Torben Stamm

Die skurrile Verwandtschaft des Friedrich K.


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bin überfallen worden. Sehr unschöne Sache. Ich habe ja gesagt, dass ich nur U-Bahn fahre. Ich war abends in der Kneipe, weil der FC gespielt hat. Derby! Hat gegen die verdammten Fohlen ordentlich Prügel kassiert. Auf jeden Fall habe ich aus Frust ein paar Kölsch zu viel gehabt und das haben sich ein paar Kerle zunutze gemacht. Dorfler sollte den Fall bearbeiten, allerdings hat er nur das Nötigste getan und die Kerle natürlich nicht bekommen. Hat mir unterstellt, ich wäre ein alter Säufer und wäre selbst schuld gewesen.“

      Friedrich sah seinen Opa misstrauisch an: Die Geschichte wirkte nicht sehr glaubhaft, allerdings kannte er diesen Mann nicht und er hatte keine Ahnung, was der Alte in seiner Freizeit so trieb.

      „Und das war so wichtig, dass Sie jetzt hier auftauchen mussten?“

      „Sie sind mein Enkel und ich war in der Gegend.“

      „Spielt wieder der FC und Sie waren in der Kneipe?“

      Opa Bernd erhob sich: „War wohl ein Fehler. Wollte nur helfen.“ Er verließ das Wohnzimmer und ging zur Haustür. Hier blieb er stehen und drehte sich zu Friedrich um, der ihm gefolgt war.

      „Seien Sie vorsichtig“, sagte Bernd. „Passen Sie auf, was Sie bei Dorfler sagen und machen. Geben Sie ihm nichts Schriftliches. Auch wenn es noch so unwichtig zu sein scheint, er wird es gegen Sie benutzen, wenn er kann.“ Damit drehte er sich um, öffnete die Tür und verschwand. Friedrich machte sich nicht die Mühe, so zu tun, als würde er ihn aufhalten wollen. Er schloss einfach die Tür hinter ihm. Dann ging er nachdenklich wieder ins Wohnzimmer zurück.

      Arbeitsaufnahme

      „Dein Opa hat voll den Schuss weg“, sagte Johannes lachend, als Friedrich ihm vom Vorabend erzählte. „Wärst mal besser mitgekommen. Ich war im Fitnessstudio und habe ordentlich was weggedrückt.“ Sie saßen im Büro und schoben Akten von links nach rechts. Die Firma hatte die Arbeit wieder aufgenommen, allerdings herrschte nicht gerade eine euphorische Arbeitsstimmung.

      Friedrich gähnte: Er war müde und genervt. „Dorfler schien mir komisch zu sein, aber ich denke, das war es dann auch. Halt Polizei“, sagte er.

      Es klopfte an der Tür, dann schwang sie unmittelbar auf: Nauz betrat das Büro, gefolgt von Kommissar Dorfler: „Guten Morgen“, sagte Dorfler höflich. Er stellte sich neben den Türrahmen. Zwei Streifenbeamten betraten das Büro und machten sich daran, es zu durchsuchen.

      „Was soll das?“, fragte Johannes. Friedrich war sprachlos: Warum wurde ihr Büro durchsucht?

      „Meine Herren, alles reine Routine“, sagte Dorfler. Nauz starrte auf den Boden. Friedrich fiel auf, dass sein Chef trotz des kühlen Wetters draußen schwitzte. Dorfler transpirierte sowieso.

      Einer der Beamten wandte sich an Friedrich: „Darf ich mal bitte?“, fragte er. Friedrich stand auf und stellte sich neben den Schreibtisch. Der Beamte setzte sich auf den Stuhl und begann, die Schreibtischschubladen durchzusehen.

      „Herr Kommissar, möchten Sie sich das mal ansehen?“, fragte er schließlich. Dorfler ging zu ihm.

      „Hier“, sagte der Beamte und wies auf etwas in der Schublade, was Friedrich nicht erkennen konnte.

      „Interessant“, sagte Dorfler und griff in die Schublade. Er brachte einen einzelnen grünen Umschlag zutage und hielt ihn hoch: „Sieht aus wie jener Umschlag, den wir bei dem Bilderrahmen gefunden haben.“

      Friedrich wurde schwindelig.

      „Herr Kammers, was sagen Sie dazu?“, fragte Dorfler.

