Michael Hamberger

Der geheime Pfad von Cholula


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undurchschaubaren Mahlwerken der Mexikanischen Justiz bewahrt!“

      Dann erzählte Layla Lupi und Daniel in aller Kürze, was gestern im Flughafen und jetzt hier in der Polizeistation geschehen war. Beide waren bestürzt. Speziell Lupi war gar nicht mehr zu beruhigen.

      Mittlerweile war es recht heiß geworden und so direkt in der Sonne zu stehen, war wohl nicht so intelligent. Deshalb sagte Pater Bishop:

      „Sorry, ich muss zurück an meine Hausaufgaben. Erinnere Dich Layla, ich bin immer in Deiner Nähe!“

      Dann drehte sich der Pater um und ging davon. Er drehte sich noch einmal um und winkte, dann ging er um die Ecke und war verschwunden. Layla wunderte sich darüber, dass der Pater wieder, wie am Flughafen in das intimere „Du“ übergegangen war, nachdem er sie plötzlich gesiezt hatte. Layla amüsierte sich aber auch köstlich darüber. Dies passierte ihr oft, dass sie die Leute zu Beginn kurz nach dem Kennen lernen duzen, eben weil sie eher wie ein 16 – jähriges Mädchen erschien und dann, wenn sie deren Respekt bekommen hatte, begannen sie Layla zu siezen. Layla liebte es regelrecht, damit zu spielen und den Leuten ihre Voreingenommenheit vorzuführen. Pater Bishop jedoch schien über diesen Status schon wieder hinweggekommen zu sein und begann sie, fast wie einen Freund zu duzen. Layla hatte da auch gar nichts dagegen und dachte sich, dass ein Mann, der ihr das Leben gerettet hatte, dass Recht dazu hatte, sie zu duzen.

      Die drei gingen zurück zum Auto. Daniel hatte das Kunststück fertig gebracht einen freien Parkplatz in einer Gasse nur wenige Meter von Eingang entfernt zu finden. In Mexiko war es keine Seltenheit, dass man kilometerweit vom eigentlichen Ziel entfernt parken musste und dann noch einen hübschen Fußweg zu bewältigen hatte, bis man letztendlich beim Ziel angekommen war. Bei diesem Klima war das wirklich kein Vergnügen. Es gab zwar auch öffentliche Verkehrsmittel, speziell die berühmt-berüchtigten Mikrobusse, also alte VW Kombi Fahrzeuge, die in Mexiko, eben hier in Puebla bis vor wenigen Jahren immer noch gebaut wurden. Dort passten eigentlich nur 9 bis maximal 11 Personen hinein. Oftmals waren aber auch 20 Mitfahrer oder sogar noch mehr darin zu finden. Und die Fahrer waren bekannt für ihre rasante, rücksichtslose Fahrweise. Da war es schon besser, den langen Fußweg auf sich zu nehmen. Taxis gab es natürlich auch, nur waren die nicht wesentlich sicherer, als die Mikrobusse. Außerdem hatte Layla keine Lust sich in die oft stinkenden, fleckigen alten Autos zu setzen. „Da ist sie typisch Deutsch“, dachte Layla und lächelte.

      Daniel schloss die Tür auf und die drei stiegen ein. Er wollte gerade den Motor starten, da zuckte Layla zusammen und hielt ihn mit einer Handbewegung davon ab. Direkt vor ihrem Fahrzeug lief Antonio Gonzales López vorbei. Er blieb circa 20 – 25 Meter vor ihnen stehen und schaute sich um, konnte sie aber wegen der getönten Scheibe des Fahrzeugs nicht sehen. Wären sie nur 10 Sekunden länger auf der Strasse stehen geblieben, wären sie förmlich ineinander gelaufen. Lupi wollte etwas sagen, aber Layla hielt sie davon ab, als ob sie Angst hätte, Antonio könnte sie trotz der geschlossenen Türen hören. Kurz später kam eine zweite Person. Leider konnten die drei nicht erkennen, um wen es sich dabei handelt. Antonio unterhielt sich angeregt mit ihm. Man sah ihm an, dass es immer wütender wurde. Plötzlich schlug Antonio zu und der andere Mann wurde förmlich aus den Stiefeln gehauen. Er fiel hart auf die Straße und rutschte fast drei Meter weiter. Da konnte Layla erkennen, um wen es sich handelte. Es war Teniente Marco Chavala! Durch den Schlag war Antonios Wut noch nicht verraucht. Mit einem fast unglaublichen Sprung war er über dem Teniente Chavala und prügelte weiter auf ihn ein. Der Mann konnte sich nicht wehren. Er war Antonio in allen Belangen total unterlegen. Layla hatte Angst Antonio könnte den Polizist direkt vor ihren Augen totschlagen und wollte schon Daniel fragen, kurz auf die Hupe zu drücken, obwohl sie dies wohl in tödliche Gefahr bringen würde, als Antonio plötzlich innehielt und lauschte. Hatte er sie auch so gehört? Panik begann in Layla aufzusteigen, dann sah sie, dass ein Auto um die Ecke bog. Offensichtlich noch jemand, der einen Parkplatz suchte. Mit einer unvorstellbaren, fast unmenschlichen Geschwindigkeit sprang Antonio Gonzales López auf die Beine, rannte davon und ließ den schwer verletzten Teniente auf der Strasse liegen. Der Autofahrer sah den auf den Boden liegenden Polizisten, aber anstatt zu helfen drehte er einfach um und fuhr mit durchdrehenden Reifen davon. Layla wollte aus dem Auto springen, aber diesmal war es Daniel der sie davon abhielt. Er nahm sein Handy, drückte einige Tasten. Dann erklärte er den beiden Anderen.

