Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


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ist ein Mär­chen. Ei­gent­lich heißt es: Die Prin­zes­sin auf der Erb­se. Soll hei­ßen, dass du ein Sen­si­bel­chen bist.«

      »Sen­si­bel­chen?«, pro­tes­tier­te Vik­tor. »Na war­te, ich werd dir gleich …«

      Sein Ver­such, sie noch zu fas­sen zu krie­gen, schei­ter­te. An­na war be­reits ki­chernd in Rich­tung Bad un­ter­wegs.

      Als sie zu­rück­kam, schlief Vik­tor wie­der.

      »Ty­pisch, erst gro­ße Tö­ne spu­cken und dann pen­nen!«

      »Denkst auch nur du!« Blitz­schnell griff er nach ihr und zog sie ins Bett.

      Als sie spä­ter gut ge­launt mit Vik­to­ria und de­ren Freund Ke­tu am Früh­stücks­tisch sa­ßen, spür­te An­na die Ge­dan­ken ih­res Bru­ders. Jens hat­te wohl schon am Abend zu­vor ver­sucht, sie zu er­rei­chen, doch da war sie halt an­der­wei­tig be­schäf­tigt ge­we­sen.

      … Jens be­rich­te­te ihr von Le­na und de­ren Jetzt-Ex-Freund. An­na hat­te die­sen Ma­ri­us von An­fang an nicht so rich­tig lei­den kön­nen, wuss­te aber nicht, wie­so. Es war viel­mehr ein Bauch­ge­fühl. Nun är­ger­te sie sich, ih­rer Schwes­ter nicht so­fort da­von er­zählt zu ha­ben. Nur war Le­na da­mals so über­g­lü­ck­lich ge­we­sen, als sie ihn ken­nen­ge­lern­te, dass An­na es ein­fach nicht übers Herz ge­bracht hat­te. Zu­dem war sie in der Zeit nach den schreck­li­chen Er­eig­nis­sen um Lo­a­na, Si­stra, Aeda­ma und Du­rell reich­lich ab­ge­lenkt ge­we­sen. Dann kam Weih­nach­ten und, und, und …

      Sie schob ih­re Selbst­an­kla­ge bei­sei­te. Jetzt war es eh zu spät.

      »Jens hat mir ge­ra­de ein paar Neu­ig­kei­ten über­mit­telt«, er­zähl­te sie den an­de­ren am Tisch. »Le­na hat Schluss mit Ma­ri­us. Aber das scheint sie recht gut ver­daut zu ha­ben, eben­so wie die Mär­chen­stun­de.«

      »Mär­chen­stun­de?«, frag­te Vik­to­ria.

      »Mei­ne Schwes­ter halt«, er­läu­ter­te An­na. »Sie hat das so ge­nannt, als wir sie über die El­fen auf­ge­klärt ha­ben. Na, je­den­falls geht es ihr so­weit ganz gut, trotz Ma­ri­us und Mär­chen­stun­de. Und, was noch bes­ser ist, sie freut sich to­tal über die Ein­la­dung zur Hoch­zeit und eben­falls über die Braut­jung­fern­ge­schich­te. Ach ja, Sil­vi üb­ri­gens auch.« Sie ki­cher­te. »Okay, bei Sil­vi war es wohl er­heb­lich schwie­ri­ger. Be­haup­tet Jens zu­min­dest. Als er ihr von der gan­zen El­fen­sa­che er­zählt hat, ist sie vor Schreck um­ge­fal­len und Jens konn­te sei­ne Herz­al­ler­liebs­te nur noch mit sei­ner spe­zi­el­len Mund-zu-Mund-Be­at­mung be­ru­hi­gen.«

      An­na run­zel­te die Stirn. »Wo­zu er­zähl ich euch das über­haupt? Ihr habt das doch be­stimmt mit­ge­kriegt.«

      »Ein biss­chen viel­leicht«, be­stä­tig­te Vik­to­ria. »Aber das meis­te hast du ziem­lich gut ver­bor­gen ge­hal­ten. Du machst dich, An­na. Nun aber zum Hoch­zeits­the­ma. Das wird näm­lich ein­fach toll. Ich bin so froh, dass Le­na und Sil­vi end­lich Be­scheid wis­sen und mit da­bei sein kön­nen. Das gibt si­cher ein su­per­schö­nes Bild: Zwei Dun­kel­haa­ri­ge und zwei Blon­de.« Sie strahl­te vor Freu­de. »Wir müs­sen Le­na na­tür­lich da­zu über­re­den, blond zu blei­ben. Was hat sie ei­gent­lich für ei­ne Na­tur­haa­r­fa­r­be?«

      »Die se­hen in na­tu­ra fast ge­nau­so aus wie mei­ne. – Ich weiß auch nicht, war­um sie an­dau­ernd mit ih­ren Haa­ren her­u­m­ex­pe­ri­men­tiert«, füg­te sie hin­zu, als Vik­to­ria fra­gend ei­ne Braue hob. »Muss am Be­ruf lie­gen. Aber das Ar­gu­ment mit zwei zu zwei könn­te zie­hen. Auf so was steht sie. Die ist be­stimmt so rich­tig aus dem Häus­chen.«

