Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben


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ihnen zog eine kleine, einmotorige Sportmaschine ihre Bahn. Am Heck des Fliegers flatterte ein Band, auf dem etwas stand.

      `Je t'aime. Sur toujours et éternellement ! (Ich liebe dich. Auf immer und ewig!) ´, war da sehr deutlich zu lesen.

      „Du bist verrückt, Geliebter. Weißt du das?“ Leilani sprach sanft und leise, Tränen rannen über ihre Wangen.

      „Nun, ich bin kein Mann vieler Worte, wenn es um Gefühle geht. Aber so kann ich dir zeigen, was ich empfinde.“

      „Ich liebe dich auch, Tris.“

      „Also, wir sehen uns morgen Abend, ja?“ Tristan sah immer noch zu ihr hoch und lächelte breit. Natürlich registrierte er Leilanis Kollegen, die allesamt neugierig an den Fenstern klebten, aber er hatte nur Augen für seine Auserwählte.

      Denn das war sie für ihn.

      „Morgen Abend.“ Leilani warf ihm eine Kusshand zu und legte auf. Als sie sich umdrehte sah sie, wie Anita regelrecht an der Fensterscheibe klebte. Aus den Neben­zimmern war anschwellendes Gerede zu hören und ein paar Sekunden später ging die Tür auf.

      Leilani ignorierte die Fragen ihrer Kollegen und setzte sich mit einem Lächeln hin. Sie schwieg und strahlte.

      Kurz vor Feierabend ging die Tür auf und Anita Kollwitz´ Freund Tufek Al´Harq kam in die Büroräume. Er lächelte Leilani höflich zu und beugte sich zu Anita hinunter, die ihn liebevoll anschmachtete.

      „Sie hatten letzte Woche Urlaub, nicht wahr?“, fragte der Tunesier Leilani.

      „Ja, hatte ich. Wie geht es Ihnen, Tufek?“ Leilani betrachtete den Tunesier und fand, dass er ein gut aussehender Mann war, wenn auch etwas klein für ihren Geschmack.

      >Guter Gott! Früher hatte ich solche Gedanken nicht. Aber da wusste ich ja auch nicht, was mein Geschmack ist. Jetzt habe ich Tris. Kein Vergleich nötig. <

      „Tufek hat seit einer Woche ein Tattoo, Leilani“, sagte Anita plötzlich.

      „Will ich wissen, wo?“, fragte Leilani und grinste die beiden an.

      „Nichts Spektakuläres“, grunzte Tufek und funkelte leicht verärgert seine Freundin an. „Nur ein … Schutzzeichen. Hier.“

      Tufek streckte Leilani seinen linken Unterarm entgegen. Dort war ein auf dem ersten Blick unterbrochenes, rundes Muster. Leilani sah genauer hin und entdeckte, dass ein gleichschenkliges Kreuz tätowiert worden war. Die Zwischenräume waren mit T-förmigen Kreuzen gefüllt.

      „Das ist interessant. Hat das eine besondere Bedeutung? Sie sagten ja, es wäre ein Schutzzeichen.“

      „Gegen das Böse. Ich bin religiös, wissen Sie?“

      Leilani nickte. „Dabei dachte ich immer, Sie wären Moslem. So kann man sich irren. Entschuldigt mich jetzt, ihr zwei, aber ich muss unbedingt einkaufen gehen. Mein Kühlschrank ist leer.“

      Leilani griff ihre Handtasche, vergewisserte sich, dass sie ihren Arbeitsplatz ordentlich verließ und ging aus dem Büro. Sie lief schnell zur Treppe, lief sie noch schneller hinunter und rannte zu ihrem Auto auf dem Parkplatz. Kaum saß sie in ihrem Fiesta verriegelte sie die Türen und fuhr mit quietschenden Reifen vom Parkplatz. Sie fuhr nicht direkt nach Hause, sondern raste förmlich auf den Parkplatz eines Supermarktes, bremste hart auf einem Parkhafen ab, starrte mit panischem Blick über das Lenkrad auf das Gebäude des Supermarktes.

      >Das kann nicht sein. Das sind einfach zu viele Zufälle! <

      Leilani schaltete mit zitternden Händen den Motor aus und atmete erst einmal tief durch. Dann suchte sie ihr Handy aus der Handtasche und wählte eine Nummer, die in ihrem Telefonbuch gespeichert war.

