feurigen Rubine.
Daraufhin drehte sie sich zu ihm um, ihn mit einem Blick bedenkend, in dem das gleiche Feuer wie in den Edelsteinen loderte. Sie schob die hauchdünnen Träger ihres aufregenden Seidennachthemdes von den Schultern, sodass der feine Stoff an ihr hinunter zu Boden glitt und sie nur noch den Schmuck für ihn trug. Was darauf folgte, war überwältigend und berauschend. …
***
Ketu rutschte ein Wasserglas aus der Hand – und jemand anderes fing das Glas auf, bevor es zu Boden ging.
»Du bist wohl in Gedanken?« Trotz des leicht belustigten Untertons blieb Sentrans Miene wie üblich ernst. »Lass mich dir helfen.«
»Danke, mir war nur kurz etwas in den Sinn gekommen.« Ketu räusperte sich.
Indes stand Vitus mit Loana in der Tür und kommentierte die Szene zunächst mit einem milden Lächeln. »Nur kurz ist gut, Ketu«, spöttelte er dann vergnügt. »Du hast ja nicht einmal mitbekommen, dass wir geläutet haben, wie es sich gehört. Es ist wie verhext: Entweder vergesse ich zu klingeln, oder es kommt einfach niemand, um die Tür zu öffnen. Wo sind denn die Geburtstagskinder?«
»Hm?« Ketu war offenbar immer noch nicht ganz aus seinen Träumereien aufgetaucht. »Oh, die sind in der Garage und zeigen Anna den neuen Wagen. Sie müssten eigentlich schon wieder zurück sein.«
Wie aufs Stichwort erschienen die drei und die Zwillinge wurden von ihrem Vater liebevoll in die Arme geschlossen. Er hatte sich ihnen selten rührselig gezeigt, doch nun hielt Vitus seine Kinder weiterhin fest und bekam glänzende Augen.
»Herzlichen Glückwunsch, ihr beiden. Und alles Liebe dieser und unserer Welt.« Verstohlen wischte er sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Es ist schwer, zwei Königskindern, die schon Alles haben, etwas zu schenken. Und wenn ich sage, dass ihr Alles habt, dann meine ich nicht nur die materiellen Werte. Ihr habt die Liebe gefunden, seid gesund und glücklich. Dass ihr jederzeit zu mir auf den Thron steigen könnt, das wisst ihr ja bereits. Also, was schenkt man euch?«
Statt einer Antwort brachte Vitus zwei in hauchfeines weiß-goldenes Papier eingeschlagene schmale Pakete zum Vorschein. Beide nahmen sie dankend entgegen. Als sie ihre Geschenke aufmachten – Viktor mit einem ungeduldigen Zerreißen des Papiers – Viktoria hingegen mit geduldigen, geschickten Fingern – hielten sie jeder eine in Silber gerahmte Fotografie in der Hand: Ihre Mutter, eindeutig schwanger mit den Zwillingen, stand unter einem leuchtenden Herbstbaum und warf ihnen lächelnd eine Kusshand zu. Sie war wunderschön.
