Peter Polonius Teichmann

Jahre auf See


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unseres Zossens.

      Die Tage und Wochen vergingen; unser Dampfer lief einen Hafen nach dem anderen an. Dazwischen rollten und schlingerten wir entlang der westafrikanischen Küste. Der Schweiß floss in Strömen und der einzige der sich wohl zu fühlen schien war Hugo. Auf See turnte er an langer Leine auf Luke zwei oder drei herum, im Hafen vorn auf der Back. Sein Appetit wuchs von Tag zu Tag, seine Kraft und Geschicklichkeit nahm in gleichem Maß zu. - Dann dampften wir mit nördlichem Kurs in Richtung Europa. Das Wetter wurde stürmisch, unser Eimer stampfte in nordwestlicher Dünung, Spritz- und Regenwasser peitschten über das Schiff. Richtig ungemütlich wurde es aber erst in der Biscaya. Da bekamen wir ordentlich einen auf die Mütze. Der Dampfer nahm Wasser über Deck und Luken und es gab an einigen Tagen keine Chance, dem Affen sein Fressen zu bringen. Selbstverständlich saß Hugo während dieser Zeit im Kabelgatt, wohin ich ihn rechtzeitig gebracht hatte. Dort hockte das Tier praktisch in Einzelhaft im Dunklen. Aber was sollten wir machen, in die Mannschaftsquartiere durften wir das Tier nicht nehmen, das hatte der Alte ausdrücklich verboten und uns vom Ersten ausrichten lassen. Endlich klarte es auf, das Wetter wurde besser und ich riskierte in Lee einen Spurt übers Vorschiff. In der linken Hand hielt ich Hugos Futternapf, die rechte Hand musste ich frei haben, um rechtzeitig nach dem Strecktau zu greifen. Falls Rasmus nämlich unvorhergesehener weise über die Verschanzung stieg, riss es einem im Nu die Beine weg und dann half nur noch der schnelle und feste Griff zum Strecktau. Als ich das Schott zu Kabelgatt aufstieß und Licht machte, konnte ich Hugo zunächst nicht entdecken. Endlich fand ich das Tier. Es kauerte versteckt hinter einer der großen Manila Rollen und sah mich verstört an. Als ich nach ihm griff, schnappte er und hätte mich ums Haar gebissen. Erst nach langem Zureden und Locken mit dem Fressnapf traute sich Hugo aus seinem Versteck hervor und fraß in Eile den Napf leer. Dann sah er mich ängstlich an und wich zu meiner großen Überraschung vor mir zurück. Alles Zutrauen war verschwunden. Tags darauf schien die Sonne. Die Biscaya lag hinter uns, der Englische Kanal vor uns. Bernhard hatte den Affen mit viel Mühe aus dem Kabelgatt heraus gelotst. Hugo saß wieder auf Luke zwei, machte aber einen verstörten Eindruck. Irgendwie fühlte er sich nicht mehr wohl. - Ich strich gerade auf dem Achterschiff eine der Winschen mit grauer Farbe. Kraake hatte den Flaggenstock aus seiner Halterung geschraubt, ihn an Deck zwischen die Poller gelegt und weiß gestrichen. Danach half ihm einer der Matrosen den Flaggenstock wieder an seinen ursprünglichen Platz zu befestigen. Auf einmal hörte ich lautes Geschrei aus dem Maschinenraum. Das achtere Schott flog auf und heraus sprang Hugo, gefolgt von unserem zweiten Maschinisten, der hinter dem Tier her fluchte. Der Affe machte einen Satz, sprang mit seinen verölten Füßen, mit denen er Minuten zuvor zwischen den Ventilen des Schiffsdiesels herumgeturnt war, auf den frisch gestrichenen Flaggenstock. Dann raste das Tier den Stock hinauf und blitzschnell wieder hinunter. Kraake, der Bootsmann stand wie versteinert, mit offenem Mund an Deck. Den frisch gestrichenen Flaggenstock zierte plötzlich ein öliges Muster von hundert winzigen Fußsohlen. Hugo verschwand wie ein Spuk hinter dem Deckshaus, während ein dicker Pinsel, den der Bootsmann dem Affen hinterher schleuderte, über Bord flog. Letzteres steigerte Kraakes Wutanfall noch erheblich.

      Die Stimmung der Decksgang war schlecht, denn wir ahnten nichts gutes. Hugo, der Affe, blieb verschwunden. Zweifellos hatte er seine Leine durchgebissen und sich selbständig gemacht. Wir gaben dem schlechten Wetter die Schuld und dem Umstand, dass das Tier tagelang nicht aus dem dunklen Kabelgatt raus gekommen war. Bernhard und ich suchten den ganzen Dampfer ohne Erfolg ab. Zwischendurch begegneten uns Kraake mit giftigem Gesicht und der Drohung, das Tier augenblicklich seinem über die Verschanzung geflogenen Pinsel hinterher zu werfen, falls er es nur endlich zufassen bekäme. Diese finsteren Prophezeiungen spornten uns bei der Suche an. Mitten in unsere Aktionen hörten wir tumulthaftes Treiben von der Brücke. Aus dem Funkraum stürzte Sparky, unser Funker und sah ganz erschrocken aus. Bernhard und ich hetzten den Niedergang zur Brückennock hinauf. - Sparky empfing uns mit den Worten: "Mensch holt Hugo bloß schnellstens aus dem Kartenhaus – das sieht aus da drin.“ - Was ein Wahnsinn!

