Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben


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Göttern sei Dank!“, seufzte sie und lehnte sich gegen den Türrahmen der Küche.

      „Wir haben jegliche Erinnerung an uns in ihr getilgt. Sie wird morgen ganz normal im Büro auftauchen, wie üblich.“

      „Und was ist mit Tufek?“ Leilani hatte eigentlich Angst zu fragen. Aber sie musste es wissen, ihre Verstrickung war schon tief genug, es gab kein Zurück mehr.

      Tobias schwieg einen Moment und seine Augen glommen kurz schwarz auf. „Ben wird sein Verschwinden so aussehen lassen, als hätte er zu seiner Familie nach Tunesien zurück müssen.“

      Einen Moment starrte Leilani Tobias an. Sie hatte sofort verstanden, was er meinte, musste aber die Information erst einmal sacken lassen. „Ging es schnell?“

      Tobias nickte. „Er hatte drei von uns getötet, war bis zuletzt der Meinung, wir wären widernatürliche und gottlose Kreaturen. Die, die er getötet hatte, starben relativ schnell durch seine Hand. Und selbst wenn nicht, so vergelten wir nicht Gleiches mit Gleichem, Leilani. Ben hat ihm schnell und sauber das Genick gebrochen.“

      Leilani holte ein paar Mal Luft. Ihr war leicht übel, aber sie verstand die Notwen­digkeit. „Was habt ihr herausbekommen?“

      „Er war tatsächlich auf dich angesetzt, Leilani.“

      Tristan knurrte, nahm sie in seine Arme.

      „Er hatte den Auftrag, durch deine Kollegin Anita an dir dran zu bleiben. Dabei war es wichtig, dass er sich dir nicht zu sehr nähert, sondern Abstand bewahrt. Anita war für ihn nur Mittel zum Zweck.“

      Leilani grübelte. „Aber es wäre doch besser gewesen, wenn er direkt mit mir Kontakt aufgenommen hätte. Dann hätte er mich doch viel besser observieren können.“

      „Sein Auftrag lautete, dich zu beobachten. Und mögliche Liebhaber zu verscheu­chen.“

      Tristan horchte auf. „Wie bitte? Das ist doch …. Warum?“

      Tobias hob die Schultern. „Das wusste er auch nicht. Er wusste nur, dass sie unberührt bleiben sollte.“

      Kälte stieg in Leilani hoch, eine Kälte, die Übelkeit verursachte.

      „Das sind zu viele Zufälle, Lani!“, raunte Tristan und seine Zähne knirschten vor Anspannung.

      „Da gebe ich dir Recht. Aber was jetzt?“ Leilani verspürte plötzlich Angst, reelle und unerklärliche Angst. Etwas stimmte so ganz und gar nicht, passte nicht ins Bild.

      „Ich gehe dann mal nach Hause, ihr Zwei“, sagte Tobias und sah seinen Freund lange an.

      >Bleibst du heute Nacht bei ihr? <

      >Natürlich. Danke, Partner. <

      Tobias lächelte müde und ging. Leilani drehte sich um und kuschelte sich in Tristans Arm, barg ihr Gesicht an seine breite, muskulöse Brust. Tristan dachte nicht daran, sie jetzt loszulassen.

      „Es tut mir leid, Lani“, flüsterte er irgendwann.

      Sie hob den Kopf und sah ihn verwirrt an. „Was tut dir leid?“

      „Das du das miterleben musst. Hätte ich dir gern erspart.“

      „Das gehört zu deinem Leben, Tris. Und damit jetzt zu meinem. Irgendwann wäre ich damit konfrontiert worden, warum nicht heute? Ist schon okay, ich bin ein großes Mädchen.“

      Er küsste ihre Stirn, die Schläfen, die Lider. „Ich würde gern heute Nacht hierbleiben. Ist das für dich in Ordnung?“

      Leilani lächelte müde. „Ich wäre sauer gewesen, wenn du gegangen wärst.“ Sie nahm seine Hand und zog ihn in ihr Schlafzimmer.

      >Weiber! <, dachte Tristan, schmunzelte aber.