      „Wer hat denn jetzt Sehnsucht?“, fragte Tristans warme Stimme in seinem atembe­raubenden Bass.

      Leilani beruhigte sich augenblicklich, aber sie wusste, dass ihre Botschaft Tristan in Alarm versetzen würde. „Der Freund meiner Kollegin hat neuerdings eine Täto­wierung auf seinem linken Unterarm. Es ist das koptische Kreuz, dass du mir gezeigt hast.“

      Es vergingen mehrere Sekunden, bis Tristan langsam und zischend die Luft aus seinen Lungen stieß. „Wo bist du jetzt?“

      „Auf dem Parkplatz eines Supermarktes. Nachdem ich das Tattoo gesehen habe bin ich sofort los. Ich habe meiner Kollegin und ihrem Freund gesagt, dass ich noch dringend einkaufen gehen müsste, da mein Kühlschrank leer sei. Ist nicht mal gelogen. Ich glaube nicht, dass Tufek Al´Harq Verdacht geschöpft hat.“

      „Hat er was gesagt?“

      „Dass es ein Schutzzeichen gegen das Böse wäre.“

      Leilani spürte regelrecht, wie es in Tristan arbeitete, ohne ihn zu sehen.

      „Gut. Geh in Ruhe einkaufen, bring die Sachen nach Hause. Lass dir Zeit, geh noch shoppen oder so. Ich trommle die Jungs zusammen und wir sind in etwa einer Stunde in deiner Wohnung. Dann kannst du alles erzählen.“

      „Ist gut, Tris.“

      „Lani?“

      „Ja, Tristan?“

      „Pass bitte auf dich auf. Geh kein Risiko ein. Wenn dir etwas merkwürdig vorkommt, verschwinde.“

      „Verlass dich drauf.“

      Leilani legte auf und verließ das Auto. Ihre Knie zitterten ein wenig, aber sie riss sich zusammen. Wenn sie beobachtet werden sollte war es besser, so unauffällig wie möglich zu agieren.

      >Unauffällig. Pah! Ich bin wie von Taranteln gestochen auf diesen Parkplatz gerast und gehe jetzt langsam in den Supermarkt. <

      Sie überlegte kurz, was sie eigentlich so aufgebracht hatte.

      Ben und dann Tristan hatten ihr von den `Kriegern des reinen Glaubens´ berichtet. Eine Organisation, die im 3. Jahrhundert unter dem damaligen koptischen Papst in Ägypten gegründet worden war. Ursprünglich kämpften diese Krieger für ihren koptischen Glauben und waren der militärische Arm der Kirche. Sie kamen irgend­wann aus der Mode, fielen im Laufe des 16. Jahrhunderts beim damaligen Papst in Ungnade und wurden aufgelöst.

      Aber offenbar nicht vollständig. Einige Krieger versprengten sich in Europa und Vorderasien, warteten über Generationen auf eine Neubelebung. Und die kam, ir­gendwann, von irgendjemanden, aus irgendeinem Anlass. Heute waren diese Krieger, auch Legionäre genannt, mit modernsten Waffen und Techniken ausgestattet. Ihr Ziel war es nicht mehr, die koptische Kirche zu beschützen, sondern das Böse aus der Welt zu tilgen.

      Das Böse, das sich in Form von Dämonen manifestierte.

      Dämonen, zu denen ihrer Meinung auch Vampire gehörten.

      Aber es gab keine Dämonen und böse Geister.

      Und Vampire waren eine natürliche, durch die Evolution geformte Spezies.

      Tristan hatte Leilani alles in Ruhe erklärt, sie eingeweiht. Er hatte ihr das koptische Kreuz gezeigt, sodass sie, wenn sie auf jemanden mit einer entsprechenden Täto­wierung traf, vorgewarnt war.

      Nur hatte Leilani nicht damit gerechnet, dass sie sobald auf jemanden treffen würde.

      Sie schob den Einkaufswagen durch die Gänge und packte das nötigste in den Korb: Brot, Geflügelaufschnitt, Quark, Joghurt, Gemüse und Obst.

      >Milch brauche ich noch. Und Eier. Verdammt, ich bin viel zu ruhig! <

      Leilani ging zur Kasse, bezahlte und stellte die Einkaufstüte in den Kofferraum. Dann fuhr sie nach Treptow rein und lenkte ihr Auto in das Park-Center am Treptower Hafen. In aller Seelenruhe bummelte