Torben Stamm

Die skurrile Verwandtschaft des Friedrich K.


Скачать книгу

bringen, dann wissen es alle.“

      „Dann kannst du es mir ja auch jetzt sagen, oder?“

      „Kann ich“, stimmte Bernd zu. „Allerdings verstehe ich noch nicht ganz, was der Inhalt zu bedeuten hat.“

      „Jetzt mach es nicht so spannend.“

      Bernd blätterte weiter und zeigte auf ein Foto: „Es war ein Foto von dem Bild darin.“

      Friedrich verzog das Gesicht: „Ich hätte jetzt aber mit etwas mehr gerechnet. Das ist doch...Was soll das denn sein?“

      „Das ist eine Spur“, sagte Bernd. „Sieh dir das Bild genau an. Was siehst du da unten?“

      Friedrich kniff die Augen zusammen: „Ein Stück Holz?“

      „Das ist eine Staffelei“ sagte er ernst. „Das Foto wurde aufgenommen, kurz nachdem das Bild im Atelier fertiggestellt wurde. Das bedeutet, der Dieb hat die Sache schon lange geplant und er hatte Zugang zum Atelier.“

      Friedrich zog sich nun doch seine Tasse Kaffee heran und nahm einen tiefen Schluck von dem abgerauchten Getränk: „Und“, fragte er anschließend, „was ist die Spur dahinter?“

      „Wir müssen herausfinden, wie es der Dieb geschafft hat, dieses Foto zu machen. Vielleicht wird das Atelier videoüberwacht oder so.“

      „Wir? Wir müssen das HERAUSFINDEN?“ Friedrich schüttelte energisch den Kopf. „Wir sind doch nicht von der Polizei. Ehrlich gesagt möchte ich mit der ganzen Sache so wenig zu tun haben, wie es nur irgendwie geht.“

      Bernd wirkte verärgert: „Du kannst dich gerne auf die Polizei verlassen. Aber die halten dich für den Dieb und werden nur neue Spuren suchen, die dich belasten. Der Typ, der das Ganze geplant hat, hat dir belastende Materialien untergeschoben.“

      „Materialien? Mehrzahl?“

      „Bis jetzt wissen wir nur von einer Sache. Aber ich denke, er hat schon gemerkt, dass sein Plan nicht aufgegangen ist. Warum sollte er dich jetzt vom Hacken lassen? Die Polizei hält dich für den Dieb.“

      „Aber das ist doch idiotisch! Ich habe damit nichts zu tun!“

      „Das ist egal. Ich würde jede Wette eingehen, der Kerl versucht, neue Beweise zu fingieren. Von daher...“

      Friedrich sackte in sich zusammen: „Das ist doch unfair“, sagte er leise. „Ich wollte doch nur arbeiten und so.“

      Bernd schaute seinen Enkel an. Er überlegte: Was sollte er tun? Ihm die Hand auf die Schulter legen? Er war nicht so gut in solchen Dingen. Er konnte planen, wie man etwas Geklautes durch die halbe Welt schmuggelte und dann verkaufte, aber diese Enkel-Opa-Kiste hier?

      „Das wird schon“, sagte er leicht verkrampft. „Die hatten schon mehr gegen mich in der Hand und es hat nicht geklappt. Also: Wir sollten absprechen, was wir als Nächstes machen.“

      Der Abend

      Dorfler drückte auf den Schlüssel seines Wagens und der Volkswagen blinkte auf um anzuzeigen, dass er nun geöffnet war. Dorfler öffnete die Fahrertür und wuchtete seinen massigen Körper auf den Sitz. Nachdem er den Motor gestartet hatte, drückte er auf einen Knopf, um die Klimaanlage einzuschalten: „Scheiße“, schimpfte er. Ihm war dauernd warm.

      Die Beifahrertür wurde geöffnet.

      „Hey, was soll die Scheiße?“, schimpfte Dorfler. Ein Mann in maßgeschneidertem Anzug setzte sich auf den Beifahrersitz und schloss die Tür. „Fahren Sie los, Dorfler!“, befahl er.

      „Einen Scheiß werde ich. Verpissen Sie sich aus meinem Wagen oder ich stecke Sie in den Knast!“ Dorfler musterte den Mann: Der Wagen stand in der Tiefgarage des Polizeireviers. Wie kam dieses Arschloch hier herein? Er kannte den Kerl nicht - der ihn aber offensichtlich schon. Eine Tatsache, die Dorfler als sehr bedenklich empfand.

