Michael Hamberger

Der geheime Pfad von Cholula


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      Layla beschloss, dass es wohl besser wäre, wenn sie fuhr. Daniel war voll damit einverstanden. Er fühlte sich selbst im Moment nicht sonderlich fit dazu. Die beiden tauschten also in einer akrobatischen Aktion innerhalb des Autos die Plätze. Sie hatten heute schon genug Steine abbekommen und wollten deshalb das schützende Auto nicht mehr verlassen.

      Layla startete den Motor und fuhr zum westlichen Ortsausgang.

      Und dort fanden sie nichts!

      Da war keine Kirche, nicht einmal eine Ruine, ja, noch nicht einmal ein paar herumliegende Steine, die einmal eine Ruine hätten sein können. Layla war verzweifelt. Ihre einzige Spur schien sich in Luft aufzulösen! Die beiden stiegen aus und wollten sich einmal genauer umsehen. Alles war wie beschrieben. Der Weg zum Popocatépetl war klar zu sehen und sogar beschildert. Aber eben halt keine Kirche.

      Layla beschloss, sich die Gebäude etwas näher anzusehen. Es waren zum größten Teil alte, halb verfallene Gebäude im typisch ländlichen, mexikanischen Stil. Trotz des schlechten Zustands schienen alle diese Gebäude noch bewohnt zu sein. Eine Kirche, oder ein nur ansatzweise kirchenähnliches Gebäude war nicht auszumachen. Es waren aber auch keine Leute auf der Straße, die man hätte fragen könnte. Es war wie ausgestorben. Es war eine richtige Wildwest Idylle. Sogar die weitblättrigen, ausladenden Algavenpflanzen und die berühmten dreiarmigen Saguaro Kakteen waren zu sehen.

      Daniel und Layla waren ratlos. Nichts, wirklich nichts. Was sollten sie jetzt tun? In Layla stieg wieder die Panik hoch. Wenn sie nur daran dachte, was diese Bestien mit Lupi genau in diesem Moment anstellen konnten.

      Da fiel ihr Blick auf ein Gebäude, das in einem seltsam schiefen Winkel zu den anderen Gebäuden stand. Das Gebäude war wahrscheinlich das älteste hier an dieser Strasse. Die verblasste, ockergelb Farbe blätterte an vielen Stellen schon ab und speziell im Obergeschoss begann es schon zusammenzufallen. Dort waren die Fenster sind mit großen Brettern vernagelt. Nur das Erdgeschoss schien noch benützt zu werden. Über einer Stahltüre, die mit einem großen Schloss und einer Kette gesichert war, hing ein altes, teilweise schon verrostetes Schild, das darauf hinwies, dass hier ein Möbelgeschäft ansässig sei. Es war aber keine Auslage oder sogar eine Schaufensterscheibe zu sehen. Dies wäre aber wahrscheinlich in dieser Lage auch etwas gewagt. Diese Fensterscheibe würde wohl nicht lange überleben.

      Layla näherte sich dem Gebäude. Es war tatsächlich uralt, schien aber robust gebaut zu sein. Hinter dem hässlichen ockergelben Verputz waren eigentlich ganz brauchbare Steine. Es wäre nach Laylas Meinung besser gewesen, bei diesem Gebäude gar keinen Verputz zu benützen. Oder sollte der Verputz nur Tarnung sein? Layla begann plötzlich ganz hektisch die Wand zu untersuchen und tatsächlich. Ziemlich genau in der Mitte der Wand fand Layla riesige Befestigungsanker. Es waren genau vier und wenn man eine Linie von dem oberen zum unteren, und vom linken zum rechten zog, erhielt man ein Kreuz.

      Layla schrie auf. Sie war sich sicher, dass sie die ehemalige Kirche gefunden hatte. Sie rief Daniel zu sich. Der war sich nach einer eingehenden Untersuchung ebenfalls sicher, dass dies die ehemalige Kirche war, die sie suchten. Layla ging zum Tor und suchte nach einer Klingel oder wenigstens einem Klopfer. Nichts! „Wie machen die Kunden denn dann auf sich aufmerksam?“ fragte sich Layla. Daniel klopfte an die Türe. Keine Antwort, Na, dass musste ja ein sehr gut gehendes Geschäft sein.

      Die beiden begannen um das Gebäude herumzugehen, fanden aber keinen weiteren Eingang, nicht einmal ein Fenster.

      „Daniel, dass ist doch scheißegal. Wir müssen nicht ins Gebäude, wir müssen nur hinter dem Gebäude nach dem geheimen Pfad suchen!“

      Gesagt, getan. Fast eilig gingen die beiden in Richtung Hinterhof. Dieser war aber mit einem Zaun umschlossen. Sogar Stacheldraht war oben auf dem Zaun abgebracht. Da würden sie niemals drüber hinweg kommen, ohne sich schwer zu verletzen. Plötzlich fing Daniel an zu lachen und deutete auf den Boden. Auch Layla hätte fast laut aufgelacht. Über dem Zaun war dicker unüberwindlicher Stacheldraht, aber unter dem Zaun, da war ein großes Loch, fast so als ob sich dort ein Hund hindurch gegraben hätte. Das Loch war groß genug für Layla und Daniel, die sich kurz umsahen und dann umgehend damit begannen, durch das Loch zu krabbeln. Daniel ließ sich dabei nicht nehmen, voran zu gehen.

