Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


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knall­te sie die Tas­se auf den Tisch, sprang aus dem Ses­sel und rann­te hin­aus.

      Noch ehe die an­de­ren im Raum über­haupt be­grei­fen konn­ten, was da ge­ra­de ge­sch­ah, husch­te Sen­tran ihr nach. Er be­kam ge­ra­de noch mit, wie sein Kö­nig auf­stand, oh­ne das Ge­spräch mit An­nas El­tern zu un­ter­bre­chen, und mit ei­nem Ach­sel­zu­cken die Wohn­zim­mer­tür kur­zer­hand hin­ter Sen­tran und Le­na zu­mach­te.

      Im Haus­flur wähn­te sich Le­na of­fen­bar in Si­cher­heit, wur­de al­ler­dings krei­de­bleich vor Schreck, als Sen­tran sich in vol­ler Grö­ße vor ihr auf­bau­te. Wie in Zeit­lu­pe sack­te sie in sich zu­sam­men.

      »Du lie­ber Him­mel!«, rief er aus und fing sie auf.

      Völ­lig kon­fus, mit ei­ner sei­nem Da­für­hal­ten nach zer­brech­li­chen Men­schen­frau im Arm, lief er zu­nächst hilf­los hin und her, ent­schied sich dann has­tig für das un­te­re klei­ne Gäs­te­bad des Hau­ses. Dort kühl­te er ihr mit et­was Was­ser die Stirn, in der Hoff­nung, sie kä­me da­durch wie­der zur Be­sin­nung.

      Er hat­te ja schon frü­her durch­aus mit Men­schen und de­ren Welt zu tun ge­habt. Hat­te sich wäh­rend sei­ner Aus­bil­dung dort­hin be­ge­ben, den Füh­rer­schein ge­macht, ein paar ih­rer Ge­wohn­hei­ten stu­diert. Aber nie war er ei­nem Men­schen so na­he­ge­kom­men wie jetzt. Nie hat­te er be­fürch­ten müs­sen, einen Men­schen ver­letzt zu ha­ben.

      Be­sorgt hielt er das hüb­sche, zier­li­che Mäd­chen wei­ter in den Ar­men und at­me­te er­leich­tert auf, als es end­lich die Au­gen auf­schlug. Sei­ne Er­leich­te­rung wich al­ler­dings rasch schie­rem Ent­set­zen, da Le­na bei sei­nem An­blick an­fing zu schrei­en und zu stram­peln.

      Am liebs­ten hät­te er sie fal­len­las­sen und wä­re auf- und da­von­ge­lau­fen. Die­ses We­sen mach­te ihn gänz­lich ver­rückt. Doch dann riss er sich zu­sam­men. Sie an­zu­bli­cken war je­doch auch nicht von Vor­teil, denn die­se grau-grü­nen Au­gen nah­men ihn di­rekt ge­fan­gen und raub­ten ihm den Atem.

      Zu viel ist zu viel!, dach­te er ver­zwei­felt, stell­te Le­na vor­sich­tig auf ih­re Fü­ße, rauf­te sich die lan­gen Haa­re und sah Le­na noch ein­mal an. Sen­tran seufz­te. So konn­te er sie doch nicht ste­hen­las­sen, so blass um die Na­se und wa­cke­lig auf den Bei­nen. »Soll ich dir viel­leicht et­was zu trin­ken ho­len? Du bist weiß wie ein La­ken.« End­lich hat­te er wie­der her­aus­ge­fun­den, wie man sprach.

      Nach er­neu­ter Mus­te­rung ver­nahm er zu­tiefst be­ru­higt ih­re Ge­dan­ken, die ihm preis­ga­ben, wie pein­lich sie ihr Ge­schrei fand. Froh dar­über, dass sie wie­der den­ken konn­te, mein­te er: »Stimmt, du hät­test wirk­lich nicht gleich schrei­en müs­sen.«

      »Das darf doch wohl nicht wahr sein«, stöhn­te Le­na. Im­mer noch wirk­te sie ein biss­chen kraft­los, so, als wä­re ihr der Schreck or­dent­lich in die Glie­der ge­fah­ren. »Wer­de ich denn hier die gan­ze Zeit durch­leuch­tet wie beim Rönt­ge­n­a­rzt?«

      »Ich weiß nicht, was ein Rönt­ge­n­a­rzt ist, Le­na, aber ich will dich ganz si­cher nicht durch­leuch­ten. Das liegt mir fern. Nur bin ich es halt nicht ge­wohnt, so lau­te Ge­dan­ken zu hö­ren.«

      »Na toll!«, fauch­te sie. »Jetzt gib ru­hig noch mir die Schuld, du, du …«

      »Du, was?« Er hob spöt­tisch die Brau­en. Kei­nes­falls woll­te er sei­ne Er­leich­te­rung dar­über zu er­ken­nen ge­ben, dass das Mäd­chen vor lau­ter Zorn nun wie­der et­was Fa­r­be hat­te. »Sprich dich ru­hig aus. Ich wer­de auch mein Mög­lichs­tes tun, um nicht wie­der in dei­nen hüb­schen Kopf zu gu­cken. Not­falls hal­te ich mir Au­gen und Oh­ren zu. – Oh, zur Si­cher­heit wohl auch noch die Na­se, hät­te ich so vie­le Hän­de.«

      Da­mit hat­te er sie au­gen­schein­lich pro­vo­ziert, so plötz­lich, wie ihr biss­chen Fa­r­be zu ei­nem Pu­ter­rot wech­sel­te. Mehr noch, sie hol­te weit mit dem Arm aus, of­fen­kun­dig in der Ab­sicht, ihm ei­ne Ohr­fei­ge zu ver­pas­sen. Sen­tran je­doch griff sich ih­re Hand der­art blitz­ar­tig, dass Le­na ihn ver­dutzt an­starr­te.

