ra­de et­was nä­her be­sah, als die­ser ihr plötz­lich den Kopf zu­wand­te und sie mit sei­nen sil­ber­grau­en Au­gen förm­lich durch­bohr­te. Has­tig be­gut­ach­te­te Le­na aufs Neue ih­re klei­ne Tas­se, wo­bei ei­ne deut­li­che Rö­te in ih­rem Ge­sicht auf­zog.

      »Ar­me Le­na! Jetzt wird sie vor Schreck und Scham auch noch rot. Und sie weiß nicht, wie laut ih­re Ge­dan­ken zur­zeit sind. O je, wenn sie das al­les wüss­te, sie wür­de schrei­end da­von­lau­fen!«

      An­na war na­tür­lich nicht ver­wun­dert dar­über, dass Vik­tor ih­rer schwes­ter­li­chen Sor­gen we­gen feix­te, ob­wohl sie die­se ge­wis­sen­haft ver­bor­gen ge­hal­ten hat­te. Er war fast im­mer da­zu im­stan­de, sie zu le­sen. Doch als auch Sen­tran sie an­sah und amü­siert einen Mund­win­kel hoch­zog, konn­te sie ihr Er­stau­nen kaum ver­ber­gen. Die­ser neue sechs­te Mann pass­te wirk­lich gut ins Team, schoss es ihr un­will­kür­lich durch den Kopf, na­tür­lich wie­der ein­mal so schnell, dass al­le, die da­zu in der La­ge wa­ren, es auch mit­be­ka­men.

      »Ach, men­no, ich mach jetzt ein­fach mei­ne Au­gen zu und den­ke an rein gar nichts mehr. Ich bin ein­fach viel zu mü­de, um mich zu kon­zen­trie­ren. Schließ­lich sol­len die nicht stän­dig al­les mit­krie­gen, was ich so den­ke. Wie pein­lich ist das denn?«