      „Ich... Das... Ich weiß nicht, das ist nicht von mir.“

      „Das ist Ihr Schreibtisch?“

      „Ja, aber...“

      „Und Sie arbeiten seit wann genau hier?“

      „Seit zwei Monaten ungefähr.“

      „Teilen Sie sich den Schreibtisch mit jemandem?“

      „Nein.“

      Dorfler reichte den Umschlag dem Beamten. Dabei sagte er förmlich zu Friedrich: „Ich würde Sie bitten, uns aufs Revier zu begleiten. Ich denke, es haben sich ein paar Fragen ergeben, die wir in Ruhe besprechen sollten.“

      Verhör

      Friedrich saß im Verhörraum und wartete auf die Polizei. Der Raum bestand aus tristen, grauen Wänden, einem Tisch, der am Boden festgeschraubt war und vier Stühlen.

      Friedrichs Gedanken rasten, sein Hirn versuchte, alle Informationen zu fassen und in eine schlüssige Reihenfolge zu bringen. Bisher leider ohne Erfolg. Er kam immer wieder bei Opa Bernd raus, der ihn vor Dorfler gewarnt hatte. Die Geschichte mit dem Überfall an der U-Bahn war gelogen, da war sich Friedrich inzwischen sicher. Es gab eine Verbindung zwischen beiden Männern und es sah fast so aus, als würde diese alte Geschichte gerade dazu führen, dass Dorfler ihn, Friedrich, versuchte hinter Gitter zu bringen.

      Die Tür öffnete sich. Ein elegant gekleideter Mann betrat den Raum.

      „Guten Tag“, sagte er freundlich. „Mein Name ist Schmidt. Ich bin Ihr Anwalt.“ Friedrich war noch verwirrter: „Ein Anwalt? Ich brauche keinen Anwalt, ich habe nichts getan. Und ich habe Sie nicht angerufen.“

      Schmidt lächelte mild. Er war Mitte fünfzig und offensichtlich sehr erfahren: „Ihr Großvater hat mich angerufen und mir mitgeteilt, dass Sie Unterstützung benötigen. Glauben Sie mir: Sie sollten sie annehmen.“

      Die Tür öffnete sich erneut und Dorfler betrat mit seinem Kollegen Gerard den Raum.

      „Nachdem wir alle eingetroffen sind, können wir ja beginnen“, sagte Dorfler. Alle nahmen Platz.

      „Also, Herr Kammers. Ich stelle fest, dass wir in Ihrem Büro einen Umschlag gefunden haben, der dem entspricht, den der Täter am Tatort zurückgelassen hat. Wir haben inzwischen die gesamte Firma durchsucht: Es gibt dort sonst keinen einzigen Umschlag dieser Art! Nur den, der in IHREM Schreibtisch lag.“

      „Ich...“, setzte Friedrich an, aber Schmidt unterbrach ihn: „Mein Mandant hat bereits klargestellt, dass er den Umschlag vorher nicht gesehen hat.“

      „Es ist sein Schreibtisch.“

      Schmidt lächelte: „Es ist der Schreibtisch der Firma, für die er arbeitet. Der Schreibtisch steht in der Firma in einem Büro, das nicht abgeschlossen ist und zu dem mein Mandant keinen Schlüssel besitzt.“

      Friedrich war erstaunt, was sein Anwalt alles wusste, aber er hatte Recht: Die Firma wollte den Praktikanten möglichst nachhaltig vermitteln, dass sie nichts zu melden hatten. Daher das schäbige Büro, in dem man noch nicht mal etwas Persönliches liegen lassen konnte, da man die Tür nicht abschließen konnte.

      „Dadurch“, fuhr Schmidt fort, „hätte jeder den Umschlag in besagtem Schreibtisch der Firma deponieren können, an dem nun mal zufällig mein Mandant seine Arbeit erledigt. Übrigens sehr zuverlässig, wie ich hervorheben möchte.“

      Dorfler wurde rot vor Wut.

      „Sie wissen so gut wie ich, dass der Umschlag vor Gericht absolut nichts wert ist“, schloss Schmidt ab.

      „Ihr Mandant hat ein Motiv!“, presste Dorfler hervor.

      „Ja? Welches denn? Ich bin sehr intelligent, aber ich konnte leider keines erkennen.“

      Dorfler setzte ein triumphierendes Grinsen auf: „Friedrich Kammers hasst die Firma. Er ist nur ein Praktikant, der ausgenutzt wird. Das hat ihn so aufgeregt, dass er beschlossen hat, der Firma eins auszuwischen und den Diebstahl zu organisieren.“

      „Jetzt ist er also nicht nur der Tipp-Geber, sondern auch der Kopf hinter einem gut geplanten Kunstdiebstahl? Das hört sich in meinen Ohren nicht nur ein bisschen weit hergeholt an. Da bin ich aber sonst besseres von Ihnen gewohnt, Herr Dorfler.“

      Es