Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben


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ging lächelnd auf Tristan zu und umarmte ihn. „Jetzt weißt du wie es uns geht, wenn du auf irgendeine Mission gehst. Aber versprochen, wir passen auf.“ Sie gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. Dann zwinkerte sie Leilani zu und ging mit Jan aus der Wohnung. Ben folgte ihnen und klopfte dem Lothringer im Vorbeigehen kurz auf die Schulter.

      Tobias Kerner schickte seinem besten Freund und entfernten Verwandten einen freundlichen Gedanken und folgte langsam seinen Freunden.

      „Du wärst sehr gerne mit ihnen gegangen“, stellte Leilani fest.

      „Ja. Aber sie haben schon Recht.“ Er hatte ihr den Rücken zugekehrt und stand unschlüssig im Wohnzimmer.

      „Du musst nicht auf mich aufpassen, Tris. Geh´ schon.“

      Tristan drehte sich um und sah Leilani Stirn runzelnd an. „Nein, Lani. Das wäre falsch. Die anderen haben Recht, du könntest in Gefahr sein. Und ich bin dein bester Schutz, Geliebte.“

      Leilani sah ihn lange an, dann stahl sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen. „Na gut. Dann mache ich uns ein kleines Abendbrot.“ Sie stand auf und nahm die Tüte mit den CDs, gab sie Tristan.

      „Habe ich vorhin gekauft. Machst du Musik an, während ich in der Küche bin?“

      Tristan nickte und nahm die Tüte entgegen. Nachdenklich sah er der Frau hinterher, als sie das Wohnzimmer verließ.

      Tristan saß auf der Couch und Leilani hatte sich in seinen Arm gekuschelt. Gedankenverloren streichelten seine Fingerspitzen über ihren Arm, während er mit leerem Blick auf die Wand starrte.

      Leilani spürte die Anspannung in Tristan. Vor drei Stunden waren die anderen gegangen und hatten Tristan bei Leilani zurückgelassen. Sie hatten zu Abend gegessen, Musik gehört und sich unterhalten. Tristan hatte von seinem Schloss in Lothringen mit angrenzendem Gestüt und den Weinbergen erzählt. Von seiner Blockhütte irgendwo in Kanada an einem kleinen See, der ihm ebenfalls gehörte. Von seinem Chalet in den Französischen Alpen.

      „Können wir irgendwann vielleicht gemeinsam Urlaub machen?“, hatte Leilani gefragt. „In Kanada? Oder in deinem Chalet?“

      Tristan hatte gelächelt, aber das Lächeln hatte seine Augen nicht wirklich erreicht.

      „Ich würde gerne wissen, was dir durch den Kopf geht“, sagte sie jetzt leise und zupfte an einem Härchen auf seinem Arm. Auf der braungebrannten Haut wirkten diese Haare heller, als sie eigentlich waren, aber Leilani empfand das als wunder­schönen Kontrast.

      „Ich habe dich in Dinge hineingezogen, deren Tragweite ich hätte voraussehen müssen“, murmelte Tristan.

      Leilani presste ihre Lippen zusammen, holte durch die Nase kurz und scharf Luft. „Bereust du das mit uns?“

      Tristans Herz setzte einen Moment aus, dann durchfuhr ein Zittern seinen Körper. „Egoistisch wie ich bin? Nein. Auf keinen Fall. Aber ich bringe dich nur in Gefahr.“

      Leilani richtete sich auf und sah ihm ernst in die grünbraunen Augen, die jetzt vor Sorge und Kummer dunkelgrün waren.

      „Jetzt hör mir mal gut zu, Tristan. Nicht du hast mich in diese Situation gebracht, sondern, wenn man es genau nimmt, Darius. In der Nacht, als ich erfuhr, wer und was du bist, was ihr alle seid, hätte ich wegrennen können. Du oder ein anderer hätte mir meine Erinnerung nehmen und ich hätte mein Leben wie bisher führen können. Es war meine Entscheidung, bei dir zu bleiben. Meine!“

      Tristan sah in die jadegrünen Augen, deren bronzener Strahlenkranz erzürnte Blitze abfeuerten. Ihre Wangen waren gerötet, die Stirn leicht gerunzelt. „Ich hätte dich wegschicken sollen“, sagte er lahm.

      „Und was dann? Dann würdest du noch mürrischer als vorher umherlaufen, habe ich Recht?“

      Indigniert zog Tristan die Brauen hoch setzte zum Sprechen an.