      „Wenn Sie mich anpacken, stecke ich Sie ganz woanders hin.“ Der Mann griff in seine Manteltasche. Dorfler zuckte zusammen: Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an.

      „Ganz ruhig“, stellte der Mann klar und hielt ihm einen Ausweis unter die Nase, allerdings nicht lang genug, um den Namen lesen zu können. Dann steckte er ihn wieder ein.

      „Jetzt fahren Sie schon“, wiederholte der Mann seine ursprüngliche Forderung. Dorfler legte den Rückwärtsgang ein und fuhr vorsichtig nach hinten.

      „Was wollen Sie von mir?“, fragte er.

      „Gleich. Fahren wir erstmal ein bisschen Spazieren.“

      „Ich will nicht blöde durch die Gegend fahren!“, maulte Dorfler.

      „Egal was Sie tun: Blöde machen Sie es sowieso. Also können Sie auch fahren.“

      Dorfler stand der Mund offen: Das war doch ungeheuerlich! Er erreichte die Ausfahrt und fuhr eine steile Rampe hoch. Der Wagen passierte eine Lichtschranke und das Tor glitt nach oben.

      Dorfler fädelte in den Verkehr ein: „Wohin?“, fragte er.

      „Mir egal.“

      Dorfler schwamm im Verkehr mit. Es dauerte eine Weile, dann sagte der Mann: „Ich bin hier, um Ihnen eine Botschaft zu überbringen.“

      Wie dramatisch!

      „Wir möchten, dass Sie Ihre Ermittlungen gegen Bernd und Friedrich Kammers einstellen.“

      „Ich soll was?“ Dorfler hätte fast den Wagen verrissen, als er den Mann entgeistert anstarrte.

      „Schauen Sie nach vorne.“

      Dorfler versuchte sich wieder auf den Verkehr zu konzentrieren: „Was geht es Sie an, gegen wen ich ermittle?“

      „Egal wie die Aktenlage ist: Kammers ist unschuldig.“

      Dorflers Denkapparat lief auf Hochtouren: Warum schützten die ihn? Was hatten sie für ein Interesse an einem alten kriminellen Rentner und seinem Enkel?

      „Ich kann die Ermittlungen nicht stoppen, selbst wenn ich es wollen würde - was ich nicht will. Die Beweise sprechen gegen Kammers.“

      „Sie wissen genau, wie man eine Ermittlung verschleppt. Ob beabsichtigt oder nicht - Sie haben in der Vergangenheit schon oft genug eine Ermittlung so geführt, dass sie versandet ist. Nutzen Sie dieses Talent.“

      Dorfler kochte: „Sie sind ein scheiß beleidigender Mistkerl!“

      Der Mann starrte aus dem Fenster: „Es ist lustig, wenn sich jemand über schlechtes Benehmen beschwert und dabei mehr Schimpfwörter benutzt als ein Obdachloser unter einer Brücke im Vollsuff.“

      Dorfler atmete tief ein und ließ die Luft langsam wieder aus seiner Lunge entweichen.

      „Lassen Sie mich hier raus.“

      Dorfler schaute zur Seite: Sie befanden sich mitten auf der Aachener Straße.

      „Hier?“, fragte er. „Sicher?“

      „Hätte ich Sie sonst darum gebeten?“

      Dorfler schaltete das Warnblinklicht ein und brachte den Wagen langsam zum Stehen. Ein Auto hinter ihm hupte.

      „Fahr doch vorbei!“, schimpfte Dorfler und gestikulierte mit den Armen. Der Wagen fuhr an ihm vorbei. Der junge Mann am Steuer zeigte Dorfler den Mittelfinger.

      „Wichser“, nuschelte Dorfler.

      „Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Kammers in Ruhe lassen. Wenn Sie sich an meine Anweisungen nicht halten, komme ich wieder. Aber dann bitte ich nicht mehr so freundlich darum.“ Er stieg aus. Hinter Dorflers Wagen hielt ein schwarzer Mercedes. Der Mann stieg auf der Beifahrerseite ein und der Wagen fuhr sofort wieder an. Als der Wagen an Dorfler vorbeifuhr, versuchte dieser etwas zu erkennen: Ohne Erfolg. Die Scheiben waren verspiegelt.

      „Oh Mann“, stöhnte Dorfler und schloss die Augen. „Was