Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


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Estra, im­mer noch mit Lachträ­nen in den Au­gen. »Du hast wie­der Fa­r­be. Of­fen­bar sind auch dei­ne Kopf­schmer­zen weg.«

      »Ja­ja, schon gut«, ent­geg­ne­te sie. »Mir geht es bes­ser und ihr hat­tet recht. Aber des­we­gen braucht Vi­tus ja nicht gleich das Ham­mer­holz zu schwin­gen.«

      Vi­tus ver­such­te, ein wei­te­res La­chen zu un­ter­drü­cken, was ihm kläg­lich miss­lang. »Du mein­test si­cher­lich Holz­ham­mer.« Schnell wur­de er wie­der ernst, als ihm die grü­nen Blit­ze aus ih­ren Au­gen ent­ge­gen­zuck­ten. »Nein, kei­ne Sor­ge, jetzt ist Schluss da­mit. Kei­ne kal­ten Du­schen und Ham­mer­höl­zer mehr, ver­spro­chen.«

      Isi­nis wirk­te ver­wun­dert. »Kal­te Du­schen?«

      »Tja, ihr könnt euch gar nicht vor­stel­len, was für ein Scheu­sal Vi­tus sein kann, wenn ich mit ihm al­lei­ne bin«, be­klag­te sich Lo­a­na mit be­tont erns­ter Mie­ne. Doch Vi­tus ent­ging das be­lus­tig­te Zu­cken in ih­rem Mund­win­kel nicht. »In eu­rer Ge­gen­wart, ja, da trägt er mich auf Hän­den. Aber we­he, wenn wir al­lei­ne sind!«

      »Ich bin und blei­be ein Ty­rann.« Vi­tus biss ge­ra­de genüss­lich in sei­ne Wurst­sem­mel, als Tim­mun und Es­sem mit ei­nem Frem­den das Zim­mer be­tra­ten.

      Zu­nächst be­grüß­ten die zwei Wach­män­ner Vi­tus mit dem üb­li­chen Kopf­ni­cken und »Mein Kö­nig!«. Da­nach wand­ten sie sich den an­de­ren zum Gruß zu.

      »Ah, da seid ihr ja.« Estra war auf­ge­stan­den, um den Män­nern einen Sitz­platz an­zu­bie­ten. »Ich möch­te, dass ihr mit uns ge­mein­sam früh­stückt, wenn’s recht ist.«

      Tim­mun und Es­sem blick­ten fins­ter drein. Vi­tus wuss­te, dass sei­ne Wach­leu­te stets Pro­ble­me da­mit hat­ten, am sel­ben Tisch wie ihr Kö­nig, sei­ne Fa­mi­lie oder Freun­de zu sit­zen und zu es­sen. Sie tru­gen zwar fast das glei­che gol­de­ne Amu­lett um den Hals wie er, in ei­ner et­was klei­ne­ren Aus­ga­be, doch das be­deu­te­te in ih­ren Au­gen nur, dass sie dem Kö­nig zu Diens­ten wa­ren, nicht aber, dass sie mit ihm in ver­trau­ter Run­de ge­mein­sam spei­sen soll­ten.

      Wie üb­lich küm­mer­te das Vi­tus über­haupt nicht, eben­so wie sei­nen Bru­der. Und weil die Wa­chen das wie­der­um wuss­ten, setz­ten sich die Män­ner ge­zwun­ge­ner­ma­ßen da­zu und nah­men schwei­gend ei­ne Tas­se Kaf­fee an.

      Estra rich­te­te sich an Vi­tus. »Darf ich dir Sen­tran vor­stel­len?«

      Der leg­te sein Bröt­chen bei­sei­te, schau­te dem Frem­den in des­sen reich­lich mür­ri­sches Ge­sicht und stell­te da­bei er­freut fest, dass der Mann sehr gut in der La­ge war, Ge­dan­ken und Geist sorg­fäl­tig ein­zu­schlie­ßen.

      Da­her mus­ter­te er zu­nächst ein­mal nur das äu­ße­re Er­schei­nungs­bild: Leicht ge­well­tes, schul­ter­lan­ges blon­des Haar. Wach­sa­me sil­ber­graue Au­gen. Ein brei­ter, erns­ter Mund. Ho­he Wan­gen­kno­chen. Ei­ne et­was krum­me Na­se und ein aus­ge­präg­tes har­tes Kinn. Ins­ge­samt hat­te die­ser Sen­tran ein aus­druck­star­kes, mar­kan­tes Ge­sicht, be­fand Vi­tus. Da ihm al­ler­dings das miss­mu­ti­ge Mie­nen­spiel des Man­nes nicht ge­fiel, be­schloss er, ihn mit ba­na­len Fra­gen ein we­nig aus der Re­ser­ve zu lo­cken. »Darf ich wis­sen, wie alt und wie groß du bist?«

      Sen­trans Ge­sichts­aus­druck blieb mür­risch. »Du weißt, dass ich sie­ben­und­zwan­zig bin und ge­nau zwei Me­ter mes­se, mein Kö­nig«, ant­wor­te­te er mit dunk­ler Stim­me und leicht spöt­ti­schem Un­ter­ton.

