Detlef Wolf

Sail Away


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ich kann keinen Spaß verstehen?“

      „Bei allem Respekt, Herr Kapitän, aber es geht ü-ber-haupt nicht, daß wir uns duzen. Auf kei-nen Fall.“

      Martin war verdutzt. „Aber wieso denn nicht? Ich bin doch kaum ‘n paar Jahre älter als Ihr. Und außerdem, auf der “Essen-Express“ haben wir uns auch alle geduzt. Und trotzdem wußte jeder, wer wer war.“

      „Wir sind hier aber nicht auf der “Essen-Express“ sondern auf einem piekfeinen Kreuzfahrtschiff, und da ist es einfach komplett ausgeschlossen, daß der Käpt’n sich mit den Kellnern aus dem Restaurant duzt. Wenn das rauskommt, ist das ein Riesenskandal.“

      „Na schön, bleiben wir also beim Sie. Aber was essen können wir doch wenigstens gemeinsam. Sieht uns ja keiner. Dabei könnt Ihr mir was von den Gepflogenheiten auf dem Schiff erzählen. Oder, Sie können mir was erzählen. Nehmen Sie’s also als ein Arbeitsessen. Sowas ist ja wohl erlaubt, oder?“

      Grinsend rückten sie mit ihren Sesseln zu dem Servierwagen hin. Dann verputzten sie zusammen, was Charley angerichtet hatte. Dabei stellte Martin unentwegt Fragen, die die beiden Stewards nach bestem Wissen beantworteten. Schließlich verabschiedeten sie sich wieder und zogen mit gänzlich leergegessenen Tellern ab. Von dem üppigen Essen war nichts übrig geblieben. Lediglich die beiden Karaffen mit dem Wein hatten sie nicht angerührt. Stattdessen hatte einer der beiden Cola besorgt. Martin wollte unbedingt in seiner ersten Nacht an Bord einen klaren Kopf behalten, und mit die Stewards trauten sich einfach nicht, ihrem Kapitän den Wein wegzutrinken.

      Nachdem die beiden verschwunden waren, machte sich Martin auf den Weg zur Brücke. Mit Bedacht hatte er dafür gesorgt, daß der Zweite, den sie jetzt zum Ersten gemacht hatten, in dieser Nacht die Mitternacht-bis-vier-Uhr Wache hatte, denn damit ergab sich die Gelegenheit, mit dem Mann über die Fahrtroute zu reden. Von ihm erhoffte Martin sich in erster Linie Unterstützung, denn er rechnete sich aus, in ihm den erfahrensten der Offiziere vor sich zu haben. Schließlich hatte man ihn ja nicht ohne Grund zum Ersten Offizier befördert.

      Es stellte sich heraus, daß Werner Schäfer, der erste Offizier, im gleichen Alter war wie Martin. Sie fanden sofort einen guten Draht zueinander. Eifrig machten sie sich an die Planung der Reiseroute. Kurz bevor Schäfers Wache zu Ende ging, waren sie damit fertig. Jetzt mußte Martin das Ganze nur noch mit dem Kreuzfahrtdirektor und dem Reiseleiter besprechen. Aber das würde er später am Tag machen. Im Moment war er erstmal zum Umfallen müde.

      Als er in seine Kabine kam, fand er dort seine Uniform und seine Hemden wieder. Alles tip-top aufgearbeitet und gebügelt. Auch die Schneiderin hatte also eine Nachtschicht eingelegt. Er nahm sich noch vor, sich bei ihr dafür zu bedanken, dann war er auch schon in sein Bett gefallen und eingeschlafen.

      ***

      Am nächsten Morgen sah Martin als erstes nach seiner Post. Gabor hatte recht gehabt. Die Leute in Hamburg hatten prompt reagiert.

      Sehr geehrter Herr Kapitän Schöller!

      Wir betrachten Ihre Erklärung als hinreichend. Allerdings war das T-Shirt wirklich indiskutabel und nicht ganz dem Stil unserer Reederei entsprechend.

      Gute Fahrt und Grüße aus Hamburg

      Der Anhang bestand aus einem Photo, das Martin in seinem umstrittenen T-Shirt in voller Deutlichkeit auf dem Brückennock zeigte, wie er mit einer energischen Geste ein Kommando ins Brückeninnere gab. An den Rand hatte jemand mit Filzstift “Käpt’n Chaos“ geschrieben und ein Smilie danebengemalt.

      Anscheinend waren die Brüder in Hamburg doch nicht so völlig humorlos wie er immer angenommen hatte. Grinsend verschwand er im Badezimmer. Er war gerade fertig mit Anziehen, als es an der Tür klopfte. Eine Stewardeß stand davor, wieder mit einem Servierwagen.

