Torben Stamm

Die skurrile Verwandtschaft des Friedrich K.


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      „Den Gang entlang und dann links. Die warten auf euch, könnt sie nicht verfehlen.“

      Die Polizei

      Das Gespräch fand in einem alten Büro statt, das aus einem massiven Schreibtisch und mehreren Aktenschränken bestand. Vor dem Schreibtisch standen zwei Stühle bereit. Hinter dem Schreibtisch saß ein dicker Polizist in Zivil, der einen billigen Anzug trug und schwitzte.

      „Setzen Sie sich“, sagte er neutral. Johannes und Friedrich kamen seiner Aufforderung nach und nahmen Platz.

      „Also“, begann der Mann. „Mein Name ist Heribert Dorfler. Ich leite die Untersuchung und versuche, mir gerade ein Bild von der Situation zu machen.“ Friedrich und Johannes nickten stumm.

      „Also: Kommen wir erstmal zu den Namen. Sie sind...?“

      Johannes antwortete als Erstes: „Ich bin Johannes Greder.“

      „Und Sie machen ein Praktikum in der PR-Firma, richtig?“

      „Genau.“

      „Aha. Und Ihr Name ist...?“

      Friedrich versuchte zu lächeln: „Mein Name ist Friedrich Kammers.“

      Dorfler zog die Augenbrauen zusammen: „Kammers?“, wiederholte er.

      „Ja?“

      „Mhmmm.“

      Dorfler schrieb sich etwas auf - offensichtlich mehr als nur den Nachnamen von Friedrich.

      „Haben Sie Verwandte in Köln?“, fragte Dorfler.

      „Nein. Doch. Also, ich wohne erst seit Kurzem hier, aber mein Opa wohnt hier. Habe aber soweit nichts mit ihm zu tun.“

      „Wie heißt Ihr Opa?“

      Friedrich wurde misstrauisch: „Was hat das mit dem Diebstahl zu tun?“

      „Bitte, beantworten Sie einfach meine Frage. Wie heißt Ihr Großvater?“

      Friedrich war noch immer verwirrt, aber er antwortete: „Bernd Kammers.“

      „Mhmmmm. Ich vermute mal, mütterlicherseits?“

      „Ja. Hören Sie, ich verstehe nicht, was das alles mit dem Fall zu tun hat.“

      Dorfler machte eine wegwerfende Handbewegung. Keine sehr aussagekräftige Erklärung.

      „Also: Was haben Sie denn von dem ganzen Verbrechen mitbekommen?“, fragte er stattdessen.

      „Naja. Nicht viel“, sagte Johannes. „Wir sind zu dem Bild, das zerschnitten wurde, als da jemand geschrien hat. Dann sind wir zu dem anderen Bild gegangen, als dort geschrien wurde. Im Grunde waren wir immer zu spät.“

      „Haben Sie Kontakt zu Ihrem Großvater?“, fragte Dorfler, ohne auf Johannes einzugehen.

      „Bitte?“, fragte Friedrich perplex.

      „Haben Sie Kontakt zu Ihrem Großvater? Sie sind zwar nur ein einfacher Praktikant, aber ich denke doch, Sie verstehen die Frage inhaltlich, oder?“

      „Hey! Das ist...“

      „Jaja. Also: Ich warte auf eine Antwort.“

      Friedrich dachte nach. Dann sagte er: „Ich denke, die Frage hat absolut keinen Bezug zum vorliegenden Fall. Ich möchte sie daher nicht beantworten.“

      Dorfler beugte sich nach vorne. Friedrich konnte sehen, wie sich feine Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten: „So, Sie wollen die Frage nicht beantworten. Wird zu Protokoll genommen.“ Er grinste gehässig. „Dann sind Sie fürs Erste entlassen.“

      Rückweg I.

      Johannes lenkte seinen alten Renault Twingo durch die Kölner Innenstadt.

