Agnes M. Holdborg

Sonnenwarm und Regensanft - Band 3


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ge­we­sen war.

      Ih­re auf­kom­men­den Trä­nen zu­rück­zwin­gend er­griff sie sei­ne Hand. »Vi­tus, nein, ich wer­de nicht ster­ben. Ich wer­de dein Kind, un­ser Kind, zur Welt brin­gen. Wir wer­den es ge­mein­sam groß­zie­hen. Bit­te, Vi­tus«, fleh­te sie ihn an, als er sich von ihr ab­wen­den woll­te. »Es ist ein Wun­der, wo ich doch im­mer dach­te, kei­ne Kin­der be­kom­men zu kön­nen. Lass mich nicht al­lein. Bit­te – Mar plij

      Kraft­los ließ sie sich auf einen Stuhl sin­ken, kämpf­te wei­ter­hin mit den Trä­nen und mit er­neut auf­stei­gen­der Übel­keit.

      ***

      Lo­a­nas schlech­te Ver­fas­sung und ih­re Trau­rig­keit hol­ten Vi­tus aus sei­ner düs­te­ren Pa­nik.

      End­lich re­gis­trier­te er ih­re Wor­te und setz­te sie im Kopf um: Sie wür­de ein Kind von ihm be­kom­men. Mei­ne Gü­te, er wür­de noch ein­mal Va­ter. Wahn­sinn! Blitz­schnell hob er sie hoch. »Du musst dich hin­le­gen, Lo­a­na, du brauchst Ru­he, viel Ru­he!« Doch dann konn­te er sich vor lau­ter Freu­de nicht mehr brem­sen und dreh­te sich mit ihr im Kreis. »Du kriegst ein Ba­by, Lo­a­na! Das ist fan­tas­tisch! Wir bei­den krie­gen ein Kind!«

      Als er sie glü­ck­lich an­sah, spür­te er deut­lich, dass sei­ne Dre­hun­gen ih­rem Ma­gen gar nicht gut­ge­tan hat­ten. »Oh ver­zeih, Ke­ned. Das war dumm von mir. Ich bring dich rasch nach oben.«

      In der Kü­chen­tür dreh­te er sich noch ein­mal über­schwäng­lich zu sei­nen Kin­dern um. Lo­a­na hat­te gro­ßes Glück, dass er ihr da­bei nicht vor lau­ter Über­mut den Kopf am Tür­rah­men an­s­tieß. »Äh, ich bring sie rauf. Wir se­hen uns spä­ter. Ach, und An­na, sag Sen­tran doch bit­te, er mö­ge all­mäh­lich mit dei­ner Schwes­ter ins Schloss hin­ein­ge­hen. Es ist bit­ter­kalt da drau­ßen. Auch die hei­ßes­ten Küs­se kön­nen sie vor dem Er­frie­ren nicht ret­ten.« Dann trug er sei­ne Ke­ned da­von.

      El­fen­tem­po

      An­na war ge­ra­de auf dem Weg zur Tür, als Le­na zur Kü­che her­ein­kam. »Ich war noch drau­ßen«, mein­te Le­na ver­le­gen.

      »Ich weiß«, ant­wor­te­te An­na staub­tro­cken.

      »Wir ha­ben nur …«

      »Ich weiß.«

      »Sen­tran küm­mert sich noch …«

      »… um Pan. Ich weiß.«

      »Um Him­mels Wil­len, An­na, wür­dest du bit­te nicht so selbst­ge­fäl­lig grin­sen und mal kurz mit mir raus­kom­men?«

      An­na sah Vik­tor an.

      »Du hältst dich ge­fäl­ligst aus un­se­ren Köp­fen raus. Ist das klar?«

      Vik­tor nick­te wohl­wol­lend, wo­bei sei­ne Lip­pen al­ler­dings ver­däch­tig zuck­ten, so, als ob er tap­fer ver­such­te, ernst zu blei­ben. Nach ei­nem kur­z­en miss­bil­li­gen­den Kopf­schüt­teln in sei­ne Rich­tung führ­te An­na ih­re Schwes­ter zur Bi­blio­thek.

      Sie be­ob­ach­te­te Le­na, wie die sich mit stau­nen­dem Ge­sicht in dem gro­ßen Raum mit den ho­hen Re­gal­wän­den vol­ler Bü­cher um­schau­te und da­bei fast ver­gaß, war­um sie ei­gent­lich her­ge­kom­men wa­ren. An­na er­in­ner­te sich, wie sie selbst zum ers­ten Mal die Bi­blio­thek be­wun­dert hat­te. Die rie­si­gen Fens­ter und Ober­lich­ter, aus de­nen das Licht ge­ra­de­zu her­ein­zu­stür­zen schien. Sie konn­te nach­voll­zie­hen, wie be­ein­druckt Le­na da­von war, be­sann sich al­ler­dings dar­auf, dass sie mit­ein­an­der re­den woll­ten, und sah ih­re Schwes­ter auf­for­dernd an. Trotz der vie­len be­que­men Ses­sel blie­ben sie ste­hen.

