Detlef Wolf

Sail Away


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Haaren, was? Nee, die Firma dankt.“

      Er setzte sich auf einen der Friseurstühle.

      „Wie soll’s denn sein?“ fragte die Friseuse.

      „Woher soll ich das wissen?“ gab Martin zurück. „Sie sind doch der Profi hier. Der Philippino auf der “Essen-Express“, der mir sonst immer die Haare geschnitten hat, hat mich das nie gefragt. Der war nämlich mal Friseur, bevor er bei uns als Matrose angeheuert hat. Der wußte gleich, was zu tun war. Schnipp, schnapp, runter mit der Putzwolle, und gut war’s. Ich denke, das schaffen Sie doch auch, oder?“

      „Wie Sie wünschen.“

      „Ja, natürlich. Und jetzt machen Sie schon hin, Karola. Ich hab Weihnachten noch was vor. Und außerdem wollen bestimmt noch mehr Leute drankommen.“

      Langsam wurde Martin ungeduldig. Zumal er diesen Friseurbesuch ohnehin für komplett überflüssig hielt, angesichts all der Dinge, die er sich noch vorgenommen hatte, zu erledigen. Kapitänsempfang und Galadinner. Er hatte gerade sein erstes Kommando bekommen auf einem Schiff, auf dem er noch nie zuvor gefahren war. Mann, da hatte er doch, weiß Gott, was Besseres zu tun, als sich mit so’nem Firlefanz abzugeben. Gut, das Schiff war winzig im Vergleich zu seiner “Essen-Express“, und leicht manövrieren ließ es sich auch, das hatte er gestern Abend gleich bemerkt, aber trotzdem. Soviel Besatzung, sowas hatte er noch nie. Schon gar nicht als Kommandant. Und dann kam dieser Hoteldirektor daher und mäkelte an seiner Lockenpracht rum. Er seufzte.

      „Ist was?“ fragte die Friseuse besorgt.

      „Nee, alles in Ordnung. Ich hab nur grad über was nachgedacht.“

      ***

      „Gut schau’n Sie aus“, meinte der Hoteldirektor, als Martin ihn am Abend in dessen Büro traf.“

      Martin knurrte nur als Antwort.

      „Haben Sie schon was gegessen?“

      „Na, wann denn?“ fuhr Martin ihn an. „Das Frühstück fiel aus wegen dieser albernen Positionsansage und unserem Meeting hinterher und zum Mittagessen gab’s die Schneiderin und als zweiten Gang die Friseuse. Wenigstens hat mir der Chief ‘n paar Stullen besorgt, als ich bei ihm unten in der Maschine war. Und passablen Kaffee hatte er auch.“

      Er ließ sich auf einen der beiden Stühle in dem winzigen Büro fallen.

      „Wenn Sie wollen, gehen wir ins Restaurant und essen was“, schlug Gabor vor. „Sozusagen als Generalprobe für morgen.“

      „Denken Sie, daß ich noch nie im Restaurant gegessen habe?“

      „Nee, sicher nicht. Aber bestimmt noch in keinem, wo alle Leute sich die Hälse verrenken, um mitzukriegen, was und wieviel Sie auf dem Teller haben. Besser also, Sie gewöhnen sich schnell daran.“

      „Und wen müssen wir einladen? Sie haben doch bestimmt schon wieder ‘ne Liste gemacht.“

      Gabor lachte. „Nein, diesmal nicht. Diesmal sind wir sozusagen inoffiziell dort.“

      Martin stand auf. „Na denn mal los.“

      Im Restaurant war tatsächlich ein ganzer, großer Tisch für zehn Personen als Kapitänstisch freigehalten worden. An den setzten sich die beiden Männer. Eilfertig kam ein Kellner herbei und reichte ihnen die Speisenkarte. Martin warf einen Blick darauf und klappte die Karte gleich wieder zu.

      „Wissen Sie worauf ich jetzt Hunger hätte? Ich möchte gern ein Steak, groß wie ein Lokusdeckel und blutig innen drin. Dazu einen Berg Pommes mit ordentlich Majo drauf und eine Schüssel Salat. Und einen Eimer voll Cola. Und á tempo, wenn sich’s irgendwie machen läßt, ich hab nämlich Kohldampf bis unter die Arme.“

      Der Kellner nickte und verschwand. Gabor versteckte sich grinsend hinter seiner Karte. Da würden die Gäste später in den Bars was zu lästern haben. Zum Glück hatte niemand mitbekommen, mit welchen Worten ihr Kapitän seine Mahlzeit bestellt hatte.