      »Ge­nau wie Vi­tus.« Ke­tus erns­tes Ge­sicht nahm einen leicht be­lus­tig­ten Zug an. »Ich ha­be ges­tern mit­be­kom­men, wie er sich mit Bi­tris, dem Schloss­gärt­ner, un­ter­hal­ten oder eher ge­strit­ten hat. Der war wohl ein biss­chen kri­tisch we­gen Lo­a­nas Wunsch, zur Kirsch­blü­te zu hei­ra­ten. Schließ­lich ste­hen im Schloss­park ja ex­tra ver­schie­de­ne Kirsch­sor­ten, um ei­ne mög­lichst lan­ge Blü­te­zeit vor­zu­ge­ben. Vi­tus will aber, dass zur Hoch­zeit al­le Kir­schen gleich­zei­tig blü­hen, al­so die Schnee- und Win­ter­kir­schen zu­sam­men mit den Früh­lings­kir­schen, die auf der klei­nen Al­lee ste­hen.«

      Ke­tu schüt­tel­te den Kopf. »Der ar­me Gärt­ner hat­te oh­ne­hin kei­ne Chan­ce. Nach ei­ner knap­pen De­bat­te über Blü­ten­wachs­tum, Jah­res­zei­ten und mehr hat Vi­tus ihn ein­fach ste­hen las­sen und kur­zer­hand da­mit be­gon­nen, die Bäu­me wet­ter­tech­nisch zu be­ein­flus­sen. Er will un­be­dingt, dass die Hoch­zeit am zwan­zigs­ten März statt­fin­det. Al­so wird er da­für sor­gen, dass Lo­a­na ih­re Blü­ten an die­sem Tag be­kommt.«

      »Ach.« An­na griff sich ans Herz. »Ich fin­de das soo ro­man­tisch.« Dann dach­te sie nach. »Wie­so ei­gent­lich der zwan­zigs­te März?«

      »Früh­lings­er­wa­chen«, ant­wor­te­te Vik­to­ria. »Das ist im El­fen­reich ein wich­ti­ger Fei­er­tag, un­ge­fähr so wie Sil­ves­ter und Neu­jahr bei den Men­schen. Der Win­ter ver­geht und der neue Le­bens­zy­klus be­ginnt.« Auch Vik­to­ria seufz­te. »Er ist echt ro­man­tisch, un­ser Va­ter.«

      Brü­der

      »Du bist wirk­lich der fes­ten Über­zeu­gung, die­ser Sen­tran könn­te der Rich­ti­ge sein?«

      »Oh ja, Vi­tus, das bin ich«, be­stä­tig­te Estra. »Er ist ge­nau der Mann, den du suchst.«

      »Hhm-hhm.« Vi­tus zog genüss­lich an sei­ner di­cken Zi­gar­re, ge­neh­mig­te sich zu­dem ein Schlü­ck­chen vom Ver­dau­ungs­obst­ler.

      Lo­a­na und er wa­ren bei Estra in den Ber­gen des west­li­chen El­fen­rei­ches zu Be­such und hat­ten ge­ra­de erst, ge­mein­sam mit Estras Frau Isi­nis und den Kin­dern Pa­nu, Mai­nio und Il­tra­na, fürst­lich zu Mit­tag ge­speist.

      Die bei­den Frau­en ver­tra­ten sich nun die Bei­ne im herr­li­chen Park, di­rekt vor dem rie­si­gen hoch­herr­schaft­li­chen Haus, wäh­rend es sich die bei­den Brü­der im Win­ter­gar­ten ge­müt­lich mach­ten. Sie sa­ßen in be­que­men Le­der­ses­seln, die ba­ren Fü­ße auf ei­nem Hocker ab­ge­legt.

      Ha­mo, Estras jun­ger Be­diens­te­ter, der noch nicht lan­ge für ihn tä­tig war, trat ein und frag­te, ob er noch et­was brin­gen soll­te. Sie ver­nein­ten fast zur glei­chen Zeit und lä­chel­ten, weil sie bei­de das­sel­be ge­sagt hat­ten: »Nein, der Obst­ler reicht.«

      Be­vor er wie­der hin­aus­ging, hat­te Ha­mo sie mit ei­nem Aus­druck im Ge­sicht an­ge­st­arrt, der Vi­tus nur all­zu be­kannt war. Es lag an sei­ner gro­ßen Ähn­lich­keit mit Estra, die selbst Freun­de und Be­kann­te ab und an ver­wirr­te. Aber auch Frem­de sa­hen so­fort, dass sie Brü­der wa­ren:

      Sie wa­ren bei­de sehr groß, Estra so­gar noch et­was grö­ßer, und von schlan­ker, mus­ku­lö­ser Sta­tur, hat­ten glat­tes ra­ben­schwa­r­zes Haar, das ih­nen bis auf die Schul­tern fiel, und ein at­trak­ti­ves Ge­sicht mit scha­rf ge­schnit­te­nen Zü­gen. Viel­leicht war Estras Na­se nicht ganz so groß und aus­ge­prägt und sein Mund da­für einen Tick brei­ter. Auch zier­te Estras Kinn kein Grüb­chen und sei­ne Au­gen wa­ren nicht meer­grün, son­dern braun wie Milch­scho­ko­la­de. Den­noch, ih­re Ähn­lich­keit war