      »Wir ha­ben uns ge­küsst.«

      »Ich weiß, Le­na.«

      »An­na, ich weiß aber nicht! Ich weiß nicht, was mit mir los ist!«, platz­te es mit ei­nem Mal aus ihr her­aus. »Ich bin kom­plett ver­wirrt. Ich woll­te das doch gar nicht. Und dann … Es kam so über­ra­schend, war so be­rau­schend, un­glaub­lich! Es kann doch nicht sein, dass ich mich in ihn ver­liebt ha­be, oder? Ich hab ihn ge­ra­de erst ken­nen­ge­lernt. Das ist doch to­tal ver­rückt!«

      »Ist es das?«

      »An­na!« Le­na ver­schränk­te die Ar­me vor der Brust, lös­te sie aber so­fort wie­der und tipp­te mit dem Zei­ge­fin­ger ge­gen An­nas Schul­ter. »Wür­dest du mich jetzt bit­te ernst neh­men? Ich bin to­tal kon­fus und du machst dich auch noch lus­tig über mich.« Sie fass­te sich an die Stirn. »Was tue ich hier ei­gent­lich? Ich knut­sche drau­ßen in ei­nem el­fi­schen Schloss­park bei ei­si­ger Käl­te mit ei­nem rie­si­gen El­fen­mann her­um, bis ich nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht, und dann frag ich auch noch mei­ne klei­ne Schwes­ter um Rat.« Sie sah An­na an. »Das ist wirk­lich to­tal ver­rückt. Ich muss to­tal ver­rückt ge­wor­den sein. An­ders kann man das ja wohl nicht er­klä­ren.«

      »Na dan­ke«, gab An­na pat­zig zu­rück. »Dan­ke da­für, dass dir mein Rat viel­leicht ein­zig des­halb nicht ge­fal­len wird, weil ich nur dei­ne klei­ne Schwes­ter bin.« Mit in den Hüf­ten ge­stemm­ten Fäus­ten und be­lei­dig­ter Mie­ne blick­te sie Le­na er­bost an.

      »Ach, so war das doch gar nicht ge­meint. Ich will dei­nen Rat ja«, be­schwich­tig­te die sie. »Al­so, bit­te ant­wor­te mir. Kann es sein, dass ich mich in ihn ver­liebt ha­be? Denn ich füh­le mich ein­deu­tig so.« Sie lief to­ma­ten­rot an und schluck­te schwer. »Am liebs­ten wür­de ich jetzt gleich mit ihm … Na ja, du weißt schon.«

      »Ja, ich weiß. Und ich ver­ste­he dich.« An­na leg­te die Ar­me um Le­n­as Schul­tern. Da­bei schau­te sie ihr tief in die Au­gen. »Das liegt an ih­nen, Le­na, an den El­fen. Ver­steh mich bit­te nicht falsch. Du hast dich na­tür­lich nicht in Sen­tran ver­liebt, weil er ein El­fe ist. Aber die Ge­schwin­dig­keit, mit der das al­les pas­siert, das liegt ein­deu­tig dar­an, dass er ein El­fe ist. Bei El­fen geht näm­lich Al­les viel schnel­ler und ist noch da­zu in­ten­si­ver. Sen­tran hat dich so­zu­sa­gen mit sei­nem Tem­po an­ge­steckt. Jetzt musst du dich ent­schei­den, ob du die­ses Tem­po mit­ge­hen willst.«

      ***

      Er hat­te den Stall­bur­schen weg­ge­schickt. Der hat­te sich be­reits um Ari­el­la ge­küm­mert. Doch Sen­tran woll­te Pan nun selbst ver­sor­gen. Er moch­te die­ses Pferd und freu­te sich schon dar­auf, bald selbst ein solch ed­les kö­nig­li­ches Tier zu er­hal­ten. Das war al­ler­dings nicht der Grund, wes­halb er statt mit Le­na in die Schloss­kü­che lie­ber erst ein­mal in den Stall ge­gan­gen war. Nein, er muss­te sich un­be­dingt be­ru­hi­gen und ab­len­ken.

      Er füll­te Pans Fut­ter­trog und be­gann da­nach, das Pferd ab­zu­rei­ben und zu strie­geln, wäh­rend es fraß.

      »Sie ist viel zu zer­brech­lich für mich«, sprach er lei­se und strich über das schwa­r­ze Fell. »Ein Mensch.«

      Dann schwieg er. Ihm gin­gen die ver­gan­ge­nen wun­der­vol­len Mo­men­te, Le­n­as Küs­se, durch den Kopf. Er spür­te, wie sehr er sich zu Le­na hin­ge­zo­gen fühl­te, wie sehr er sich nach ihr ver­zehr­te.

      Sei­ne Stim­mung ver­düs­ter­te sich.

      … Er hat­te schon ein­mal so be­gehrt. Doch Kir­sa hat­te sich für die Ehe auf­spa­ren wol­len. Fünf lan­ge Jah­re! Fünf