Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


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feu­ri­gen Ru­bi­ne.

      Dar­auf­hin dreh­te sie sich zu ihm um, ihn mit ei­nem Blick be­den­kend, in dem das glei­che Feu­er wie in den Edel­stei­nen lo­der­te. Sie schob die hauch­dün­nen Trä­ger ih­res auf­re­gen­den Sei­den­nacht­hem­des von den Schul­tern, so­dass der fei­ne Stoff an ihr hin­un­ter zu Bo­den glitt und sie nur noch den Schmuck für ihn trug. Was dar­auf folg­te, war über­wäl­ti­gend und be­rau­schend. …

      ***

      Ke­tu rutsch­te ein Was­ser­glas aus der Hand – und je­mand an­de­res fing das Glas auf, be­vor es zu Bo­den ging.

      »Du bist wohl in Ge­dan­ken?« Trotz des leicht be­lus­tig­ten Un­ter­tons blieb Sen­trans Mie­ne wie üb­lich ernst. »Lass mich dir hel­fen.«

      »Dan­ke, mir war nur kurz et­was in den Sinn ge­kom­men.« Ke­tu räus­per­te sich.

      In­des stand Vi­tus mit Lo­a­na in der Tür und kom­men­tier­te die Sze­ne zu­nächst mit ei­nem mil­den Lä­cheln. »Nur kurz ist gut, Ke­tu«, spöt­tel­te er dann ver­gnügt. »Du hast ja nicht ein­mal mit­be­kom­men, dass wir ge­läu­tet ha­ben, wie es sich ge­hört. Es ist wie ver­hext: Ent­we­der ver­ges­se ich zu klin­geln, oder es kommt ein­fach nie­mand, um die Tür zu öff­nen. Wo sind denn die Ge­burts­tags­kin­der?«

      »Hm?« Ke­tu war of­fen­bar im­mer noch nicht ganz aus sei­nen Träu­me­rei­en auf­ge­taucht. »Oh, die sind in der Ga­ra­ge und zei­gen An­na den neu­en Wa­gen. Sie müss­ten ei­gent­lich schon wie­der zu­rück sein.«

      Wie aufs Stich­wort er­schie­nen die drei und die Zwil­lin­ge wur­den von ih­rem Va­ter lie­be­voll in die Ar­me ge­schlos­sen. Er hat­te sich ih­nen sel­ten rühr­se­lig ge­zeigt, doch nun hielt Vi­tus sei­ne Kin­der wei­ter­hin fest und be­kam glän­zen­de Au­gen.

      »Herz­li­chen Glü­ck­wunsch, ihr bei­den. Und al­les Lie­be die­ser und un­se­rer Welt.« Ver­stoh­len wisch­te er sich ei­ne Trä­ne aus dem Au­gen­win­kel. »Es ist schwer, zwei Kö­nigs­kin­dern, die schon Al­les ha­ben, et­was zu schen­ken. Und wenn ich sa­ge, dass ihr Al­les habt, dann mei­ne ich nicht nur die ma­te­ri­el­len Wer­te. Ihr habt die Lie­be ge­fun­den, seid ge­sund und glü­ck­lich. Dass ihr je­der­zeit zu mir auf den Thron stei­gen könnt, das wisst ihr ja be­reits. Al­so, was schenkt man euch?«

      Statt ei­ner Ant­wort brach­te Vi­tus zwei in hauch­fei­nes weiß-gol­de­nes Pa­pier ein­ge­schla­ge­ne schma­le Pa­ke­te zum Vor­schein. Bei­de nah­men sie dan­kend ent­ge­gen. Als sie ih­re Ge­schen­ke auf­mach­ten – Vik­tor mit ei­nem un­ge­dul­di­gen Zer­rei­ßen des Pa­piers – Vik­to­ria hin­ge­gen mit ge­dul­di­gen, ge­schick­ten Fin­gern – hiel­ten sie je­der ei­ne in Sil­ber ge­rahm­te Fo­to­gra­fie in der Hand: Ih­re Mut­ter, ein­deu­tig schwan­ger mit den Zwil­lin­gen, stand un­ter ei­nem leuch­ten­den Herbst­baum und wa­rf ih­nen lä­chelnd ei­ne Kuss­hand zu. Sie war wun­der­schön.

      »Ich ha­be die al­ten Kis­ten, die ich sei­ner­zeit auf den Spei­cher ver­bannt hat­te, ein we­nig durch­stö­bert. Eu­er Ur­groß­va­ter, Le­o­nard Mül­ler, hat­te sie mir kurz vor sei­nem Tod über­las­sen. Bis vor ein paar Ta­gen ha­be ich sie nie an­ge­rührt. Ich konn­te es ein­fach nicht. Es gibt Fil­me, Fo­to­al­ben und Brie­fe von eu­rer Mut­ter. Die Sa­chen sind schlicht­hin be­zau­bernd und er­zäh­len so viel über sie. Ich den­ke, es wird höchs­te Zeit, dass ihr mehr über sie er­fahrt. Des­we­gen möch­te ich mir das al­les mit euch ge­mein­sam an­se­hen. End­lich bin ich in der La­ge da­zu, euch eu­re Mut­ter na­he­zu­brin­gen.«

      Jetzt roll­ten doch ein paar Trä­nen über sei­ne Wan­gen. »Es tut mir leid, dass das erst nach neun­zehn Jah­ren ge­schieht, aber …«

