Michael Schwingenschlögl

Märchenstunde


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alle anderen an seiner Seite und er war sich nicht dafür zu schade, auch einmal die Drecksarbeit zu übernehmen. Jeder mochte ihn, als fröhlicher und ehrlicher Mensch war er bekannt und beliebt. Doch auch er konnte ganz andere Saiten aufziehen lassen und zögerte nicht eine einzige Millisekunde, wenn es darum ging, dem Feind die stählerne Klinge in die Eingeweide zu rammen. Corin sollte eines Tages seinen Vater beerben und er war auf einem guten Weg dorthin, allerdings war Corin irgendwie noch nicht zur Gänze erwachsen und musste noch einiges Lernen. Nicht was den Kampf an sich betraf, da konnten ihm nur wenige das Wasser reichen und er besaß auch großartige Führungsqualitäten, aber er war sehr emotional und handelte oft nach seinem Herzen und nicht nach seinem Verstand. Dennoch war er einer der besten Männer seines Vaters und jeder seiner Kameraden konnte sich auf ihn verlassen. Ihm fehlte eben noch der letzte Schliff, das lag vermutlich auch an seinem jungen Alter. Corin war eben Corin, ihr werdet ihn noch genau kennenlernen, dann wisst ihr, was ich meine.

      Nevin war da komplett anders, kein Kämpfer, aber dafür ein Tüftler, ein Stratege, ein Analytiker, nicht nur ein Genie, was das Militärwesen betraf, sondern auch in den Naturwissenschaften. Der Sheldon Cooper der damaligen Zeit. Mit nur 16 Jahren schloss er die Markus von Losjaveg Universität in Wickenheim ab, die beste Universität des ganzen Landes. Eine sündteure Privatuniversität, mit der die staatlichen Universitäten nicht einmal ansatzweise mithalten konnten. Ja, sogar die kaiserliche Universität in der Kaiserstadt schnitt gegen die Markus von Losjaveg Universität grottenschlecht ab.

      Warum, fragst du mich?

      Na ganz einfach, mein Freund mit dem netten Hipsterbart. An den staatlichen Akademien, wie es die kaiserliche Alma Mater nun einmal war, durfte sich auch das Proletariat weiterbilden. Kaiser Hieronymus veranlasste in seiner Bildungsoffensive, dass 25% der Studierenden aus den unteren Gesellschaftsschichten stammen und diese für ihr neuerworbenes Wissen auch nichts entrichten mussten. Also ein Teil des Pöbels konnte gratis studieren, so ähnlich wie bei uns in Österreich.

      Genau deswegen war die Situation an den staatlichen Universitäten dann genau so beschissen, wie sie in unserem schönen Land nun einmal ist. Aber vielleicht nicht ganz so beschissen, denn Bildungsflüchtlinge, wie wir sie hier zum Beispiel aus Deutschland haben, gab es nicht. Hieronymus war schlauer als unsere Wichtigtuer im Parlament und untersagte den ausländischen Lebewesen das Studieren an seinen Hochschulen.

      Dennoch war zu viel an ihnen los, es mangelte an Personal und Räumlichkeiten und dadurch, dass 25% der Studenten keine Gebühren zahlen mussten, kam auch weniger Zaster in die Kassa.

      Das Niveau sank und sank und die gehobenen Klassen wollten sich das nicht mehr länger antun und gingen auf Privatuniversitäten. Mehr Leute dort bedeuten wieder weniger zahlende Kunden auf den staatlichen Unis und das Niveau sank dort erneut. Ein Teufelskreis.

      Da Pero nur das Beste für seinen letztgeborenen Sohn wollte, schickte er ihn eben nach Wickenheim, das wie gesagt, das beste Haus im ganzen Kaiserreich war und Nevin wurde dessen jüngster Absolvent.

      Da war der Papa stolz, das könnt ihr mir glauben. Hätte es damals schon Autos gegeben, dann hätte der Bub mit Sicherheit eines zur Sponsion bekommen. Einen schicken Corsa zum Beispiel! Oder hätte ihm sein Vater gar einen 3er Golf geschenkt?

      Wir werden es niemals erfahren, was wir aber stattdessen wissen ist, dass Nevin ein schlauer Kerl war und nach seinem Abschluss sofort von seinem Vater engagiert wurde. Mit Beziehungen konnte man eben auch schon in längst vergangen Zeiten die besten Jobs erlangen.

      Unser Freund Nevin war ein viel beschäftigter Mann in der Armee seines Vaters. Er forschte mit den Wissenschaftlern und Alchemisten, konstruierte neue Waffen, Katapulte und andere Kriegsmaschinen und aufgrund seiner speziellen Fähigkeit, alles glasklar analysieren zu können, schickte ihn sein Vater oft zu diplomatischen Verhandlungen mit und setzte ihn in der Planung ein. Nur kämpfen konnte er überhaupt nicht, diese Rolle mussten dann eben seine Schwester und sein älterer Bruder einnehmen.

