auf der Kommode neben dem Bett lag. »Nee, Marius hat mich angerufen und ziemlich fies angemacht. Er sagt, du hättest dich total scheiße benommen. Es wäre peinlich gewesen, wie du aus dem Club gestürmt und einfach abgehauen wärst. Dann konnte er dich nicht erreichen. Tja, da musste ich wohl dran glauben.«
Jens bedachte sie mit einem bewundernden Blick aus seinen ruhigen grauen Augen. »Coole Sache, Lena. So, wie der mich am Telefon angeschnauzt hat, ist es wohl besser, dass du Schluss mit dem gemacht hast. Der hat sie ja wohl nicht alle! Das hab ich dem Blödmann auch sehr deutlich zu verstehen gegeben.«
Lena schniefte. »Das war’s dann wohl mit Marius.« Sie wischte sich die Tränen mit ihrem Taschentuch fort und putzte sich geräuschvoll die Nase. »Ach was, das wär ohnehin nicht mehr lange gutgegangen.«
Indem sie nichts weiter dazu sagte, gab sie ihrem Bruder zu verstehen, dass das Thema »Marius« nun nicht mehr zur Diskussion stand. Anstatt dazu noch einen Kommentar abzugeben, nahm Jens sie in den Arm und drückte sie. Danach schob er sich wieder ein Stückchen von ihr fort, um sie genauer zu mustern.
»Wie geht es dir denn sonst so? Hast du den ersten Elfenschock überwunden?«
Lena war es schrecklich peinlich, wie sie am gestrigen Tage so eifersüchtig und neidisch hatte überreagieren können. Sie spürte leise Röte in sich aufsteigen.
»Es geht so. Tut mir leid, dass ich derart sauer war. Aber zuerst erfahre ich diese ganze unglaubliche Geschichte und dann muss ich auch noch feststellen, dass du und Anna so was könnt und …«
»… und du nicht«, vollendete Jens ihren Satz. »Lena, du bist die tollste Schwester, die man sich nur wünschen kann. So lieb und hübsch und klug. Wir lieben dich über alle Maßen, das weißt du doch. Und dass du die ganze Elfengeschichte erst einmal nicht glauben wolltest, ist ja wohl das Normalste überhaupt.« Er legte die Hände auf ihre Schultern, während er sie ein weiteres Mal eindringlich ansah. »Hey, ist es denn so schlimm, dass Anna und ich ein klein wenig anders sind? Bis vor Kurzem haben wir es doch selbst nicht gewusst.«
»Nein, eigentlich nicht. Nur hätte ich es halt toll gefunden, auch so was zu können, auch was davon abgekriegt zu haben. Ist echt nicht schön, wenn man merkt, dass man nicht richtig dazugehört«, meinte sie kleinlaut.
»Nicht dazugehört?« Er schüttelte den Kopf. »Das ist doch Schwachsinn. Natürlich gehörst du dazu. Was glaubst du denn, warum wir es dir erzählt haben, he? Weil du absolut dazugehörst.« Bevor er aufstand, tätschelte er ihr liebevoll den Arm. »Denk mal darüber nach.«
Er wollte hinausgehen, drehte sich aber noch einmal um. »Vitus hatte keine Gelegenheit, es dir selber zu sagen. Du bist ja gestern einfach aus dem Wohnzimmer gerauscht. Ich denke, er ist bestimmt nicht böse, wenn ich dir jetzt ausrichte, dass du zu seiner und Loanas Hochzeit eingeladen bist.« Jens machte eine kurze Pause. Offenkundig freute er sich über Lenas große Augen, so wie er jetzt schmunzelte. »Das ist aber lange noch nicht alles, mein liebstes Schwesterherz«, fuhr er fröhlich fort. »Du wirst nämlich zusammen mit Anna, Viktoria und Silvi Brautjungfer spielen müssen.«
»Was?« Vor Überraschung fiel Lena die Kinnlade runter. Das schien ihren Bruder köstlich zu amüsieren, weshalb sie den Mund hastig wieder zumachte.
»Cool, nicht wahr? Du wirst eine wichtige Rolle auf einer königlichen Elfenhochzeit spielen. Also, anstatt dich mit so einem düsteren Zeugs, wie Eifersucht und Neid, verrückt zu machen, solltest du dich schleunigst mit den anderen drei Brautjungfern zusammentun und über Garderobe, Frisur und so’n Mädelskram nachdenken.« Er öffnete die Tür. »Nacht, meine Süße.«
Jens spazierte hinaus und ließ eine sehr nachdenkliche, allerdings längst nicht mehr so traurige Lena zurück.
***
Währenddessen erholte sich Anna Nell von dem stürmischen Liebesspiel mit Viktor. Die letzten knisternden Funken und roten Wirbel in seinem Zimmer zeugten davon – und Anna, die leise keuchend nach Luft rang.
»Irgendwann bringen wir uns um! Irgendwann überleben wir das nicht!«
Viktor sah sie heißblütig an, bedeckte daraufhin ihr Gesicht mit federleichten Küssen.
»Doch, doch, Anna. Es gibt eine geringe Überlebenschance, wenn wir jetzt vielleicht ein bisschen schlafen.« Er lächelte, was immer eine faszinierende Wirkung auf Anna hatte.
… Sie liebte ihren halbelfischen Freund sehr. Alles an ihm. Sein feines Gesicht. So schön, mit dem herrlich geschwungenen köstlichen Mund. Seine intensiv leuchtenden dunkelblauen Augen. Seine wirren braunen Locken mit dem mahagonifarbenen Lichtspiel darin. Seinen langen, geradezu perfekten Körper. Seine Leidenschaft. Seine Sonne. Seine Liebenswürdigkeit und, und, und – selbst seine vom ständigen Barfußlaufen immer etwas schwieligen Füße.
Doch wenn er lächelte und sich dabei die beiden Grübchen auf seinen Wangen zeigten, schmolz sie regelrecht dahin. …
»Viktor Müller! Du redest von Schlaf und denkst stattdessen schon wieder an Sex! Das ist doch wohl nicht dein Ernst?«
Allen Anschein nach ließ Viktor sich von Annas Gedanken beeindrucken. »Okay, okay, du hast mich mal wieder durchschaut. Ich bekenne mich schuldig.« Er rollte sich vorsichtig von ihr herunter. »Daran zu denken wird ja wohl noch erlaubt sein, Kleines.«
Er drehte sich zur Seite, strich mit dem Finger verführerisch den Konturen ihres Leibes nach und stellte mit einem weiteren, nun zufriedenen Lächeln fest, wie sich bei ihr eine Gänsehaut bildete und die Brustwarzen aufstellten.
»Meine Güte, Anna, wie soll ich an was anderes denken, wenn ich dich so sehe.«
Er senkte seinen Mund auf einen der sich ihm entgegenreckenden Nippel und knabberte kurz daran.
»Ich bin einfach komplett verrückt nach dir.«
»Du lieber Himmel, Viktor! Ich sag ja, wir überleben das nicht.«
»Du hast recht, Anna. Wir sind verloren.«
Am frühen nächsten Morgen versuchte Anna wie so häufig, sich ihm zu entwinden. Meistens wachte sie später auf als er. Wenn es doch einmal umgekehrt war, dann ergab sich stets dasselbe Problem:
Viktor hatte Arme und Beine eng um sie geschlungen. Sobald er bemerkte, dass sie sich von ihm lösen wollte, hielt er sie umso fester. So auch an diesem Morgen.
»Hey, wo willst du hin, kleine Anna«, knurrte er schlaftrunken, ohne ein Auge aufzutun. »Es ist