Mila Brenner

Wolkenschwäne


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Aufmerksamkeit auf das Monster von Schrankwand.

      Danny zeigte mir immer genau, welche Schrauben ich lösen sollte und es bestand keine Gefahr, etwas falsch zu machen. Ich war fasziniert davon, wie eingespielt wir zusammenarbeiteten. Nach nur einer Viertelstunde waren wir bereits fertig.

      „Das ging schneller, als ich gedacht habe“, gab ich zu und Danny lachte.

      „Sagen Frauen immer.“ Er sagte das nicht herablassend. Es war nicht mal so gesagt, als wäre er der Meinung das Frauen kein handwerkliches Geschick besaßen.

      „Warum sagst du das?“, fragte ich. Ich konnte mir auf die Äußerung keinen Reim machen, wenn sie nicht so gemeint war, wie man einem Mann im Allgemeinen unterstellte.

      „Frauen sehen die vielen Schrauben und denken, das braucht ewig. Männer sehen die Schrankwand und wissen, es ist nur ein Möbelstück. Das kann nicht ewig dauern.“ Er grinste mich an. „Auf dem Bau lernt man die Unterschiede in der Betrachtungsweise beider Geschlechter schnell kennen. Vor allem da, wo Frauen mit im Team sind.“

      Ich überlegte, was Rina mir über Blairs Firma erzählt hatte.

      „Ihr habt Frauen in eurer Firma angestellt?“

      „Angestellt nicht direkt. Deena ist sowas wie eine ständig arbeitende Aushilfe. Sie hat genau so viel Talent, wie ein Mann für den Job mitbringen muss. Aber sie ist eine Frau.“

      „Was heißt das?“

      „Die Arbeit ist nicht gut für sie, Lass. Zu schwer. Ein paar Jahre zu viel und ihre Knochen sind hinüber.“

      Das leuchtete mir ein. Ein Job auf dem Bau war harte körperliche Arbeit und nicht unbedingt ein Frauenjob. Bevor ich Danny fragen konnte, wer Deena war und warum Blair sie als Aushilfe beschäftigte, wenn sie es nicht für richtig hielten, deutete er nach oben.

      „Lass uns weiter machen. Der LKW ist beladen und wartet darauf, dass wir ihn zur Farm fahren.“

      „Stimmt ja.“ Ich ging voraus nach oben und widmete mich Phils Zimmer. Das ging viel schneller, denn er hatte bereits einen großen Teil seiner Sachen selbst gepackt. Ich war fast fertig, als Danny dazukam und damit begann, auch Phils Möbel abzubauen. Den Schreibtisch und das Bett bauten wir schließlich zusammen ab und dann hatten wir es tatsächlich geschafft. Erst anderthalb Stunden war vergangen, seit Grace und die anderen zur Farm aufgebrochen waren.

      Der Weg zur Farm dauerte etwa zwanzig Minuten meinte Danny und ich merkte, wie meine Hände schweißnass wurden. Was sollte ich so lange mit ihm im LKW anfangen? Bisher hatte das mit uns ganz gut funktioniert, weil wir immer was zu tun gehabt hatten. Aber während er den LKW fuhr, saß ich da und hatte das nagende Gefühl, etwas sagen zu müssen. Doch es fehlte mir an Worten und so begann ich nervös meine Hände zu kneten. Mein Blick floh zwischen dem Fenster und seiner Hand auf dem Schaltknüppel hin und her.

      „Du wirkst wie ein Vogel im Käfig.“

      Ich sah zu ihm und in seinen Augen spiegelte sich ein amüsiertes Lächeln. „Normalerweise beiße ich nicht.“

      Seine Worte entlockten mir einen gequälten Versuch gehobener Mundwinkel. „Tut mir leid. Ich bin im Augenblick ...“, unterbrach ich meinen angefangen Satz mit einem ehrlichen Seufzer. Was brachte das. Ich wollte nicht mit einem Fremden über meine Situation sprechen. Ich sah Danny sowieso nie wieder.

      „Warum bist du heute hier?“, lenkte ich also von mir ab und stellte eine Frage, die mir erst jetzt einfiel, die aber eigentlich ganz offensichtlich war. Sie hatte nichts mit einem erzwungen Versuch zu tun, ein Gespräch anzufangen.

      „Rina sagte, sie bräuchte Hilfe für den Umzug einer Freundin. Blair kann solche Sachen nicht ausschlagen. Wenn sie danach fragt, sowieso nicht.“ Dannys Worte wurden von einem zurückhaltenden Lächeln begleitet. Ich wusste nicht, wie er zu dem stand, was er mir erzählte.