      Kapitel 6: „Wehre dich nicht!“

      Leilani saß Anita gegenüber und hatte ein schlechtes Gewissen. Am Morgen war die dralle Kollegin mit durch Tränen aufgeweichtem Gesicht in das Büro gekommen, einen Brief in der Hand haltend. Mit stockender Stimme und kaum verständlichen Worten hatte Anita Leilani zu verstehen gegeben, dass Tufek sie von gestern auf heute einfach so verlassen hatte, um zu seiner Familie nach Tunesien zurückzukehren und eine Frau zu heiraten, der er versprochen war. Dieses hatte er in einem Brief mitgeteilt, den sie am Morgen auf der Fußmatte vor ihrer Wohnungstür gefunden hatte, zusammen mit ihrem Haus- und Wohnungsschlüssel.

      >Das hat Ben wirklich gut hinbekommen. Aber warum fühle ich mich so … schuldig? <

      Leilani tröstete ihre Kollegin so gut sie konnte, wohl wissend, dass sie die Wahrheit hinter der Geschichte kannte und sie ihr niemals sagen würde, sagen konnte. Ver­bitterung stieg in ihr hoch, aber sie schluckte sie wieder herunter.

      >Kein Zurück! <

      Anita war nach einigen Stunden von ihrer Schwester von Arbeit abgeholt und nach Hause gebracht worden. Vermutlich würde Anita den Rest der Woche zu Hause bleiben, in Schüben zwischen Wut und Trauer gefangen. Aber das war das Beste.

      Leilani ging nachdenklich die Stufen in ihrem Haus hoch. Tristan hatte, nachdem er sich heute Morgen sehr liebevoll von ihr verabschiedet hatte, sich nochmal am frühen Nachmittag gemeldet. Es würde heute Abend nicht klappen, dass sie sich trafen, es war etwas dazwischengekommen. Leilani fragte nicht nach, war im Grunde auch froh, dass sie diesen Abend mal für sich hatte.

      >Dreieinhalb Wochen. In dieser Zeit ist so unglaublich viel geschehen. Dreieinhalb Wochen. <

      An der Wohnungstür musste sie plötzlich kichern. >Klingt wie der Titel eines Films. So in etwa. <

      Kaum hatte sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen spürte Leilani, das etwas anders war.

      >Nicht schon wieder! <, dachte sie und sah in die Küche.

      Ein Schrank von einem Mann stand ruhig da und starrte sie mit schwarzen Augen an. Der Mann hatte ein südländisches Aussehen, schwarze, kurzgeschorene Haare und einen akkurat getrimmten Vollbart, der sich elegant um das brutal aussehende Gesicht wand. Er trug einen hellgrauen Designer-Anzug, einen dunklen Schlips und dunkle Schuhe. An dem kleinen Finger der linken Hand steckte ein goldener Ring.

      Leilani kam nicht einmal auf die Idee, wegzurennen. Sie hätte keine Chance gehabt, das war ihr sofort klar, zumal der Mann jetzt, offensichtlich höflich lächelnd, die Oberlippe hochzog und zwei sehr lange und spitze Eckzähne entblößte.

      Leilani schluckte. >Darius! <, schoss es ihr durch den Kopf. Der fremde Mann machte mit seiner Hand eine Geste, die sie in Richtung Wohnzimmer schickte. Sie holte tief Luft und folgte der Aufforderung. Dabei klammerte sie sich an ihre Handtasche, die sie immer noch in der Hand hielt.

      Im Wohnzimmer saß Darius alias Hagen Sörensen auf dem Sessel und sah Leilani kalt lächelnd entgegen. Zwei Männer, ebenfalls in Designer-Anzügen, standen links und rechts hinter dem Sessel. Der Linke war nicht besonders groß und eher hager, sein Gesichtsausdruck wirkte gelangweilt, anteilnahmslos. Der Rechte hatte in etwa Tristans Statur, war aber ein wenig kleiner. Grausame schwarze Augen blickten sie abschätzig an, und für einen winzigen Augenblick konnte sie so etwas wie Begehren erkennen.

      Leilani riss sich zusammen, um ihr Zittern zu verbergen.

      „Hallo, meine Sonne.“ Darius Stimme, die die Worte von Hagen Sörensen benutzte, traf Leilani wie ein Schlag in die Magengrube. Saphirblaue Augen, so vertraut und doch fremd, sahen sie aus einem gut geschnittenen Gesicht an. Um die fein ge­schwungenen Lippen des Mannes lag ein kaltes Lächeln, der gepflegte Vollbart umrahmte Unterkiefer und Mund. Die Hände, kräftig mit kurzen, aber gepflegten Fingern, lagen gefaltet auf seinem Schoß,