John Otis

Schtraworski


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und einsperren. Er tritt auf die Bremse, wir schlittern kurz, das ABS piepst. Ich bin nervös, starre vor mich auf den Boden, kann den Blick kaum heben.

      „Wohin?“ Fragt Sammy, die Reifen rauschen lautstark durch den Schneematsch. Wir fahren zum Aldi, du brauchst Stoff, sagt Sammy. Ich nehm den ganzen Plastik-Six-Pack mit. Keine Ahnung, wie viel man so trinkt. Ich bin kein Trinker. Langsam nipp ich am ersten Bier, ekelhaft. Wir fahren ziellos in der Gegend rum. Der weiße Schnee reflektiert den Mond. Wir halten am See. Sammy springt auf den Eisplatten. Die ächzen und knacken. Ich hab die Hälfte von meinem Plastikflaschengesöff runtergewürgt. Die Bank aus dünnem Metallgewebe ist arschkalt. Aber wenigstens liegt kein Schnee drauf. Wir sitzen lange da. Es ist schwer zu reden. Um 11:45 Uhr bin ich zu Hause. Ich hab mich nicht getraut, das Ganze schon früher abzubrechen. Den Rest vom Bier schmeiß ich in Nachbars Garten. Ich hab zwei getrunken. Muss so sein, gehört ja zum Spiel. Ich glaube ich bin betrunken. Mein Gang schwankt. Hab mein Schlüssel liegen lassen. Klingelingeling.

      „Scheiße, wo warst du?“ Fragt mein Vater.

      „Draußen“, sag ich, die Laute fühlen sich komisch an, mein Mund ist wie gelähmt.

      „Du hast getrunken.“

      „Natürlich“, sag ich, „Pepsi, Cola, ein Evian. Man muss trinken, sonst verdurstet man.“ Hab die gar nicht kommen gesehen. Jedenfalls blute ich jetzt. Alles ist dumpf und irgendwie besser.

      „Geh auf dein Zimmer“, sagt er. Ich mal einen Anti-Smiley aus Blut auf meinen Schreibtisch. Wisch ihn wieder weg, soweit das geht, leg mich ins Bett. Ich kann nicht schlafen. Jedes Wort von Sammy hallt mir durch den Kopf, wiederholt sich und wiederholt sich und wiederholt sich. Am morgen weiß ich nicht, ob ich überhaupt geschlafen habe.

      6

      Die erste Stunde fällt aus. Herr Gräser hat kein Bock auf Deutsch. Wahrscheinlich lutscht ihm seine Frau grad einen. Eklig, sich sowas bei alten Leuten vorzustellen. Aber für ihn isses bestimmt noch viel ekliger sich vorzustellen, wie ich Sex mit ner Frau hab, die genauso attraktiv ist wie ich. Ich überlege wieder nach Hause zu stapfen. Das haben die meisten wohl schon gemacht. Vor dem Klassenzimmer bildet sich ein kleines Grüppchen. Martin, Steffen, der hässliche Gunnar und: Caroline Hintermeyer! Ich stellt mich schweigend dazu. Ein paar Pipimanns hier, ein paar Pipimanns da. Mich lässt man in Ruhe. Der hässliche Gunnar ist wie ein großer fetter Schirm. Wir laufen in der Gegend rum. Zum Spielplatz, wieder zurück, zum Supermarkt. Ich versuch einen Platz neben Caroline Hintermeyer zu ergattern. Der hässliche Gunnar blockiert. Ich beschleunige, gehe vor ihm, versuch ihn auszubremsen. Nicht mit dem hässlichen Gunnar! Er läuft einfach weiter, schubst mich mit dem Bauch vor sich her. Ich versuchs von hinten, wie wir um die Kurve gehen. Die innere Laufbahn ist viel kürzer. Der hässliche Gunnar siehts zu spät. Bäm! Hab sein Platz. Caroline Hintermeyer riecht gut. Der hässliche Gunnar knurrt, piepst, versucht nun seinerseits ein Manöver. Geht rechts vor mir, springt aufs linke Bein, das hab ich nicht kommen sehen! Dieser springfreudige Drecksack! Ich muss rechts an ihm vorbei, eine Kollision wäre verheerend. Aber egal, jetzt sind wir wieder am Gymi, stehen im Kreis.

      Ich zittere.

      „Musst dich ja nicht gleich bepissen“, sagt Martin zu mir und irgendwie auch zu Gunnar. Alle lachen.

      Er redet wieder mit Caroline Hintermeyer. Lässt dann noch ein paar Kommentare über mein schönes Gesicht los, die bloß er witzig findet. Sammy läuft vorbei. Cool bleiben.

