Mila Brenner

Wolkenschwäne


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durch die Ehe fliegt.“

      Ich erkannte, dass das ihre neue Art war. Also besaß auch Abygail so was. Einen Umhang, den sie sich umlegte. Nur wirkte er bei ihr wie eine zweite Haut. Abbys neue Geheimwaffe? Ihr schwarzer Humor. Allerdings hatte sie schon vor dem Eheaus mit Jim dazu geneigt, böse Witze zu machen.

      „Nennt Blair dich Lass?“, fragte Abby Rina, und bevor das Gespräch nun zu romantisch wurde, nutzte ich den Moment zur Flucht.

      „Okay, ich gehe dann mal hoch.“

      „Bist du sicher, dass du klarkommst?“, wollte Grace wissen. „Soll ich dir nicht vielleicht helfen, oder ...“

      „Mach dir mal keinen Kopf“, unterbrach ich sie mit einem selbstbewussten Lächeln. Das beherrschte die neue Eden meisterlich. Ein weiterer Erfolg auf der Checkliste für meine Tarnung. Ich fühlte mich wie ein Geheimagent auf wichtiger Mission. Geheimagenten hatten selten Glück in der Liebe und ich hatte aufgehört zu zählen, wie oft James Bond nun schon eine Frau verloren hatte. Ich war James Bond Fan. Ja, auch ich hatte Klischees vorzuweisen.

      Auf jeden Fall fühlte ich mich mit der Einsamkeit eines Geheimagenten verbunden und als ich das Kinderzimmer von Mary öffnete und von dem Chaos eines dreijährigen Mädchens umgeworfen wurde, wappnete ich mich für meine Mission. Sie lautete nicht, das Spielzeug möglichst schnell zu verpacken. Das war Graces Aufgabe für mich. Meine Mission war simpler und gleichzeitig schwieriger. „Verliere ja nicht deine Fassung und fang bloß nicht an zu heulen.“

      Das waren meine Missionen und ich stolz auf mich, als ich bis mittags durchhielt. Grace war zwischendurch oben gewesen, hatte mir eine Flasche Wasser und ein paar Snacks gebracht. Die Frauen waren mit der Küche fertig.

      „Ist es okay, wenn du noch das Zimmer von Phil machst?“

      „Natürlich. Gerne.“

      „Danny kann dich dann mit dem LKW mitnehmen.“ Sie erklärte, dass die anderen für die erste Tour fertig waren und auf der Farm gebraucht wurden, um auszuladen.

      „Ist das okay für dich?“

      Ich hatte den Faden verloren und runzelte die Stirn. Meine Gedanken hatten sich an das Farmhaus gekrallt und ich hatte mich gefragt, wie es wohl aussah. Graces neues Heim. Mit Mann und bald drei Kindern. Der Griff um das Kinderbuch in meiner Hand wurde eisern.

      „Was ist okay?“, fragte ich zögerlich.

      „Mit Danny nachzukommen? Im LKW.“

      „Aber sicher, Grace.“ Es war einerlei. Für mich waren alle Menschen im Augenblick eine Herausforderung. Allerdings hatte ich schnell herausgefunden, dass es mir leichter fiel Fremde zu täuschen, als meine Freunde. Fremde kannten mich schließlich nicht und wussten nicht, dass es früher mal eine andere Eden gegeben hatte. Eine, die fröhlicher und unternehmungslustiger gewesen war. Die mit mehr Herz und Begeisterung die Dinge angepackt und das Leben in vollen Zügen geliebt hatte. Danny konnte mir nicht so gefährlich wie Abby oder Grace werden.

      „Ist eine gute Idee, Grace, wirklich“, fügte ich energisch an, als sie mich immer noch so ansah, als sei sie nicht ganz überzeugt.

      Vermutlich war es der Stress und das Abby nach ihr rief, die den Ausschlag gaben. Meine Freundin nickte mir jedenfalls zu und ging aus dem Zimmer. Ich widmete mich den letzten Büchern und ein paar losen Spielzeugen, die ich noch unter dem Bett und zwischen zwei Schränken gefunden hatte. Als ich damit fertig war setzte ich mich auf Marys Bett, griff nach der Wasserflasche und trank etwas. Ich war so konzentriert bei der Sache, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie anstrengend es war, einem Kleinkind hinter herzuräumen. Woher hätte ich die Erfahrung haben sollen? Ich hatte weder Geschwister mit Kindern, noch selbst welche. Und als Babysitter hatte ich mich auch nie betätigt. Alles, was nicht mit Büchern zu tun hatte, konnte mich als Teenager nur schwer begeistern. Ohne Sephie hätte ich nichts anderes gemacht, als zuhause zu sitzen, zu lernen und zu lesen. Oder mit meinem Vater endlose Spaziergänge zu unternehmen. Nicht besonders aufregend, aber es hatte mir nie etwas ausgemacht. Im Gegenteil. Ich hatte nichts mehr geliebt, als diesen schlichten Alltag. Durch all die Abenteuer, die ich in Büchern erlebte, kam mir mein Leben alles andere als langweilig vor. Auch wenn es nach außen so gewirkt haben mochte. Simon, der selbst das wissenschaftlich orientierte Leben eines Geologie Dozenten führte, hatte sich nie daran gestört. Er war kein großer Partygänger und mit dem Flatirons und den Rocky Mountains vor der Tür war sein Wunsch zu reisen nicht besonders groß gewesen. Wir hatten perfekt zusammen gepasst. Aber geändert hatte das nichts. Jetzt hatte er mich allein gelassen und nichts fühlte sich mehr richtig an. Weder die Dinge, die mir früher etwas bedeutet hatten und mich heute an ihn erinnerten, noch alles hinter mir zu lassen und mich neu zu definieren. Ich versuchte es ja. Und obwohl es mir gelungen war, spürte ich, dass es dabei nur um eine äußere Fassade ging.

