Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


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war die­se Frau süß, dach­te er ver­gnügt. Er lieb­te ein­fach al­les an ihr. Ihr Tem­pe­ra­ment und ih­re au­ßer­ge­wöhn­li­chen Ta­len­te. Was al­ler­dings das Flu­chen und Schimp­fen be­traf, das konn­te sie ein­deu­tig bes­ser auf Bre­to­nisch.

      Na­tür­lich er­kann­te Lo­a­na, was in ihm vor­ging, und lach­te. »Ja­ja, Vi­tus, ist ja gut. Ich wer­de es schon noch ler­nen.«

      Sie ließ sich auf dem So­fa nie­der und Vi­tus nahm ne­ben ihr Platz.

      Als Vik­to­ria hin­aus­ge­hen woll­te, um für die drei Wach­leu­te Stüh­le aus dem Ess­zim­mer zu ho­len, trat ihr der Frem­de ent­ge­gen.

      »Blei­be hier, Kö­nigs­toch­ter«, bat er sie ernst. »Wir wer­den uns die Stüh­le selbst ho­len.« Er ging hin­aus und die an­de­ren bei­den folg­ten ihm.

      Mit gro­ßem In­ter­es­se ver­folg­te Vi­tus, wie Tim­mun und Es­sem dem neu­en Mann oh­ne Zö­gern hin­ter­her­gin­gen, ob­wohl sie ihn kaum kann­ten. Sie schie­nen sich be­reits gut zu ver­ste­hen.

      »Wer ist das, Va­ter?«, er­kun­dig­te sich Vik­to­ria lei­se.

      »Das ist Sen­tran, der neue sechs­te Mann.« Da­bei sah er ihm stirn­run­zelnd nach. Ei­gent­lich hat­te Vi­tus nicht vor­ge­habt, ihn schon als sechs­ten Mann zu be­zeich­nen, weil er ihn zu­nächst nur pro­be­wei­se mit zum Schloss neh­men woll­te. Doch ir­gend­wie fand er es rich­tig, ihn schon jetzt so zu nen­nen. Wenn er ehr­lich war, muss­te er zu­ge­ben, dass er sei­ne Wahl be­reits ge­trof­fen hat­te.

      Sei­ne Auf­merk­sam­keit wur­de nun auf Ke­tu ge­lenkt, der mit Vik­tor und Jens die Trep­pe her­un­ter­kam. Ke­tu, ei­ner sei­ner Eli­te­wach­män­ner und zu­dem Si­stras Bru­der, wür­de Zeit brau­chen, sich dar­an zu ge­wöh­nen, Si­stra nach des­sen Tod schein­bar durch einen Frem­den er­setzt zu se­hen, über­leg­te Vi­tus.

      Er stand wie­der auf, um die drei Män­ner zu be­grü­ßen und ih­nen Sen­tran vor­zu­stel­len.

      Die­ser ließ dar­auf­hin sei­nen Blick durch die Run­de schwei­fen – ru­hig und be­son­nen – von ei­ner Per­son zur an­de­ren. Es war, als wür­de die­ser Blick einen sil­ber­grau­en Strei­fen hin­ter sich her­zie­hen. Nur einen win­zi­gen, kaum re­gis­trier­ba­ren Mo­ment hielt er bei Le­na in­ne und im sel­ben Mo­ment senk­te die ih­re Li­der.

      Ne­ben die­sem kaum merk­li­chen Blick­kon­takt zwi­schen Le­na und Sen­tran ver­nahm Vi­tus, wie nicht an­ders von ihm er­war­tet, ein kur­z­es Blit­zen in Ke­tus hell­brau­nen Au­gen, das aber gleich wie­der er­losch. Au­ßer­dem spür­te Vi­tus, dass auch Sen­tran Ke­tus Emp­fin­dun­gen wahr­ge­nom­men hat­te. Mit­zu­ver­fol­gen, wie sich die bei­den Wach­män­ner wei­ter­hin be­äu­gen und an­nä­hern wür­den, dürf­te nach Vi­tus’ An­sicht span­nend wer­den. Und sie wür­den ein­an­der nä­her ken­nen­ler­nen, sich so­gar an­freun­den, des­sen war Vi­tus sich ge­wiss.

      Vik­tor riss ihn aus sei­nen Spe­ku­la­ti­o­nen. »Ich schät­ze mal, wir ha­ben kei­ne an­de­re Wahl, als uns dar­an zu ge­wöh­nen, dass du auf im­mer die glei­che Wei­se, al­so oh­ne zu klin­geln, hier bei uns rein­platzt.«

      Vi­tus lä­chel­te ver­schmitzt. »Tja, das ist wohl das Pri­vi­leg ei­nes Kö­nigs.« Er nahm einen Schluck von der Co­la, die Vik­to­ria ihm ein­ge­schenkt hat­te. »Nein, ich woll­te euch ur­sprüng­lich nur kurz Sen­tran vor­stel­len. Dann war es ein­fach so, dass ich nicht wi­der­ste­hen konn­te, als man sich dar­über Ge­dan­ken mach­te, auf un­se­rer Hoch­zeit in Bon­bon­ro­sa zu er­schei­nen. Ei­ne wirk­lich net­te Idee und so pas­send zur Kirsch­blü­te. Fin­dest du nicht auch, Ke­ned

      Wäh­rend er sprach, wi­ckel­te er ge­dan­ken­ver­lo­ren ei­ne Sträh­ne ih­res ho­nig­blon­den Haa­res um sei­nen Fin­ger.