      Vik­to­ria fiel ih­rem Va­ter um den Hals. »Schscht, nicht«, flüs­ter­te sie hei­ser. Auch sie schien den Trä­nen na­he zu sein. »Du bist jetzt hier, hier bei uns. Al­les an­de­re ist Ver­gan­gen­heit. Und dan­ke, Va­ter, das Fo­to ist so wun­der­bar. Ich kann gar nichts wei­ter da­zu sa­gen.«

      Eben­so sicht­lich ge­rührt nahm Vik­tor ihn in den Arm. »Dan­ke.«

      Vi­tus hol­te ein­mal Luft. »Nun denn. Ähm, der Kaf­fee wird kalt. Wir soll­ten jetzt früh­stü­cken.«

      Er rech­ne­te nicht da­mit, dass Lo­a­na zu­erst sein Ge­sicht zärt­lich in bei­de Hän­de nahm und ihm einen klei­nen sü­ßen Kuss gab, be­vor auch sie den Zwil­lin­gen gra­tu­lier­te und ih­nen ih­re Ge­schen­ke über­reich­te:

      Bild­bän­de zu den Wer­ken von Gau­gu­in, Mo­net und Ma­tis­se für Vik­to­ria und CDs mit Mu­sik von Alan Stivell, Tri Yann und Nol­wenn Leroy für Vik­tor. Die bei­den freu­ten sich laut­hals dar­über, weil die­se Sa­chen ge­nau ih­ren Vor­lie­ben ent­spra­chen und Lo­a­na au­ßer­dem ih­ren bre­to­ni­schen Wur­zeln treu ge­blie­ben war. Es zeug­te da­von, wie viel Ge­dan­ken sie sich des­we­gen ge­macht ha­ben muss­te.

      … Auch Vi­tus freu­te sich dar­über, dass Lo­a­nas Ge­schen­ke der­art gro­ßen An­klang bei sei­nen Kin­dern fan­den, hat­te sie sich doch so lang den Kopf des­we­gen zer­bro­chen. Sie woll­te sei­nen Kin­dern un­be­dingt et­was schen­ken, das dem je­wei­li­gen In­ter­es­se der bei­den und zu­dem de­ren rein mensch­li­che Sei­te ent­sprach. Ein schwie­ri­ges Un­ter­fan­gen für ei­ne El­fe oh­ne gro­ße Er­fah­rung mit Men­schen.

      Doch nach­dem sie vor ei­ni­ger Zeit von An­na und Jens er­fah­ren hat­te, dass es nicht nur be­rühm­te Ma­ler, son­dern auch Rock­mu­si­ker mit The­men aus Lo­a­nas Hei­mat gab, war ihr die zün­den­de Idee ge­kom­men und sie hat­te An­na ge­be­ten, die­se Din­ge für sie zu be­sor­gen. …

      Um fast halb zehn be­gan­nen sie end­lich mit dem, na­tür­lich wie im­mer, opu­len­ten Früh­stück. Zu­nächst sag­te Vi­tus nichts zu sei­ner Be­ob­ach­tung, wie Sen­tran sich heim­lich in die Kü­che ver­zie­hen woll­te, dort aber hoch­kant vom Koch Wo­nu hin­aus­ge­wor­fen wur­de. Wo­nu hat­te ab­so­lut kei­nen Sinn für den Wach­mann, son­dern be­äug­te flu­chend und stöh­nend den hoch­mo­der­nen mensch­li­chen In­duk­ti­ons­herd und frag­te sich, wie er mit die­ser Höl­len­ma­schi­ne die be­reits vor­be­rei­te­ten Spei­sen bis ein Uhr in ein Din­ner ver­wan­deln soll­te. Als Sen­tran dar­auf­hin ver­such­te, sich un­be­merkt aus dem Ess­zim­mer da­von­zu­schlei­chen, ging Vi­tus die­ses lä­cher­li­che Be­neh­men des neu­en Man­nes ein­deu­tig zu weit.

      »Ich hab dich nicht mit­ge­nom­men, da­mit du dich fei­ge ver­drückst, Sen­tran. Ich möch­te, dass du mei­ne Fa­mi­lie ken­nen­lernst. Und mei­ne sechs Wa­chen ge­hö­ren zu mei­ner Fa­mi­lie da­zu.« Er leg­te den Kopf schräg. »Was ist, möch­test du nun mein sechs­ter Wach­mann wer­den oder nicht?«

      »Selbst­ver­ständ­lich, mein Kö­nig. Ich möch­te mit Freu­den dein Wach­mann sein und dir die­nen. Doch be­in­hal­tet das mei­nes Er­ach­tens nicht, mit dir und dei­ner Fa­mi­lie an ei­nem Tisch zu sit­zen – mit Ver­laub.«

      »Spar dir dein däm­li­ches Mit Ver­laub!«, be­fahl ihm Vi­tus un­ge­dul­dig und ließ da­bei die De­cken­lam­pe kurz auf­fla­ckern. »Ich be­stim­me, was dei­ne Auf­ga­ben be­in­hal­ten und was nicht. Al­so setz dich und früh­stü­cke ge­fäl­ligst mit!« Da­nach dreh­te er sich sei­nen Kin­dern und Fast-Schwie­ger­kin­dern zu und tat so, als sä­he er nicht, wie Sen­tran sich stirn­run­zelnd und of­fen­kun­dig