      Bevor ich jetzt in Tränen ausbrach, schraubte ich die Flasche wieder zu und beschloss in Phils Zimmer zu gehen und da weiter zu machen. Vorher aber wollte ich Danny Bescheid sagen, dass ich fertig war.

      Ich ging nach unten und mir fiel sofort auf, wie still es im Haus war. Es hatte etwas Unheimliches, durch die ausgeräumte Küche und den leeren Flur zu gehen. Ich fand Danny schließlich im Wohnzimmer. Er war gerade dabei, eine Schrankwand auseinander zu bauen. Noch hatte er mich nicht gesehen und so beobachtete ich ihn eine Weile, ohne mich bemerkbar zu machen. Ich erkannte, wie konzentriert er zu Werke ging, und wie routiniert seine Handgriffe waren. Denn obwohl das nicht seine Möbel waren, schien er trotzdem zu wissen, wo welche Schraube saß, wann er wie umgreifen musste, so dass ihm kein loses Brett aus der Hand glitt und zu Boden fiel. Schließlich trafen sich unsere Blicke, als er sich umdrehte, um ein Regalbrett an die Wand zu lehnen. Statt verlegenem Schweigen erntete ich ein freundliches Lächeln. Das hob meine Unsicherheit auf und half mir über den peinlichen Moment. Im Gegensatz zu ihm war mir nur zu gut bewusst, dass ich ihn beobachtet hatte und wenn er mich nicht entdeckt hätte, hätte ich das vermutlich noch immer. Auf das „warum“ hatte ich keine Antwort und daher war ich nur zu gern bereit die Sache schnell zu vergessen.

      „Hi“.

      Sein Lächeln wurde breiter.

      „Hi“, erwiderte er. Als ich schwieg, deutete sein Kopf in einer knappen Bewegung nach oben. „Bist du fertig mit dem Kinderzimmer?“

      Dankbar, dass ihm das Reden leichter fiel, nickte ich schnell.

      Ich wirkte tatsächlich superkommunikativ. Schon immer war ich eher zurückhaltend gewesen, aber es war mir nie schwergefallen, nett zu sein. Und Danny machte es einem wirklich einfach mit seiner offenen Art. Zum Glück war er lieb genug, sich nicht anmerken zu lassen, wenn er mich für unhöflich oder gar unfreundlich hielt, weil ich trotzdem so kurz angebunden mit ihm umging.

      „Wenn ich hier fertig bin, komme ich hoch.“

      „Danke.“

      Ich ging zur Tür und blieb dann doch wieder stehen.

      Jetzt reiß dich zusammen, Eden, mahnte ich mich selbst. Ich wollte wirklich nicht, dass er mich für unmöglich hielt. Nicht weil Rina, wenn sie das erfuhr, schlecht von mir denken könnte. Ich wollte ganz einfach nicht, dass er das von mir annahm, da es nicht stimmte. Ich war weder schrecklich noch kannte ich nicht das Wort Hilfsbereitschaft.

      Ich drehte mich also wieder zu ihm und erkannte, dass er bereits weiter arbeitete.

      „Soll ich dir helfen?“

      Er sah über die breiten Schultern zu mir. „Bist du denn schon fertig da oben?“

      „Das kann ich doch machen, während du die Möbel im Kinderzimmer abbaust. Die sind nur halb so hoch und schwer wie das da.“ Ich deutete bei meinen Worten auf die halb abgebaute Schrankwand, die an der Wand lehnte, damit sie nicht umfiel.

      Danny nickte. „Klingt vernünftig. Kannst du damit umgehen?“

      Ich sah auf den Schraubenzieher in seiner Hand. „Handwerklich bin ich völlig unbegabt.“ Trotzdem streckte ich die Hand aus, als ich zu ihm kam, und nahm ihm den Schraubenzieher ab. „Aber das kriege ich schon hin.“

      „Klingt wie eine