      „Verdammte Scheiße, was war das denn für eine Aktion? Warum pisst du die Bullen an?“

      „Ey! Das waren Fragen, die den absolut nichts angingen.“

      „Aber das war voll unnötig. Ich meine, hätte es dir wehgetan, ihm eine Antwort zu geben?“

      „Nein“, gab Friedrich zu und schaute aus dem Beifahrerfenster. „Aber das ist nicht richtig.“

      „Was ist denn mit deinem Opa?“

      „Keine Ahnung. Habe nie was von ihm mitbekommen. Hat für irgendeine Firma gearbeitet und war immer unterwegs. Muss aber ziemlich gut verdient haben, denn an Weihnachten und zum Geburtstag haben wir immer Unmengen an Geschenken bekommen. Hat meinen Vater dann aufgeregt.“

      „Warum?“

      „Er hätte es besser gefunden, wenn er sich persönlich eingebracht hätte. Keine Ahnung, eigentlich ist er mir egal. Deswegen habe ich ihn auch noch nicht besucht, seit ich in Köln bin. Meine Mutter nervt mich immer damit.“

      „Vielleicht solltest du da morgen mal vorbeifahren.“

      „Mal sehen.“

      Rückweg II.

      Dorfler saß mit seinem Partner Gerard im Wagen.

      „Der Enkel vom Kammers war da“, sagte er, während er sich vor ein Auto drängelte.

      „Bernd Kammers?“, fragte Gerard ungläubig.

      „Mhmmm“, machte Dorfler bestätigend.

      „Wir haben ewig nichts mehr von ihm gehört. Hält sich bedeckt.“

      „Ist auch besser so.“

      Besuch

      Friedrich stieg aus der U-Bahn aus. Er war morgens pünktlich in der Firma gewesen, allerdings hatte man ihm mitgeteilt, dass heute alle Termine abgesagt seien. Er solle nach Hause gehen, aber telefonisch erreichbar sein für den Fall, dass die Polizei Rückfragen habe.

      Friedrich hatte die Gelegenheit ergriffen, sich auf den Weg zu seinem Opa Bernd zu machen.

      Er lief eine knappe Viertelstunde durch mehrere Nebenstraßen, bis ihn sein Handy-Fußgänger-Navi zu einem alten Haus führte, das von einem morschen, hölzernen Zaun umgeben war. Friedrich musterte das Haus: „Baufällig“, schien noch nicht zuzutreffen, aber es war eher eine Frage von Wochen als von Monaten, bis man diese Beschreibung würde anwenden können, ohne zu übertreiben.

      Er öffnete das Holztor und ging langsam zur Haustür. Über dem Klingelknopf war eine Metallplatte angebracht, auf der „B. Kammers“ stand. Friedrich drückte auf den Klingelknopf. Eine alte Glocke dröhnte durch das Haus.

      Es dauerte etwas, dann hörte Friedrich Schritte.

      „Wer ist da?“, fragte eine alte Männerstimme dumpf durch die Tür.

      „Mein Name ist Friedrich Kammers. Ich bin dein Enkel aus Münster.“

      Friedrich hörte, wie die Tür aufgeschlossen wurde. Dann schwang die Tür auf. Friedrich riss die Augen auf: Vor ihm stand der alte Mann aus der Kunstausstellung.

      ***

      „So, Sie sind also doch mal hergekommen“, sagte Opa Bernd und stellte einen Kaffeebecher vor Friedrich auf den Küchentisch.

      „Ja“, sagte Friedrich verunsichert. „Ich...hatte keine Zeit. Also...“

      Opa Bernd setzte sich stöhnend auf den gegenüberliegenden Stuhl. Seine Hände umfassten den Kaffeebecher: „Milch habe ich leider nicht. Auch keinen Zucker.“

      „Schon gut“, sagte Friedrich und nahm einen vorsichtigen Schluck. „Passt schon“, sagte er, wobei er sich nicht sicher war, ob er die schwarze Flüssigkeit würde austrinken können.

      „Warum