      Die drei Geschwister hatten sich schon sehr lange nicht mehr gesehen und kamen erst am Vorabend ihres Kneipenbesuches wieder zusammen. Da ist es ja nur verständlich, dass man gehörig einen über den Durst trinkt, wir kennen das ja alle.

      Doch so fröhlich sie alle an diesem Abend waren, desto ernster war die tatsächliche Lage im Kaiserreich und sie drohte noch viel ernster zu werden. Deswegen trafen sie sich am nächsten Tag mit ihrem Erzeuger und tauschten mit ihm die neuesten Erkenntnisse aus.

      Richtig fit waren sie allerdings noch nicht, die letzte Nacht hinterließ leider ihre Spuren. Daher gönnten sie sich bei einem Marktstand eine mit Dachsblut gefüllte grüne Natter in Pökelsalz, das war damals das mit Abstand beste Mittel gegen den Kater. Zum Runterspülen gab es einen Stierhodenwodka dazu, der half auch immer.

      Als das Festmahl in ihrer Magengrube lag, fragte Corin: „Wie spät wird es denn eigentlich jetzt sein?“

      Eine lässige Smartwatch hatten sie damals noch nicht, aber man konnte die Zeit relativ gut anhand des Sonnenstands einschätzen, daher antwortete Nevin: „Dürfte wohl so eine Breite nach der Mittagsstunde sein.“

      Für alle Unwissenden unter euch: Eine Breite entsprach damals zirka einer Stunde.

      „Gut, dann haben wir noch etwas Zeit. Kommt, wir machen noch einen Abstecher zum Diamantenplatz!“, meinte Corin.

      „Was tun wir denn dort?“, fragte Maya neugierig.

      „Na Lubin Belinn, die rechte Hand von Kolja von Gorod, wird hingerichtet, wir haben ihn in Woldawa gefangen genommen. Er ist für den Angriff auf den Fürstenpalast verantwortlich und gilt als Drahtzieher vom Massaker in Rotbach.“, klärte Corin seine Geschwister auf.

      „Wie erfreulich, dass dieser Mistkerl heute brennen wird, hast du ihn selbst festnehmen können?“, wollte seine neugierige Schwester wissen.

      „Nein leider, das war eine andere Einheit, ich war mit meinen Männern in den Bergen und habe nach Kolja selbst gesucht. Leider war Lubins Festnahme der einzige Erfolg unserer Mission, aber ich habe andere höchst interessante Dinge erfahren.“

      „Was denn?“, jetzt wurde auch Nevin neugierig.

      „Warte ab, bis wir bei unserem Vater sind, ich erzähle die Dinge nur ungern zwei Mal. Gehen wir, die weiße Wacht wird den Scheiterhaufen bald entzünden.“, trieb Corin die anderen beiden an.

      Maya meinte darauf: „Das ist wieder typisch! Die Armee erledigt die ganze Arbeit, nimmt Lubin gefangen und die Stadtwache darf ihn hinrichten.“

      „Du weißt doch, liebe Schwester, in der Kaiserstadt darf nur die weiße Wacht Hinrichtungen durchführen.“, mischte sich Nevin schnell oberschlau dazwischen und fuhr fort: „Ist unser Vater eigentlich auch dort?“

      Corin antwortete: „Vermutlich nicht, du kennst ihn ja, wenn er selbst nicht das Feuer entzünden darf, dann interessieren ihn solche Veranstaltungen nicht. Ich will aber dennoch sehen, wie dieser Hurensohn in Flammen aufgeht, jetzt kommt endlich!“

      Die drei huschten flink durch die verwinkelten Gassen zu dem besagten Platz. Eine prachtvolle, weitläufige und eindrucksvolle Lokalität, umrundet von hohen Gebäuden aus hellem Stein, von denen die imposante Kaserne der weißen Wacht am meisten hervorstach und deren Turm erstrahlte in der späten Mittagssonne besonders weiß. In der Platzmitte war eine Art Bühne aufgebaut. Auf ihr befand sich der große Scheiterhaufen, auf dem schon das Grillgut festgebunden war und rund um ihn versammelten sich wichtige Leute. Yaldralad, der Elfenmagier, den wir ja bereits kennen, war dort. Neben ihm stand Jaron, der Fürst der Kaiserprovinz und gleich neben der großen Feuerstelle, schon mit der Fackel in der Hand, stand Tinus, Oberbefehlshaber der weißen Stadtwache.

      Der ganze Platz war voll von Menschen und Elfen, sogar ein paar Zwerge waren dabei, um Lubin Belinn brennen zu sehen. Um die tausend schaulustige Lebewesen waren es mit Sicherheit.

      Euphorischer Jubel brach aus, als Tinus den Arm mit der Fackel in die Höhe streckte und kurz darauf mit lauter Stimme zu dem Mann am Scheiterhaufen sprach: „Lubin Belinn! Ihr wurdet wegen Massenmordes, Abtrünnigkeit und Widerstand gegen das Kaiserreich zum Tode verurteilt. Dieser hätte Euch wesentlich humaner, durch