Torben Stamm

Die skurrile Verwandtschaft des Friedrich K.


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durch den dichten Verkehr schoben. „Das wäre sehr viel schneller gegangen.“

      „Wir wissen doch gar nicht, was auf uns zukommt, wenn ich das richtig verstanden habe. Da sollte man flexibel sein.“

      Sie hatten einen Schlachtplan erstellt, dann war Friedrich mit der Bahn nach Hause gefahren, hatte seinen Wagen geholt und war wieder zu seinem Opa gefahren.

      „Sehr flexibel.“ Bernd starrte auf das Meer der Bremslichter vor ihnen. „Ich fahre immer mit der Bahn!“

      „Ja, und jetzt mit dem Auto! Wenn es dir nicht passt, kannst du aussteigen und zu Fuß laufen.“

      „Ich habe schonbmal gesagt, du sollst nicht so frech sein. Ansonsten war es das mit dem DU.“

      „Mir egal.“

      „So, das war es: Wir siezen uns wieder. Bitte, machen Sie doch die Heizung etwas wärmer.“

      Friedrich warf seinem Opa einen genervten Blick zu, dann drehte er an einem Regler: „Das mache ich doch gerne für DICH.“

      „Für SIE.“

      „Das ist doch lächerlich. Ich werde dich duzen.

      „Ich werde Sie siezen. Ich lasse mir das DU doch nicht aufzwängen.“

      Friedrich schaltete das Radio ein und drehte die Musik laut.

      „Es ist mir egal, wenn Sie die Musik so laut machen“, sagte Bernd. Er fummelte an seinem Ohr: „Ich mache jetzt mein Hörgerät aus. Für mich ist dieser Krach dann normale Lautstärke. Sie aber haben spätestens in zehn Minuten Kopfschmerzen und bei dem Verkehr brauchen wir bestimmt noch eine Stunde.“

      Friedrich drehte die Musik ein Stückchen lauter.

      Eine Stunde später hatten sie ihr Ziel erreicht. Friedrich schaltete den Motor ab. Es wurde ruhig im Wagen: „Sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte er.

      Bernd fragte: „Was?“

      „Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“

      „Was?“ Bernd fummelte an seinem Ohr: „Was?“

      „Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“ Friedrich bemühte sich, ruhig zu bleiben.

      „Ja, wir sind richtig. Gleich kommt, mein Kontakt. Wir müssen kurz warten.“ Bernd zog eine Taschenuhr aus der Hosentasche und warf einen Blick darauf: „Gleich zehn Uhr. Er ist immer pünktlich.“

      „Du trägst eine Taschenuhr?“, fragte Friedrich belustigt.

      „Was dagegen?“

      „Nein.“

      „Der kann wenigstens nicht der Saft ausgehen.“

      Friedrich schaute aus dem Fenster: Sie standen in einer ruhigen Straße. Die Häuser waren groß, die Grundstücke meistens von hohen Zäunen oder Mauern umgeben.

      Ein Transporter fuhr in die Straße und parkte hinter Friedrichs Wagen.

      „Na also“, sagte Bernd zufrieden und öffnete die Beifahrertür. Friedrich folgte ihm.

      Der Transporter wirkte, als wäre er direkt von einer Baustelle hierher gefahren. Dreckig und verbeult wirkte er eher wie ein großer Haufen Schrott und nicht wie ein fahrbarer Untersatz.

      Bernd ging am Wagen vorbei und klopfte hinten an die Wagentür: „Hallo?“, rief er. Die Tür öffnete sich. Bernd kletterte in den Wagen. Das Ganze wirkte etwas unsicher, aber der Mann war ja auch schon verdammt alt. Friedrich blieb unsicher stehen: Sollte er auch in den Wagen klettern? Er wirkte nicht gerade vertrauenserweckend. Bernds Kopf erschien in der Wagentür: „Brauchen Sie eine Extraeinladung?“

      Friedrich schüttelte den Kopf und kletterte ebenfalls in den Wagen. In seinem Inneren brannte kein Licht. Schwaches Licht fiel von der Straße auf den Boden.

      „Mach die Tür zu“, zischte eine Stimme. Friedrich gehorchte und schloss die Tür. Kurz darauf flammte Licht auf.