      „Guten Morgen, Herr Kapitän“, sagte sie höflich. „Ich bringe Ihnen Ihr Frühstück. Herr Gabor hat gemeint, Sie wollten es bestimmt in Ihrer Kabine einnehmen.“

      ‚Jetzt red mal nicht so geschraubt, und komm rein mit dem Zeug, Mädchen‘, wollte er sagen. Im letzten Moment erinnerte er sich daran, was die beiden Stewards ihm am Vorabend gesagt hatten und hielt sich zurück. Stattdessen schnappte er einmal kurz nach Luft und sagte:

      „Das ist aber nett von Herrn Gabor. Kommen Sie doch rein. Ich hoffe nur, es ist nicht wieder so ‘ne Wagenladung voll wie gestern.“

      Sie ging nicht darauf ein. „Möchten Sie Tee oder Kaffee?“

      „Kaffee bitte. Schwarz, stark, heiß. Und den als erstes, bitte.“

      Sie schenkte ihm eine Tasse voll ein. Während sie das Frühstück servierte, nahm er einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht.

      „Vielleicht nehm ich doch lieber Tee“, meinte er.

      Die Stewardeß lachte. „Ist der Kaffee nicht gut?“

      „Nicht gut würd ich nicht sagen. Im Gegenteil. Er ist sogar sehr gut, wenn man‘s am Herz hat oder magenkrank ist. Hab ich aber nicht und bin ich auch nicht. Und deshalb werd ich mich wohl besser an den Tee halten.“

      Sofort hörte sie mit dem Anrichten der Speisen auf und wollte sich um seinen Tee kümmern. Aber Martin wehrte ab.

      „Lassen Sie mal, ich mach das schon. Da weiß ich dann auch, was ich kriege. Wer sind Sie denn, wenn ich fragen darf?“

      Sie richtete sich auf und deutete einen Knicks an. „Caroline, Herr Kapitän, aber alle sagen Caro zu mir.“

      Martin lachte. „Dann heißen Sie so wie der Kaffee, den Sie mir gerade serviert haben.“

      „So schlimm?“ Sie wollte den Teebeutel aus seiner Tasse nehmen, aber Martin fuhr ihr dazwischen.

      „Drinlassen! Ich will ‘n Tee und kein Spülwasser. Ich bin Friese, müssen Sie wissen. Da ist man ordentlichen Tee gewöhnt.“

      „Sie kommen aus Friesland? Von wo denn da? Ost- oder Nordfriese?“

      „Weder noch. Ich komme aus Neustadt in Holstein. Aber mein Großvater, der kommt aus Husum. Den hat’s dann nach Holstein verschlagen. Der Liebe wegen. Aber er ist Friese geblieben. Und auch meinen Vater hat er zu einem gemacht. Und der mich. So ist das. Und Sie, wo kommen Sie her? Nicht von da jedenfalls, oder?“

      Sie schüttelte den Kopf. „Nee, ich komm aus Österreich. Hört man das nicht?“

      „Schon. Deshalb frag ich ja.“

      „Ich hab da nur mal gearbeitet. Nach der Hotelfachschule. In so einem Nobelschuppen auf Sylt. Aber das hat mir nicht gefallen. Deshalb bin ich jetzt hier.“

      „Schon lange?“

      „Nee. Vor vier Tagen bin ich eingestiegen.“

      „Na bravo“, machte er und ahmte dabei perfekt den österreichischen Dialekt nach. „Da schau her. Dann können wir uns ja zusammentun. Ich bin auch gerade erst eingestiegen und auch in Österreich zur Schule gegangen. In Klagenfurt, aufs Internat.“

      Sie sah ihn erstaunt an. „Ehrlich? Na das ist ja’n Zufall.“

      Es klopfte. Werner Schäfer stand vor der Tür. „Käpt’n, Sie müssen.“

      Die Stewardeß drängte sich an beiden vorbei und verschwand.

      „Was muß ich?“

      „Na, die Ansage ist fällig. Wie immer an Seetagen um zehn Uhr morgens. Position, Wetter, Kurs, et cetera. Der Zettel liegt auf der Brücke. Sie müssen’s nur vorlesen.“

      „Was ist das denn für’n Blödsinn? Wer, außer uns, interessiert sich denn für sowas?“

      Schäfer zuckte die Achseln. „Die Leute wollen’s so. Und zwar vom Kapitän höchstselbst. Also machen wir’s.“

      „Na dann.“

      Martin warf noch einen bedauernden Blick auf sein Frühstück. Dann folgte er Schäfer auf die Brücke. Der Zettel lag neben dem Mikrophon. Schäfer reichte