      Die Episode mit Hugo, dem Bordaffen geht damit ihrem traurigen Ende entgegen. - Unser Alter war letztlich ein gutartiger Mensch. Als er allerdings das Chaos sah, dass das Tier auf der Brücke und in seinem Heiligtum, dem Kartenhaus angerichtet hatte, kannte er kein Pardon. Da gab es für uns nichts mehr zu retten. Bernhard und ich mussten Hugo in Dünkirchen schweren Herzens am Zoll vorbei von Bord schmuggeln und an eine Tierhandlung abgeben.

      Zu sagen gäbe es abschließend, dass der Matrose danach in der Bar "Retour de la Mer" fürchterlich versackte, tagelang nicht mehr an Bord unseres Zossens erschien und schließlich wegen einer Trost spendenden Bardame mit dem unaussprechlichen Namen "Genevieve" an Land zurückblieb - was wir allerdings so genau erst eine Reise später erfuhren.

      ~ ~ ~

      Olatunju der Gastarbeiter

      Die Händler und Tantverkäufern in Dakar die schon Mitte der 50-iger mit den amerikanischen und französischen Touristen ihre Geschäfte machen wollten hatten bei uns schlechte Karten. – An Land rannten sie einem hinterher und boten schwarze Köpfe aus „Ebenholz“, Masken, falsche Schrumpfköpfe, bunte Korbtaschen, Beutel aus Leder, Tücher und noch so allerlei Ramsch an. Dafür wollten sie dann jede Menge US Dollars die sie von uns selbst dann nicht bekamen, wenn Interesse für das ein oder andere Stück da war. – „What ship, What ship“ wollten sie daraufhin wissen „Bateau ELFRIEDE“ – Auf das hin verfinsterten sich ihre Gesichter und: „Ei now dis facken ship and all dis facken peoples on it“ dann spuckten sie auf den Boden und fluchten uns „fack you!“ hinterher. – Gestört hat uns das nicht im Geringsten.

      Was ich zu Anfang meiner Story deutlich machen wollte ist … unser Zossen war in den Häfen des Senegals bekannt, wir kamen regelmäßig dort hin und wurden stets „gerne gesehen“.

      Also es war Dakar als Olatunju an Bord kam. Wie er dabei auf der Gangway an Samson, unserem riesigen Wachmann vorbei gekommen ist weiß ich nicht. Vielleicht haben sich die beiden Gauner ja gekannt. Jedenfalls war er da und hat den Scheich nach Arbeit gefragt. Zufällig hatte der einen seiner Zinkeimer gefüllt und eingeweicht mit stinkenden Arbeitsklamotten und Socken im Waschraum stehen. Da kam der Senegalmann gerade recht. Also hat er ihm eine Wurzelbürste und ein kleines Stück Kernseife in die Hand gedrückt und ihn in unserem Waschraum schrubben lassen. Als die Lords und die Kombüsengang das gesehen haben kam so nach und nach jeder mit irgendeinem verdreckten Stück Stoff daher und Olatunju hat alles fein säuberlich gewaschen, gespült und aufs Achterdeck zum trocknen gehängt. – Abends hat ihm Egon unser Kochsmaat eine ordentliche Portion Essen gebracht und Olatunte, den Spitznamen hatte er inzwischen weg, durfte achtern auf einem Poller die Mahlzeit verdrücken. Inzwischen wurde in der Messe und Kombüse darüber beraten, ob wir Olatunte weiter zum Arbeitseinsatz gebrauchen konnten. All das bei freier Unterkunft, Kost und Verpflegung. Gelegentlich mal ne Schachtel Ami Zigaretten oder ein paar US-Dollar für den hombre. – Die Sache mit der Unterkunft war schnell geregelt; im Kabelgatt auf den Manilaleinen und als zusätzlichen Luxus ein altes Abdeckkleid und ein paar Rappasäcke. Nachdem das geklärt war hat der Moses was ich war vom Scheich die Order bekommen dass ich mich um alles weitere zu kümmern hätte und an Deck wolle er Ola nicht sehen. – Typisch Wurras, immer auf die Schwächsten; im Verteilen von Arbeit war der Mann Klasse. Na gut, ich wollte unseren neuen Gastarbeiter schon ordentlich einsetzen denn unter Deck gab es eine Menge zu tun. Da waren Kammern zu reinigen, Fußböden zu schrubben und 2 Aborte zu säubern. Außerdem konnte mir Ola bei der Backschaft helfen usw.

      Wie üblich wenn es darum ging Verantwortung zu übernehmen hat man von unserem Scheich nur qualmende Socken gesehen. Er überließ es mir, dem Moses, jemanden von der Schiffsleitung über das neue Besatzungsmitglied zu unterrichten. – So etwas kann nur jemand begreifen, der selbst zur damaligen Zeit zur See gefahren ist und zwar nicht bei einer renommierten Linienreederei, sondern auf einem kleinen Schlorren ohne Anbindung an einen deutschen Hafen und einem Fahrtgebiet wie Westafrika oder sonst wo. – Inzwischen hatte ich aber eine Menge dazu gelernt und eine Regel die man auf unserem Zossen zu beachten hatte hieß: „Wat geit mi dat an“. – Also habe ich Ola Order gegeben, und seine Arbeit ~ die eigentlich meine gewesen wäre ~ kontrolliert etc.

      Tags drauf ist unser Zossen ausgelaufen, bound for Conakry. – Olatunte hat für Egon Kartoffeln geschält und in der Küche die Töpfe gereinigt.