»Ich habe die alten Kisten, die ich seinerzeit auf den Speicher verbannt hatte, ein wenig durchstöbert. Euer Urgroßvater, Leonard Müller, hatte sie mir kurz vor seinem Tod überlassen. Bis vor ein paar Tagen habe ich sie nie angerührt. Ich konnte es einfach nicht. Es gibt Filme, Fotoalben und Briefe von eurer Mutter. Die Sachen sind schlichthin bezaubernd und erzählen so viel über sie. Ich denke, es wird höchste Zeit, dass ihr mehr über sie erfahrt. Deswegen möchte ich mir das alles mit euch gemeinsam ansehen. Endlich bin ich in der Lage dazu, euch eure Mutter nahezubringen.«
Jetzt rollten doch ein paar Tränen über seine Wangen. »Es tut mir leid, dass das erst nach neunzehn Jahren geschieht, aber …«
Viktoria fiel ihrem Vater um den Hals. »Schscht, nicht«, flüsterte sie heiser. Auch sie schien den Tränen nahe zu sein. »Du bist jetzt hier, hier bei uns. Alles andere ist Vergangenheit. Und danke, Vater, das Foto ist so wunderbar. Ich kann gar nichts weiter dazu sagen.«
Ebenso sichtlich gerührt nahm Viktor ihn in den Arm. »Danke.«
Vitus holte einmal Luft. »Nun denn. Ähm, der Kaffee wird kalt. Wir sollten jetzt frühstücken.«
Er rechnete nicht damit, dass Loana zuerst sein Gesicht zärtlich in beide Hände nahm und ihm einen kleinen süßen Kuss gab, bevor auch sie den Zwillingen gratulierte und ihnen ihre Geschenke überreichte:
Bildbände zu den Werken von Gauguin, Monet und Matisse für Viktoria und CDs mit Musik von Alan Stivell, Tri Yann und Nolwenn Leroy für Viktor. Die beiden freuten sich lauthals darüber, weil diese Sachen genau ihren Vorlieben entsprachen und Loana außerdem ihren bretonischen Wurzeln treu geblieben war. Es zeugte davon, wie viel Gedanken sie sich deswegen gemacht haben musste.
… Auch Vitus freute sich darüber, dass Loanas Geschenke derart großen Anklang bei seinen Kindern fanden, hatte sie sich doch so lang den Kopf deswegen zerbrochen. Sie wollte seinen Kindern unbedingt etwas schenken, das dem jeweiligen Interesse der beiden und zudem deren rein menschliche Seite entsprach. Ein schwieriges Unterfangen für eine Elfe ohne große Erfahrung mit Menschen.
Doch nachdem sie vor einiger Zeit von Anna und Jens erfahren hatte, dass es nicht nur berühmte Maler, sondern auch Rockmusiker mit Themen aus Loanas Heimat gab, war ihr die zündende Idee gekommen und sie hatte Anna gebeten, diese Dinge für sie zu besorgen. …
Um fast halb zehn begannen sie endlich mit dem, natürlich wie immer, opulenten Frühstück. Zunächst sagte Vitus nichts zu seiner Beobachtung, wie Sentran sich heimlich in die Küche verziehen wollte, dort aber hochkant vom Koch Wonu hinausgeworfen wurde. Wonu hatte absolut keinen Sinn für den Wachmann, sondern beäugte fluchend und stöhnend den hochmodernen menschlichen Induktionsherd und fragte sich, wie er mit dieser Höllenmaschine die bereits vorbereiteten Speisen bis ein Uhr in ein Dinner verwandeln sollte. Als Sentran daraufhin versuchte, sich unbemerkt aus dem Esszimmer davonzuschleichen, ging Vitus dieses lächerliche Benehmen des neuen Mannes eindeutig zu weit.
»Ich hab dich nicht mitgenommen, damit du dich feige verdrückst, Sentran. Ich möchte, dass du meine Familie kennenlernst. Und meine sechs Wachen gehören zu meiner Familie dazu.« Er legte den Kopf schräg. »Was ist, möchtest du nun mein sechster Wachmann werden oder nicht?«
»Selbstverständlich, mein König. Ich möchte mit Freuden dein Wachmann sein und dir dienen. Doch beinhaltet das meines Erachtens nicht, mit dir und deiner Familie an einem Tisch zu sitzen – mit Verlaub.«
»Spar dir dein dämliches Mit Verlaub!«, befahl ihm Vitus ungeduldig und ließ dabei die Deckenlampe kurz aufflackern. »Ich bestimme, was deine Aufgaben beinhalten und was nicht. Also setz dich und frühstücke gefälligst mit!« Danach drehte er sich seinen Kindern und Fast-Schwiegerkindern zu und tat so, als sähe er nicht, wie Sentran sich stirnrunzelnd und offenkundig