      Das Innere des Vans war mit Technik vollgestopft. „Ach du Scheiße“, entfuhr es Friedrich. „Was ist das denn?“

      Vor einem riesigen Bildschirm saß ein Mann, der noch älter als Opa Bernd war. Er drückte auf verschiedenen Tasten und Knöpfen herum und der Bildschirm vor ihm schaltete sich ein.

      „Hallo Gustav“, sagte Bernd und gab dem Alten die Hand. „Das ist mein Enkel. Was macht die Pumpe?“

      „Der geht es besser als dem Rest, bei den ganzen Ersatzteilen, die die inzwischen verbaut haben. Warum machst du so einen Stress?“

      Bernd wurde ernst: „Ich würde dich nicht so hetzen, wenn es nicht sein müsste.“

      Friedrich hatte seine Sprache wiedergefunden: „Wer sind Sie?“

      Gustav wandte sich an Friedrich: „Hab schon gehört, dass du was langsam da oben bist.“ Er tippte sich an die Stirn. „Nenn mich Gustav, mehr musst du nicht wissen.“

      „Haben Sie... Der Wagen...“ Friedrich war verwirrt.

      „Du meinst, wie der Wagen gefahren ist? Das ist mein großes Geheimnis. Geht dich nichts an.“ Gustav deutete auf eine Kiste, die am Boden stand: „Verkabelt euch.“

      „Was...?“, fragte Friedrich.

      Gustav wandte sich an Bernd: „Du hast gesagt, dein Enkel wäre etwas dämlich, aber ich glaube, du hast mich belogen.“ Er drückte auf einen Knopf: „Komm doch mal bitte rüber und hilf mir hier.“

      Friedrich hörte, wie die Fahrertür sich öffnete und wieder geschlossen wurde. Dann öffnete sich die rückwärtige Tür kurz, um ebenfalls schnell wieder geschlossen zu werden.

      „Hallo!“ Friedrich starrte eine junge Frau an, die offensichtlich asiatische Züge hatte. Ihre mittellangen Haare waren schwarz. Sie lächelte sanft.

      „Mein Name ist Yu“, sagte sie freundlich.

      „Das muss er nicht wissen“, schnauzte Gustav. „Hilf dem Idioten und Bernd lieber beim Funk.“

      Yu wandte sich an Friedrich: „Sie dürfen ihm nicht böse sein. Er meint es nicht so.“ Friedrich hatte den Eindruck, dass ihm in letzter Zeit dauernd Frauen sagten, dass die alten Männer sich zwar ätzend benahmen, es aber gar nicht so meinten. Yu ging zur Kiste und holte einen Haufen Technik hervor. Dann begann sie, zunächst Bernd zu verkabeln.

      „Was ist das alles?“, wollte dieser wissen.

      „Ach, nichts Besonderes“, sagte Yu. „Das auf ihrem Kopf ist eine kleine, aber sehr gute Kamera, sodass wir hier im Wagen alles sehen, was Sie auch sehen. Dann bekommen Sie noch einen Kopfhörer und ein Mikrofon, damit wir miteinander sprechen können.“

      Friedrich verstand absolut gar nichts mehr: „Wofür brauchen wir das alles denn? Ich dachte, wir treffen einen deiner Kontakte und bekommen neue Informationen.“

      Bernd warf seinem Freund einen entschuldigenden Blick zu: „Tja“, sagte er an seinen Enkel gewandt, „das ist etwas verkürzt: Wir haben gerade meinen Kontakt getroffen und wir bekommen auch neue Informationen. Aber die Informationen bekommen wir nicht von dem Kontakt, sondern der hilft uns nur, sie uns selbst zu besorgen.“

      „Und wo sollen wir die herbekommen?“

      „Aus dem Atelier von Grenadier.“

      „Aus dem Atelier?“

      Gustav warf ein: „Junge, du wirkst ohnehin schon wie ein Idiot. Wenn du wiederholst, was andere sagen, machst du es nur schlimmer. Das meine ich echt nicht böse, aber manchmal hilft ja eine Rückmeldung von einem Außenstehenden.“ Sein höhnisches Grinsen deutete darauf hin, dass sein Kommentar nicht ganz so freundlich gemeint war, wie er versuchte zu suggerieren.

      Friedrich sagte verärgert: „Halten Sie sich da raus.“ Er schaute seinen Opa an: „Du willst da einbrechen?“

      „Ich würde