      „Mit diesem Handy können keine Anrufe zurückverfolgt werden!“

      Daniel startete den Motor und fuhr los. Als es an der Ecke angekommen war, holte er eine Karte aus der Tasche, die er in der Polizeistation an sich genommen hatte, wählte eine elend lange Nummer und wartete. Als der Anruf dann endlich angenommen wurde, sagte er mit verstellter Stimme und mit einem furchtbaren Amerikanisch – Englischen Akzent:

      „Vor der Station, da liegt ein verletzter Mann vor der Türe. Gleich um die Ecke. Ist ein Polizist!“

      Dann legte er auf und beschleunigte den Wagen. Layla war am Boden zerstört. Dieser Sergio Alcazar und sein Lakai Antonio Gonzales López schienen wirklich das ganze Land zu kontrollieren. Was sollte sie tun? Konnte sie immer noch einfach so in Aguas Verdes einmarschieren und die Leute dort befragen, als ob nie was geschehen wäre. Layla musste zugeben, dass sie furchtbare Angst hatte. Trotzdem konnte sie nicht so einfach aufhören, einfach so die Segel streichen. Sie war es Mercedes und in gewissem Maß auch der Frau, die wohl an ihrer Stelle gestorben war, schuldig. Aber ihr selbstbewusster Drive, der sie bei der Recherche ihrer Stories immer so auszeichnete, der hatte doch einen kräftigen Dämpfer bekommen. Layla wusste genau, dass sie nur dann eine reelle Chance hatte, die Geschichte zu einem guten Ende zu führen, wenn sie ihre volle Kraft zur Verfügung hatte, wenn sie sich auch in Aguas Verdes selbstbewusst und ohne Rücksicht auf Verluste, voll in die Aufklärung der Zusammenhänge stürzen konnte.

      Was Layla ebenfalls deprimierte, war, dass sie keine Ahnung hatte, was Pater Mark Bishops Rolle bei dieser ganzen Geschichte war? Er schien zu den Guten zu gehören und hatte auch versprochen, immer in ihrer Nähe zu sein, wenn Layla in brauchte. Er hatte sie auch schon zweimal mächtig aus der Scheiße herausgehauen. Layla war sich mittlerweile sicher, dass sie ihm vertrauen konnte. Aber konnte er sie auch wirklich beschützen, wenn es wirklich hart auf hart käme? Und wenn er so ein furchtloser Kämpfer war, warum kämpfte dann nicht er selbst an vorderster Front gegen diese Horrorgestalten? Layla hatte noch so viele Fragen, die ganz dringend auf eine Beantwortung warteten.

      10

      Daniel bemerkte natürlich ganz deutlich, was in Layla vorging. Immer wieder schaute er sie im Rückspiegel an. Auch Lupi war ganz verstört. Layla machte sich ganz große Vorwürfe, dass sie die beiden geliebten Personen, da mit hineingezogen hatte. Sie hoffte, dass sie noch nicht in die direkte Schusslinie geraten waren. Bei einem Blick in den Spiegel fragte Daniel:

      „Was jetzt?“

      „Nach Hause, Daniel. Ab jetzt muss ich den Weg alleine gehen!“

      „Vergiss es, Layla, ich habe ja gerade gesehen, dass Du da in eine ganz schön haarige Geschichte hineingeraten bist. Da lasse ich Dich auf keinen Fall alleine!“

      „Eben weil es eine haarige Geschichte ist, Daniel, möchte ich nicht, dass Ihr mit hineingezogen werdet. Es scheint wirklich gefährlich zu werden. Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn Euch beiden etwas geschehen würde!“

      Lupi meldete sich vehement zu Wort. Sie hatte trotzig die Lippe nach vorne gezogen, dass sie fast wieder aussah, wie das quirlige, kleine Mädchen vor fünf Jahren. Layla wusste, wie starrköpfig Lupi werden könnte.

      Gut, bei der nächsten Etappe konnten die beiden ihr vielleicht wirklich helfen, ohne dabei groß in Gefahr zu kommen. Layla wollte sich immer noch in Cholula umsehen und die Leute dort befragen. Also sagte sie:

      „Auf nach Cholula!“

      Daniel und Lupi freuten sich beide sichtlich und Daniel beschleunigte den Wagen. Er fuhr in Richtung der Landstrasse, die nach Cholula führte.

      Cholula, eigentlich „Cholula de Rivadavia“, war eine kleine, aber sehr schöne, ursprüngliche Stadt, circa 15 km westlich von Puebla. Die Stadt war bekannt für ihre vielen Kirchen. Man sagte sogar, Cholula