      »Du weißt, dass ich an der Tür läu­ten woll­te, so wie es sich ge­hört. Und bon­bon­ro­sa wür­de mir nicht un­be­dingt ge­fal­len. Aber ihr sollt eu­re Wahl selbst tref­fen. Ich ha­be ja schließ­lich schon ge­nug mit mir und mei­nem ba­r­fü­ßi­gen Bräu­ti­gam zu tun.«

      So­fort blick­ten al­le an Vi­tus hin­un­ter, der, wie üb­lich und so auch an die­sem bit­ter­kal­ten Tag, kei­ne Schu­he trug. Die­se el­fi­sche Vor­lie­be hat­te Vi­tus als Er­be an sei­nen eben­so ba­r­fü­ßig da­sit­zen­den Sohn wei­ter­ge­ge­ben. Auch sei­ne Wa­chen gin­gen nor­ma­le­r­wei­se oh­ne Schu­he, hat­ten al­ler­dings für Be­su­che in der Men­schen­welt stets leich­tes Schuh­werk da­bei.

      »Pri­vi­leg ei­nes Kö­nigs hin oder her«, rich­te­te sich Vik­to­ria an ih­ren Va­ter, »du wirst an dei­nem Hoch­zeits­tag doch wohl Schu­he an­zie­hen.«

      »Ach, liebs­te Toch­ter, was soll ich dir nun dar­auf ant­wor­ten?« Er seufz­te the­a­tra­lisch. »Selbst­ver­ständ­lich wer­de ich zu mei­ner ei­ge­nen Hoch­zeit stan­des­ge­mäß er­schei­nen.« Als er dar­auf­hin nicht nur von sei­ner Toch­ter skep­ti­sche Bli­cke ern­te­te, füg­te er has­tig hin­zu: »Mit Schu­hen an den Fü­ßen, ja­ja. Da­bei hät­te es mir durch­aus Spaß ge­macht, mei­ne Ver­lob­te noch ein klein we­nig im Un­ge­wis­sen zu las­sen und auf­zu­zie­hen. Jetzt hast du mich um den gan­zen Spaß ge­bracht.«

      Er spiel­te wei­ter mit Lo­a­nas Lo­cke, zog sie dar­an sanft zu sich und küss­te sie zärt­lich auf den Mund. »Für dich kä­me ich auch in Rit­ter­rüs­tung.«

      »Rit­ter­rüs­tung? Gibt es so et­was denn bei den El­fen?«, woll­te An­na wis­sen.

      »Nein, gibt es nicht. Ich dach­te halt, dass sich das hübsch an­hört.« Vi­tus lach­te herz­haft.

      Sie un­ter­hiel­ten sich noch ei­ne gan­ze Wei­le mit­ein­an­der. Der leb­haf­te Ver­lauf des Nach­mit­tages mach­te Vi­tus durch und durch zu­frie­den. Selbst Ke­tu brach sein Schwei­gen. Un­ter an­fäng­li­chem Zö­gern be­gann er, Sen­tran ein paar Fra­gen zu stel­len, al­ler­dings erst, nach­dem ihn Vik­to­ria mit fun­kelnd dun­kel­blau­en Au­gen auf­for­dernd an­ge­blitzt hat­te.

      Ehe sich Vi­tus ge­mein­sam mit Lo­a­na nach gut ei­ner Stun­de ver­ab­schie­de­te, stan­den Tim­mun, Es­sem und Sen­tran be­reits auf, nick­ten mit dem Kopf und gin­gen schon ein­mal vor, um drau­ßen auf ih­ren Kö­nig zu war­ten. Vi­tus nahm sei­ne Zwil­lin­ge, aber auch Ke­tu und An­na, Le­na, Jens und Sil­vi, über­schwäng­lich in den Arm.

      »Ich freue mich schon auf die Ge­burts­tags­fei­er am Frei­tag. Das wird herr­lich. Wir brin­gen mei­nen, nein, un­se­ren Koch Wo­nu mit. Seid al­so pünkt­lich und esst vor­her nicht zu viel. Grüßt bit­te Jo­han­nes und The­resa von uns und rich­tet ih­nen aus, wie sehr wir uns auf das Wie­der­se­hen freu­en.«

      Nach­dem auch Lo­a­na sich herz­lich ver­ab­schie­det hat­te, um­fing er ih­re Tail­le und zog sei­ne Ver­lob­te mit hin­aus.

      Drau­ßen vor der Tür flüs­ter­te er ihr ins Ohr: »Bei der Er­wäh­nung un­se­res Kochs ist mir ein­ge­fal­len, dass wir seit der Ab­rei­se von Estra und Isi­nis nichts mehr ge­ges­sen ha­ben. Komm, mei­ne Schö­ne, lass uns schnell zum Schloss zu­rück­keh­ren. Ich muss drin­gend mei­nen Hun­ger stil­len. Nicht nur mit Wo­nus Köst­lich­kei­ten.«

      Ge­schen­ke

      Poch, poch, poch! Das ener­gi­sche Klop­fen