      Der Hinterhof oder Garten, oder was das auch immer hätte darstellen sollen, war nichts weiter, als eine Müllhalde. Kaputte Möbel, zerbrochene Bretter, Nägel und Schrauben in allen Größen. Aber mit Sicherheit nicht der Ausgangspunkt eines geheimen Pfades.

      Daniel fand den Zeiger einer alten Turmuhr, der stolz an die Wand genagelt worden war. Die beiden sahen nach oben und fanden im teilweise zusammengefallenen Obergeschoss eine angedeutete Steinmauer, die zu einem Kirchturm gehört haben könnte.

      „Wenn Du noch auf einen endgültigen Beweis gesucht hast, da hast Du ihn!“

      „Ja, Daniel, aber den Pfad haben wir immer noch nicht gefunden.“

      „Dann müssen wir eben doch in das Gebäude!“

      Daniel zeigte auf eine verschlossene Türe, die recht stabil aussah. Die Türe war mit einem großen Vorhängeschloss gesichert. Daniel untersuchte das Schloss. So leicht würde sich dies nicht öffnen lassen.

      „Brechen wir es auf?“

      Layla nickte. Es war ihr auch egal, dass dann Spuren zu sehen sein würden. Lupi brauchte Hilfe und zwar sofort. Daniel nahm einen großen Stein und eine übergroße Schraube und begann damit das Schloss zu bearbeiten. Die Schläge hallten laut durch den Hinterhof. Layla bremste ihn.

      „Lieber nicht. Wir wollen sie ja nicht mit Pauken und Trompeten darauf aufmerksam machen, dass wir hier sind!“

      Layla suchte sich zwei kleinere Nägel, die sie ins Schloss schob und damit herumfuchtelte. Damit müsste sich der Schließmechanismus doch öffnen lassen. Und tatsächlich, Layla hatte noch keine Minute darin herumgefummelt, da ging das Schloss mit einem deutlich hörbaren Klicken auf. Daniel sah sie verwundert an. Dann lächelte er und hob den Daumen.

      Layla öffnete die Tür und die beiden traten ein. Beide machten ein angewidertes Gesicht. Der Gestand war einfach unerträglich. Es roch, also ob hier vor längerer Zeit ein größeres Tier gestorben wäre, das jetzt irgendwo verweste. Layla musste den Brechreiz unterdrücken. Es war unglaublich dunkel in dem Raum. Nicht einmal die geöffnete Tür konnte für ausreichend Helligkeit sorgen. Layla hatte nur eine vage Vorstellung davon, wie groß der Raum sein könnte. Für eine Kirche war er jedoch eindeutig viel zu klein. Von den Ausmaßen der Außenmauer ausgehend, musste der Raum viel größer sein. Die beiden Türen, die sie gesehen hatten, waren seitlich am hinteren Teil des Gebäudes angebracht. Es müssten also Seiteneingänge gewesen sein. Der Haupteingang musste sich demnach unzugänglich an der Hauswand befunden haben, die sie nicht hatten kontrollieren können. Er musste sich viel weiter rechts hinten befinden. Direkt rechts neben der Türe, durch die sie eingebrochen waren, war aber nur eine Wand. Wahrscheinlich waren also nachträglich Mauern eingezogen worden. Somit war dieser Raum von Layla aus gesehen, nur etwa zehn Meter lang und fünf Meter breit.

      Das ganze Gebäude strahlte eine ungute Aura aus. Layla lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Auch Daniel fühlte sich sichtlich unwohl.

      „Du hast nicht zufällig eine Taschenlampe dabei?“

      Natürlich hatte weder Layla, noch Daniel eine dabei. Es blieb also nichts anderes übrig, als sich in dem wenigen Licht, das es gab, so gut wie möglich umzusehen. Layla begann mit den Händen an der Wand entlang zu tasten. Auf einmal hob sie Daniel am Arm und machte ihr ein Zeichen. Da hörte es Layla selbst. Jemand war an der Vordertüre. Sie hörte ein Kratzen, als ob jemand einen Schlüssel in ein Schloss steckte und umdrehte. Dann hörte sie eine lange Kette, die auf den Boden fiel. Daniel wollte zur Türe hinaus fliehen, aber Layla hielt ihn davon ab. Vielleicht konnten sie ja durch diese Person, die gerade dabei war, die Vordertüre aufzuschließen, etwas herausfinden. Er durfte dazu aber weder sie und Daniel, noch die geöffnete Hintertüre, sehen. Nur wie sollten sie so schnell ein Versteck finden? Layla sah sich um und entdeckte an der Wand rechts neben der offenen Türe einen Schatten. Sie zog Daniel hinter sich her. Tatsächlich. Es war eine winzig kleine Nische,