      „Aber warum bist du hier?“, hakte ich nach.

      „Ich bin nicht allein hier. Blair hat mich und Rick gefragt. Er brauchte uns zum Anpacken und um die LKW's zu fahren.“

      „Das ist nur eine halbe Antwort.“

      Amüsiert grinste Danny mich an. „Aye, was möchtest du hören, Lass?“

      Ich zuckte mit den Achseln. „Ich wundere mich nur. Was ihr hier macht, macht man für besonders gute Freunde. Für Familie. Das ist kein freundschaftlicher Dienst, den man mal eben für Fremde zur Verfügung stellt.“

      „Stimmt. Weißt du, wie ich fahren muss?“

      Ich sah auf die Straße. „Da vorne links.“

      „Danke.“

      Wir verließen die Stadt und fuhren auf die Landstraße in Richtung des Chautauqua Parks.

      „Rina sagt, Grace ist eine Freundin.“ Er lächelte mich an, als ich überrascht Luft holte.

      „Sie hilft gerne, Blair hilft gerne. Und da wir sowieso hätten arbeiten müssen, ist es Rick und mir einerlei, ob wir hier beim Umzug helfen oder auf der Baustelle stehen.“

      „So einfach ist das also.“

      Er lachte. „Aye, so einfach ist das.“ Ich spürte, wie sein Blick einen Moment auf mir ruhte.

      „Was?“, fragte ich verunsichert.

      „Warum ist das so schwer vorstellbar?“

      „Ist es nicht. Es hat mich überrascht. Aber es ist nett.“ Ich wollte ihm nicht erklären, wieso es mir im Augenblick nicht leicht fiel, dem Leben zuzugestehen, dass es nett sein konnte.

      „Und wo wärst du jetzt, wenn du heute nicht deiner Freundin helfen würdest?“

      „Zuhause.“

      Als ich nicht weitersprach, warf ich Danny einen Blick zu. Er lächelte und wirkte entspannt, aber abwartend. Er gab sich nicht mit diesem einen Wort zufrieden, so viel erkannte ich in seinem Schweigen. Ich gab also nach.

      „Ich arbeite in einer Buchhandlung in der Pearl Street und habe dieses Wochenende frei. Ansonsten arbeite ich oft auch samstags und ... na ja verkaufe eben Bücher.“

      „Eine Buchhändlerin. Das gefällt mir.“

      Überrascht sah ich ihn an. Mit der Reaktion hatte ich nicht gerechnet. „Warum das? Magst du Bücher?“

      „Aye, Lass. Ich lese sehr gerne.“ Er sah mich an. „Was? Schon wieder überrascht?“

      Ich lief rot an. Es war wirklich dumm von mir anzunehmen, dass er kein Buchliebhaber sein konnte, nur weil er Bauarbeiter war. Er musste mich entweder für arrogant oder aber für eine Frau mit vielen Vorurteilen halten.

      „Tut mir leid.“

      Er lächelte. „Dir tut ganz schön viel Leid.“ Er klang nicht wütend, sondern amüsiert.“

      „Was liest du denn?“, lenkte ich ab. Ich hoffte, er ließ es mir durchgehen und das tat er. Wahrscheinlich machte er sich über das alles hier weniger Gedanken als ich.

      „Kurt Vonnegut, Douglas Adams und Kevin J. Anderson sind meine Autoren. Ich habe all ihre Bücher.“

      „Auch gelesen?“, fragte ich nach und war erleichtert, dass es mir gelang neckend zu klingen und nicht ungläubig. Dabei war ich wirklich erstaunt, in ihm einen ScFi-Fan zu entdecken. Er erweckte den Eindruck, Thriller oder Krimis zu lesen.

      „Ja, Lass, gelesen. Manche Werke mehr als einmal. Aktuell habe ich Perry Rhodan für mich entdeckt. Verrückte Geschichten, aber ich mag sie. Hast du schon was von Perry gelesen?“

      So gelang Danny das Unmögliche. Er bekam mich dazu, mich die letzten zehn Minuten unserer Fahrt in ein Gespräch zu verwickeln. Wir redeten über Bücher und Autoren und ihn schien das überhaupt nicht zu langweilen. Als ich begriff, dass er das nicht machte, um es mir leichter zu machen, mit ihm zu reden, taute ich auf. Am Ende war ich ein wenig traurig, als wir den LKW vor Ranch parkten.

      Sobald