      Doch da täuschte sich der Hoteldirektor. Eine der älteren Damen, die in trauter Runde an einem der Nachbartische zusammen saßen, hatte es sehr wohl gehört. Sie hatte nämlich Ohren wie ein Luchs, wiewohl ständig vorgebend, schwerhörig zu sein. Und natürlich stand sie nicht an, es ihren Tischgenossinnen sogleich weiterzuerzählen. Das Urteil war eindeutig. Und vernichtend. Pommes Frites mit Mayonnaise, das durfte ja wohl nicht wahr sein. Ganz abgesehen von der Coca Cola, die zum Dinner ja nun wirklich indiskutabel war. Synchrones Kopfschütteln silbergelockter Häupter. Die jungen Kapitäne heutzutage sind auch nicht mehr das, was sie früher mal waren.

      Als das Essen serviert wurde, schraubte Martin die Augen nach oben. Der Chef hatte sich bemüht, es so dezent wie möglich anrichten zu lassen. Ein reichlich dimensioniertes Filetsteak befand sich auf einem großen Teller, garniert mit allerlei Kräutern. Die Pommes Frites in einer eigenen Schüssel daneben und die Mayonnaise getarnt in einem Töpfchen mit Deckel.

      Was für ein Zirkus!

      Martin sammelte die Kräuter von seinem Teller und deponierte sie auf dem Kleinen Brotteller links neben ihm. Stattdessen schaufelte er die Pommes Frites neben das Fleisch und leerte die Schale mit der Mayonnaise darüber. Mit gutem Appetit begann er zu essen, während der Hoteldirektor in seiner Vorspeise herumstocherte.

      „Was ist, schmeckt es Ihnen nicht?“ fragte ihn Martin. „Ich kann nicht klagen. Das Fleisch ist wunderbar zart, die Pommes schön knackig von außen und weich von innen und die Majo offensichtlich hausgemacht. Hätten Sie sich vielleicht auch bestellen sollen.“

      „Ich bewundere nur Ihren Appetit.“ Der Hotelmanager schüttelte den Kopf.

      „Was glauben Sie, Mann? Ich hab seit gestern Abend nichts Ordentliches gekriegt. Das ist mir sonst noch nie passiert.“

      „Ich hoffe, daß Sie morgen Abend nicht ganz so ausgehungert zu Tisch gehen. Mit Cola und Majo können Sie da jedenfalls nicht rechnen.“

      „Nicht nötig, Herr Gabor“, beruhigte ihn Martin. „Auch wenn Sie’s kaum glauben, ich weiß schon, wie man sich in Gesellschaft benimmt. André Schindler hat mir da einiges beigebracht.“

      „André Schindler? Sie kennen André Schindler? Den Schweizer Finanzmagnaten?“

      Martin sah ihn an und zuckte die Achseln. „Ja, ziemlich gut sogar. Er behauptet immer, er sei sowas wie mein väterlicher Freund. Ich find das zwar ein klein bißchen übertrieben, aber ich mag ihn sehr. Und ich besuche ihn oft. Er hat mir sehr geholfen, damals, als…“ Er unterbrach sich und schob seinen Teller zur Seite. „Ach, lassen wir das. Das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls hat er mir beigebracht, wie man sich in den feineren Kreisen bewegt. Und in solchen befinden wir uns ja jetzt offensichtlich, oder?“

      Gabor nickte. „Kann man so sagen.“

      „Also, morgen werde ich mir keine Pommes mit Majo bestellen, sondern schön was von der Speisenkarte. Und den Wein kann ich auch aussuchen, wenn’s nötig ist.“

      „Ist es. Und ich habe Ihnen dazu auch schon ein paar Vorschläge ausgearbeitet.“

      Gabor zog einen Zettel aus der Tasche seinen Anzugjacke und reichte ihn Martin. Der nahm ihn an und studierte ihn ausgiebig.

      „Na prima. Das hilft immer. Danke Ihnen. Also wissen Sie schon, was es gibt?“

      „Ich habe vorhin mit dem Chef gesprochen.“

      „Und?“

      Gabor reichte ihm ein weiteres Blatt Papier. Martin sah es an und verglich es mit den Weinvorschlägen.

      „Also, was den Weißwein angeht, ist das okay. Ein Rheingauer Riesling, Spätlese, das ist schön. Obwohl ich mir eher einen Chardonnay aus dem Casablanca Valley gewünscht hätte. Nur der Burgunder zum Hauptgericht, den Sie vorschlagen, der paßt ja sowas von überhaupt nicht. Ich schlage vor, wir nehmen stattdessen einen Carmenére aus dem Maipo Valley. Dann haben wir wenigstens einen chilenischen Wein, das paßt zu unserer Reise, und ich hoffe, Sie haben welchen an Bord. Wenn nicht, fahren wir stracks zurück