Peter Polonius Teichmann

Jahre auf See


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an dem Steg fest gemacht, kam eine Schar Eingeborener Männer wie Frauen in „heimischer Kleidung“ – wobei ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern kann wie diese aussah. Nun begann ein langes Palaver und schließlich muss einer der älteren Männer unseren Captein erkannt haben, denn es gab eine laute Begrüßung. – „Peter“ hat der Alte zu mir gesagt, „ich gehe jetzt mit den Leuten und Du passt hier auf unser Boot auf – Du bist mir für das Boot verantwortlich, ist das klar“?! – Dann sind meine peoples mit der ganzen Truppe Einheimischer abgezogen und nur die Kinder sind bei mir geblieben haben mich angestarrt und in ihrem unverständlichen Dialekt gesabelt. – Mann was war das ein verantwortlicher Posten, ich alleine in der Wildnis mit dem Boot und allem Inventar. – Ich habe mein PRIWALL Bordmesser aufgeklappt ~ das von Meinke & Jaacks mit dem Marlspiker ~ und in die Hand genommen; nur für alle Fälle, damit keine Unklarheiten aufkommen. Dann habe ich gewartet. - Mir kam es wie eine Ewigkeit vor bis unsere Bootscrew mit dem Alten an der Spitze aufgetaucht sind; ich war froh, als sie wieder zurück waren. - Der Koch und Egon haben einen braunen Korb geschleppt, da waren die Hühnereier drin und die Assis und Matrosen haben Verschläge getragen, in denen gackernde Hühner steckten. Ich kann mich an Worte wie „Massa Captain“ erinnern und sie waren alle um unseren Kapitän rum. Dann gab es eine lautstarke Verabschiedung die kein Ende nehmen wollte bis schließlich unser Alter dem ein Ende gesetzt hat. – Wir sind raus in die Bucht gerudert und von da an begann es hart zu werden für uns boot peoples.

      Unser Zossen, klein zu sehen, lag ein ganzes Ende weiter Strom aufwärts und nun mussten wir zurück gegenan. Anfangs ging es noch einigermaßen weil der Alte das Boot dicht unter Land am Ufer entlang steuerte ~ so man eben ohne auf ne Sandbank aufzulaufen oder im Uferbewuchs hängen zu bleiben. Trotzdem kostete es Kraft und nach kurzer Zeit waren unsere Klamotten durchgeschwitzt bis zum geht nicht mehr. Das Boot war jetzt voll beladen und nur langsam kamen wir vorwärts. Pausen durften wir nicht machen, denn sonst wären wir zurück getrieben und Kapitän C. drückte jetzt auf Tempo. – „Wir müssen beschleunigt an Bord zurück und Anker auf gehen“, hat er gesagt, sonst kämen wir wieder nicht über die Barre. – Ich war immer noch stolz, was ein Abenteuer. – Ich weiß nicht wie lange wir rudern mussten bis wir M/S „ELFRIEDE“ endlich querab hatten; dann noch 100 Meter weiter von wegen der Abdrift und raus in den Saloum River. – Bbwwaaa, hat uns jetzt die Strömung erst richtig zu fassen bekommen und „Rudern, rudern“ hat der Alte gebrüllt und vorgehalten hat er damit wir nicht wie ein Pappkamerad an unserem Eimer vorbei rauschen. – Und wir haben gerudert als ginge es um unser Leben. Ich habe die Arme nicht mehr gespürt, meine Lunge war zum zerspringen und die 3 oder 4 Knöpfe an meinem Hemd die ich vergessen hatte auf zu machen, sind einer nach dem anderen abgeplatzt. – Trotz größter Kraftanstrengung haben wir es aber nicht geschafft sondern waren im Abstand von rund 10 Metern an der runter hängenden Jakobsleiter vorbei getrieben. Kapitän C versuchte jetzt hinter das Heck unseres verfluchten Zossens zu kommen, damit der Druck wenigstens etwas nachließ und das haben wir ja dann auch zum Glück geschafft, aber eben leider nicht direkt dahinter sonder im Abstand von ungefähr 30, 40 Metern. Ja und da standen wir jetzt auf der Stelle und gerudert haben wir weiter wie die Besenkten und keinen einzigen Meter sind wir näher gekommen. Es war zum verrückt werden. – Unser Alter hat das Brüllen angefangen: „Rettungsboje raus, Rettungsboje raus“! – Niemand an Bord hat sich blicken lassen und wir immer gerudert und gerudert mit raus gepressten Adern und plötzlich sehe ich aus den Augenwinkeln unseren I.O. wie er seelenruhig seine Wäsche oben am Bootsdeck am Aufhängen ist und so macht als hört und sieht er nichts. – „Rettungsboje raus, Rettungsboje raus“! - hat der Alte wieder gebrüllt. Und dann endlich ist achtern unsere Bordwache, Matrose Hermann Hempel aufgetaucht. – Hempel wie die Pinneberger Decksfarben. Werde den Namen mein Lebtag lang nicht vergessen, der Mann kam aus Lübeck, war ein ganz feiner Kumpel und prima Seemann. Hat damals sofort begriffen, zwei Wurfleinen aneinander geknotet, das eine Ende auf ner Klampe belegt und am anderen einen Rettungsringe befestigt und dann das Ganze achteraus geschmissen. Wir haben uns mit dem Bootshaken den Rettungsring geangelt und danach Hand über Hand an unseren Zossen herangezogen.