      „Hussaarrrrrr!“ Sagt er, grinst, reicht mir die Hand. Ich klatsch sie mit der linken ab, wie ein tiefes high five, weil ich gradn bisschen bekloppt bin. Das muss dann auch ziemlich merkwürdig ausgeschaut haben, aber alle gucken nur komisch, keiner lacht.

      „Na, auch die erste als Freistunde?“ Frag ich, piepsig, zittere etwas heftiger.

      „Nö!“ Sagt er, lacht, ich lache mit.

      „Muss dann auch mal“, sagt er, „ruf mal an!“ Und weg isser. Ja, ich kenne diesen coolen, jungen Mann. Ja, diesen Draufgänger, der einfach mal so nen lässigen Spruch ausm Ärmel geschüttelt hat. Ein Bekannter von mir. Ein Freund? Könnte man so sagen. Kurzes Schweigen.

      „Du bist so hässlich“, sagt Martin.

      „Wo isn eigentlich dein Homo-Freund, Thomas?“ Frag ich, beflügelt von Sammys Freundschaft, „habt ihr euch heute schon die Schwänze gelutscht?“

      Martin schaut ungläubig. Um meine Kampfansage zu unterstreichen fische ich lässig eine Zigarette aus meiner Hosentasche, will sie anzünden. Da knallt er mir schon eine in die Magengegend. Ich sacke zusammen, lass das Feuerzeug fallen.

      „Du spinnst doch!“ Sagt Caroline Hintermeyer empört, hebt das Feuerzeug auf und gibt es mir. Es gongt, ich bleibe noch ein paar Minuten alleine im Schnee sitzen, rauche.

      War das die richtige Entscheidung? Will ich wirklich leben?

      Sammy spielt die Flöte wie kein zweiter. Er fiedelt rum, seine Finger bewegen sich schneller, als ich schaun kann, er hüpft auf seinem Bett, springt, schlägt sich fast den Kopf an der Decke an.

      „SOLOOOO!“ Brüllt er, legt los. Komische Melodien ertönen, klingt manchmal ein bisschen schief.

      Ihm reichts, er schmeißt die Flöte gelangweilt über seine rechte Schulter, sie landet unsanft aufm Boden. Er kickt sie unters Bett. Das ist also sein Zimmer. Tarantino posiert mit Pistole, zwei scharfe Lesben küssen sich daneben. Geschmackvolles Poster, fast schon ein bisschen unschuldig, jedenfalls sind sie nicht nackt. Er zeigt mir Bilder von Brüsten. Mit Bleistift gemalt, fein ausstaffiert. Wirklich gut! Die springen einem geradezu ins Gesicht.

      „Hast das ganz gut in 3D hingekriegt“, sag ich. Er hat tausende davon gemalt. Totale Fixierung auf Titten. Nackt, mit BH, mit Push-Up, groß, klein. Alles dabei. Ich bin mehr so der Arsch-Mensch. Da ist auch ein Portrait von Frau Leipelt dabei. Ne Lehrerin. Die hübsche Frau Leipelt. Die arme Frau Leipelt! Die Welt hasst sie schon genug für ihre Schönheit, jetzt ist sie auch noch Lehrerin geworden. Und die komplexbeladenen Lehrer hassen sie nur noch viel mehr dafür. Läuft auch immer irgendwie depri rum, als hätt se einen sitzen. Wenigstens wird sie bestimmt regelmäßig ordentlich durchgenudelt.

      Sammy packt die Zeichnungen weg.

      „Gehst du da hin?“ Fragt er, zieht nen zerknüllten Flyer aus der Hosentasche, fläzt sich auf sein Bett. Jetzt, wo ich mich nicht mehr über die Bilder beugen kann, weiß ich gar nicht, wo ich hin soll. Unbeholfen bleib ich einfach mitten im Zimmer stehen. Aufs Bett setzen? Ich bin doch kein Homo. 3 Euro Eintritt, 1 Euro Shots.

      „Ich mag sowas eigentlich nicht“, sag ich, ich sollte so was aber mögen. Vielleicht wirds schön?

      „Musst mal runterkommen“, sagt er. Marschiert ausm Zimmer raus, kommt mit zwei Bieren wieder. Sein Feuerzeug lässt die Kronkorken durchs Zimmer flippen. Ich glaub ich steh nicht so auf Bier, nippe dran, würgs runter.

      „Ich muss gehen, es ist spät“, sag ich, „Hausaufgaben...“

      Wir verabschieden uns.

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