      »Ja, da hast du na­tür­lich recht. Dem­nach kann ich da­von aus­ge­hen, dass du dich in sämt­li­chen Kamp­fes­küns­ten, aber auch Kun­du­um, men­ta­len Ge­schi­cken, Di­plo­ma­tie und au­ßer­dem im All­tags­le­ben der Men­schen bes­tens aus­kennst?«

      »Ja.«

      Vi­tus ver­zog kei­ne Mie­ne ob Sen­trans knap­per Ant­wort, die ei­ne Men­ge Ver­är­ge­rung aus­drück­te.

      »Hm, ich ge­he al­so wei­ter da­von aus, dass du In­ter­es­se an der Auf­ga­be als mein sechs­ter Eli­te­wach­mann hast, sonst wärst du wohl kaum hier. Al­ler­dings ver­ste­he ich dei­ne mi­se­ra­ble Stim­mung nicht, Sen­tran. Ich se­he dei­nen Blick, hö­re dei­ne Stim­me und spü­re dei­nen ver­schlos­se­nen Geist. Al­les ver­rät mir, dass du äu­ßerst schlecht ge­launt bist. Al­so, wür­dest du mir bit­te ver­ra­ten, was dich so mie­se­pet­rig er­schei­nen lässt?«

      »Das ist ei­ne per­sön­li­che An­ge­le­gen­heit, mein Kö­nig. Dar­über möch­te ich nicht spre­chen – mit Ver­laub.«

      Er­staunt zog Vi­tus ei­ne Braue hoch. Der Mann hat­te Mumm, war noch da­zu äu­ßerst ei­gen­sin­nig, dach­te er und wun­der­te sich, wie sehr ihm das ge­fiel.

      Un­ter­des­sen hat­te Lo­a­na ei­ne auf­ge­schnit­te­ne Sem­mel mit But­ter und Ho­nig be­stri­chen und reich­te sie dem Mann, der zu­erst sie und dar­auf­hin die Sem­mel ver­blüfft an­sah. »Iss das, Sen­tran. Sü­ßes hilft bei Lie­bes­kum­mer. Das ist bei al­len gleich, ob bei Män­nern oder Frau­en.« Lo­a­na er­griff sei­ne freie Hand. »Die Lie­be ist oft merk­wür­dig und schwer zu fin­den. Aber auch du wirst ei­nes Ta­ges der rich­ti­gen Frau be­geg­nen.«

      Fas­zi­niert be­ob­ach­te­te Vi­tus, wie Sen­tran ihr vor­sich­tig die Hand ent­zie­hen woll­te, Lo­a­na sie je­doch wei­ter­hin fest­hielt und ihm da­bei in die Au­gen schau­te. Auf Sen­trans Wan­gen er­schien ei­ne leich­te Rö­te. Ver­le­gen senk­te er die Li­der.

      »Dan­ke«, ent­geg­ne­te er knapp, aber freund­lich und lös­te sich nun doch aus ih­rem Griff.

      Vi­tus hat­te das Gan­ze mit gro­ßem In­ter­es­se ver­folgt. Ihm war klar, dass der Mann Lo­a­nas hei­len­de Wär­me wahr­ge­nom­men hat­te. Ei­ne Wär­me, die je­man­dem Kno­ten in der Brust lo­ckern konn­te, von de­nen er bis da­to gar nicht wuss­te, dass sie exis­tier­ten. Er kann­te Lo­a­nas un­glaub­li­che Kräf­te. Trotz­dem war er ein­mal mehr er­staunt über das Aus­maß ih­res em­pa­thi­schen und hei­len­den Kön­nens.

      »Tja, das er­klärt so man­ches«, kom­men­tier­te er tro­cken. »Wir soll­ten nun ein­fach un­ser Früh­stück fort­s­et­zen und uns ein we­nig un­ter­hal­ten. Da­bei kannst du mir auch ger­ne dei­ne Vor­stel­lun­gen zum künf­ti­gen Auf­ga­ben­be­reich un­ter­brei­ten, Sen­tran.« Er lä­chel­te mil­de. »Ich neh­me an, du hast dich be­reits bei Es­sem und Tim­mun ein we­nig über mich er­kun­digt.«

      ***

      Ei­ne gan­ze Wei­le spä­ter sa­ßen Estra und Vi­tus wie­der ein­mal im Win­ter­gar­ten. Lo­a­na hat­te sich hin­ge­legt. Ihr war doch im­mer noch et­was übel. Isi­nis wer­kel­te zu­sam­men mit dem Per­so­nal in der Kü­che und hat­te die Män­ner raus­ge­wor­fen. Al­so gönn­ten sie sich ei­ne Zi­gar­re. Da­zu tran­ken sie star­ken sü­ßen Tee.

      »Es freut mich, dass du ihn mit­neh­men willst. Er wird dich nicht ent­täu­schen.«

      »Wir wer­den se­hen. Ich neh­me ihn erst mal sorg­fäl­tig un­ter die Lu­pe. Sen­trans Starr­sinn könn­te Schwie­rig­kei­ten ma­chen«, mein­te Vi­tus.

      »Ach, hör doch auf. Ich hab ge­nau ge­merkt, dass du ihn magst.« Estra lä­chel­te. »Ich wuss­te, dass du ihn mö­gen wür­dest. Ja, ich wuss­te es.« Sei­ne Au­gen blitz­ten