      »Das lässt du lie­ber blei­ben«, kom­men­tier­te er kühl, beließ es je­doch da­bei – fast. »Es geht dir un­ver­kenn­bar bes­ser.« All­mäh­lich kehr­te der re­ser­vier­te Wach­mann in ihm zu­rück. »Komm, wir ge­hen wie­der ins Wohn­zim­mer.« Er lo­cker­te sei­nen Griff und woll­te sie mit sich zie­hen.

      Le­na je­doch ver­such­te, sich ihm zu wi­der­set­zen. »Lass mich ein­fach in Ru­he und ver­schwin­de aus mei­nem Dunst­kreis, ver­flixt noch mal!«

      Sen­tran spür­te, wie ei­ne im­men­se Wut in und an ihr nag­te, die nicht al­lein ihm galt. Er hat­te Ver­ständ­nis da­für, kann­te er doch die­ses Ge­fühl nur zu gut und nur zu tief. In­ter­es­siert mus­ter­te er sie ge­nau­er. War sie auch ein Stü­ck­chen grö­ßer als ih­re Schwes­ter, be­fand er sie den­noch für win­zig klein. Jetzt, nach­dem sie sich von Schock und Wut ei­ni­ger­ma­ßen er­holt hat­te, schim­mer­te ih­re Haut hell und zart. Ihr Haar war von ei­ner ei­gen­ar­ti­gen Fa­r­be, fast weiß, aber lang und glän­zend, wie er es ger­ne moch­te. Auch ih­re Klei­dung ge­fiel ihm: hau­t­en­ge dunk­le Jeans und ein grau­er Pul­li, der trotz des Roll­kra­gens mehr von ih­rer Fi­gur preis­gab als ver­hüll­te.

      Al­ler­dings ver­mied er es, ihr ein wei­te­res Mal in die Au­gen oder auf den Mund zu schau­en. Denn er be­merk­te, wie sehr ihn das ir­ri­tier­te. Und wenn er eins nicht woll­te, dann die Aus­sicht, sich noch ein­mal von ei­ner Frau ver­un­si­chern zu las­sen. Nein, er wür­de sich nie mehr mit ei­ner Frau ein­las­sen, die ihm den Kopf ver­dre­hen könn­te. Egal, ob El­fe oder Mensch.

      »Komm«, wie­der­hol­te er sich, »sie ma­chen sich schon Sor­gen um dich«, und brach­te sie zu­rück zu den an­de­ren.

      Ers­tens kommt es an­ders und zwei­tens als man denkt

      »Nein, Ma­ri­us, ha­be ich nicht!«, raunz­te Le­na in ihr Han­dy. Sie schritt im Zim­mer auf und ab, rieb sich ent­nervt die Stirn und blies die Wan­gen auf. »Pass auf, hör mir bit­te ein letz­tes Mal zu!« Sie hol­te tief Luft. »Ich. Will. Dich. Nicht. Mehr. Se­hen! Nie mehr! Es ist aus, ver­dammt noch mal! Ver­stehst du? Aus, aus, aus! Such dir ein an­de­res Op­fer, das du ner­ven und her­um­kom­man­die­ren kannst!«

      Sie stopp­te den Re­de­schwall, der un­auf­hör­lich aus ih­rem Han­dy trö­te­te, in­dem sie das Ge­spräch ein­fach weg­drück­te und das Te­le­fon dann aufs Bett wa­rf.

      »Gott, der Typ ist echt hart­nä­ckig!«, rief sie wild mit den Ar­men fuch­telnd aus. »Und so einen Idi­o­ten hab ich mal süß ge­fun­den. War ich da ei­gent­lich blind, oder was?«

      An­na hat­te ih­rer Schwes­ter still­schwei­gend zu­ge­hört. »Ich fand den nie so pri­ckelnd«, gab sie vor­sich­tig zu. »Er sieht zwar ziem­lich schnu­cke­lig aus, ist al­ler­dings eher ein Kotz­bro­cken, den­ke ich. Jens hat wirk­lich recht. Du kannst froh sein, dass du ihn ab­ser­viert hast.«

      »Sag das mal Ma­ri­us. He, der bil­det sich näm­lich ein, wir wä­ren noch zu­sam­men und er wür­de mich noch lie­ben. So ein gott­ver­damm­ter Schwach­sinn! Er will sich an­dau­ernd mit mir tref­fen.« Le­na sah ih­re Schwes­ter kum­mer­voll an. »Was, wenn er hier auf­taucht, An­na? All­mäh­lich krieg ich es mit der Angst zu tun. Der ist so ät­zend. An­dau­ernd bom­bar­diert der mich mit Te­le­fona­ten,