      „Ich könnte morgen auf die Straße gehen und von einem LKW überfahren werden. Oder ein Ast bricht ab und erschlägt mich. Oder ein Dachziegel. Oder ich könnte bei einem Raubzug in einem Kamin stecken bleiben und elendig verdursten oder er­sticken.“

      „Das ist nicht witzig!“, zischte Tristan und merkte, dass er wütend wurde. Wütend, weil sie Recht hatte.

      „Stimmt. Aber so ist das Leben, Tristan. Egal, ob du eine normale menschliche Lebenserwartung hast oder die nahezu unerschöpfliche eines Vampirs: es gibt keine Garantien! Für nichts und niemanden.

      Und deswegen, weil ein Leben letztendlich endlich ist, genieße ich jeden Augenblick davon. Auch ich bin egoistisch, wenn es um uns geht. Ich will dich in meiner Nähe wissen, dich spüren, dich lieben, dich in den Wahnsinn treiben. Und ich möchte von dir in den Wahnsinn getrieben werden, vor Lust nicht mehr klar denken können. Ich will, dass mein Herz für den Rest meines Lebens Kapriolen schlägt, wenn ich nur an dich denke. So wie jetzt.“

      Tristan sah in ihr Gesicht. Ihre leidenschaftliche Ansprache ließ ihre Atmung schneller werden, die Brust hob und senkte sich aufgebracht.

      „Ich habe auch Angst. Angst, dich zu verlieren“, gestand Leilani und ihre Unterlippe begann zu zittern. „Ich habe verstanden, was du für dein Volk machst, in was für Gefahren du dich bringst. Aber ich werde dich niemals zurückhalten, Tristan. Niemals. Dazu bist du für die Vampire zu wichtig.“

      Hatte Tristan irgendwelche Zweifel an der Richtigkeit seiner Wahl gehabt, verflogen die nun endgültig und restlos. Er zog Leilani an sich und grub sein Gesicht in ihre Halsbeuge.

      „Ich danke dir, Gott!“, flüsterte er. Dann küsste er ihren Hals hinauf, über den zarten Schwung des Unterkiefers zu ihren Lippen, verweilte dort einen Moment in einem zarten Abstand. Dann versanken beide in einem langen und leidenschaftlichen Kuss, klammerten sich aneinander.

      Tristan hatte jedes Zeitgefühl verloren, als er sich von ihr löste und Leilani ins Gesicht sah. Ihre Lippen waren durch den Kuss geschwollen und rot, die Augen glühten in entfachter Lust, aber sie hielt sich zurück.

      „Ich würde dich am liebsten in das nächste Flugzeug setzen und zu Rashid ins Refugium schicken“, meinte er. „Dort wärst du in Sicherheit.“

      Leilani seufzte. „Ich möchte zwar irgendwann Rashid und dessen Frau kennen lernen, aber bitte nicht unter dramatischen Umständen, wenn´s geht. Außerdem, wie lange soll ich mich denn dort verstecken? Hinter Darius bist du seit 829 Jahren her. Und was diese fanatischen Glaubenskrieger betrifft, die werdet ihr kaum mit einem einzigen Streich erledigen können.“

      Tristan strich sanft über Leilanis Gesicht und sein Lächeln vertiefte sich immer mehr, erreichte nun doch seine Augen. „Was habe ich nur für eine kluge und verständnis­volle Frau.“

      „Das geht sogar noch weiter.“ Leilani nahm seine Hand und küsste die Handfläche. „Ich weiß sehr wohl, dass es Dinge geben wird, die du mir nicht berichten darfst. Das ist okay. Wenn ich also mal was nachfrage und du darfst das nicht sagen, sage einfach, das du es nicht sagen darfst!“

      Zweifelnd rümpfte Tristan die Nase. „Und du wirst dann nicht sauer sein?“

      „Das habe ich nicht gesagt. Wahrscheinlich werde ich zuerst sauer sein, weil du ein Geheimnis vor mir hast. Aber dann werde ich, weil ich klug und verständnisvoll bin, wie du schon richtig erkannt hast, dir verzeihen.“

      Tristans Anspannung löste sich in einem langen und wunderbaren Lachanfall, in dem Leilani einstimmte und zusammen lachten sie, bis es an der Haustür klingelte.

      Tristan stand auf und ging zur Wohnungstür, horchte, wer die Treppe hochkam. Es war Tobias, der Tristan ein Erkennungssignal sandte. Die beiden Männer umarmten sich stumm und Leilani betrachtete sie, wie sie, so ähnlich und doch verschieden, zu ihr hinüberblickten.

      „Anita