      Ich erinnere mich nicht, ob es noch am gleichen Tag war oder einige Tage später, aber es gab ein Gespräch zwischen Kapitän C. und unserem I.O. – Es war auf der Brücke und ob man mir es jetzt glaubt oder nicht, ich, ausgerechnet ich stand damals am Ruder und habe jedes Wort mitbekommen. – Zwar weiß ich nicht mehr was genau gesagt wurde, nur soviel, dass der I.O. - ein grobschlächtiger Kerl – wie blöde herum gebrüllt hat und Kapitän C vollkommen ruhig blieb. – Zum Schluss hat er gesagt, der I.O. möge im nächsten Hafen bei unserer Reederei um seine sofortige Ablösung bitten und dann hat er ihn von der Brücke geschickt.

      ~ ~ ~

      Hugo der Bordaffe

      Bernhard, einer unserer Matrosen, brachte das Tier des nachts aufs Schiff. Er hatte gemütlich in einer Bar im westafrikanischen Ziguinchor gesessen, da brach draußen Tumult aus. - Wenn einer der alten Fahrensleute sich an Ziguinchor im Senegal erinnert, dann weiß er, dass der Urwald Mitte der 50-iger Jahre bis an die Bar heranreichte, dass es damals dort nur eine einzige Kneipe gab und ich ebenso gut hätte Buschbar sagen können. - Nun ist trouble nichts, was den Seemann gleich aus der Ruhe bringt; so auch Bernhard. Also blieb er am Tresen sitzen und trank das, was man ihm dort als Bier verkaufte. Als der Krach allerdings zu groß wurde ging er hinaus, um nachzusehen was anlag. Da stritten sich ein paar dunkle Gestalten um einen jungen Affen. Die Mutter des Tieres hatten sie aus niedrigen Gründen umgebracht und nun kreischte der kleine Kerl - gefangen in einem Sack - gottserbärmlich herum. Ist klar, unser gutmütiger Bernhard konnte das nicht lange ertragen. Er griff in die Tasche, holte einige zerknitterte Dollarnoten hervor und kaufte den Schwarzen das Tier ab.

      So kam unser Zossen zu einem echten Bordaffen; unechte gab es ja schon genug. Wir staunten nicht schlecht, als uns Bernhard den kleinen Burschen am nächsten morgen vorführte und ich machte den Vorschlag, ihn Hugo zu nennen. Zu meiner Verwunderung gab es darüber keine langen Diskussionen. Keiner an Bord hieß Hugo und so waren sie alle einverstanden. Hugo selbst schien dazu keine Meinung zu haben. Im Gegenteil, als er uns alle sah, schixx er vor Schreck ins Kabelgatt, wohinein ihn der Matrose gesperrt hatte. - So ging das natürlich nicht; das arme Tier. Wir beratschlagten sofort, was zu tun sei. Inzwischen kam Kraake, der Bootsmann und sagte dass das Vieh gleich an Land zurück müsse. Aber da biss er bei der Decksgang auf Granit. Wir hatten Hugo bereits ins Herz geschlossen. - Nun war ich mit meiner Namensvergabe wieder einmal voreilig gewesen, denn auf einmal sahen mich alle an und: "Pit du kümmerst dich um Hugo", hieß es da. - Ach du Scheixxe; ich konnte nur ahnen, was da auf mich zukam.

      Zunächst brachte ich Hugo eine volle Schüssel Kartoffelpüree den Egon der Kochsmaat extra mit Dosenmilch bereitet hatte. Das hungrige Tier fraß die Portion im Handumdrehen. Danach war der Affe soweit, dass er nicht mehr nach mir schnappte. Er schien seine Furcht zu verlieren und Zutrauen zu mir zu fassen. - Im finsteren Kabelgatt sollte Hugo nicht bleiben, so flocht ich aus Schiemannsgarn einen zehn Zentimeter breiten Platting, den ich ihm vorsichtig um die Brust legte. An dem Brustband befestigte ich eine mehrere Meter lange Leine. Hugo ließ diese Prozeduren widerspruchslos über sich ergehen. Im Gegenteil, inzwischen hing er mit allen Vieren an meinem rechten Hosenbein und schien sich recht wohl zu fühlen.

      Der Ladebetrieb an Bord war voll im Gange. Die vier Luken standen offen. Sämtliche Scherstöcke und einige hundert Lukendeckel mitsamt den Persenningen, Schalk- und Verschlusslatten lagen an Deck. Durch die Luft schwebten in beängstigtem Tempo neben Paletten mit Kartons, Kisten, Säcke und Fässer. Es wurde Ladung aus den Unterräumen gelöscht und gleichzeitig begann man in den Zwischendecks neue Partien anzulegen; d. h. dort wurden die Sektionen zur Übernahme der Ladung vorbereitet. Ein hartes Stück Arbeit für alle Mann; besonders für unseren Ersten, der hier für die seemännische Stauung zuständig und verantwortlich war. Da stand er breitbeinig mit durchgeschwitztem, offenem Hemd und gab brüllend Anweisungen in grauenhaftem Englisch, durchsetzt mit spanischen Flüchen. Um ihn herum ein Haufen schwarzer Hafenarbeiter und unsere Gang, die Garnier legte; d. h. Bretter gleichmäßig und in engem Abstand über das eiserne Deck verteilten. Darauf kam das neue Sackgut für die europäischen Häfen. Hier hatte unser Erster eisern das Sagen und seinen Kommandos wurde selbst von den breitschultrigsten Negern befolgt. An Deck stolperte der Zweite zwischen Hafenarbeitern und Lukendeckeln herum,