Peter Polonius Teichmann

Jahre auf See


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Schließlich musste man im Bestimmungshafen genau wissen, wo die einzelnen Trümmer der Ladung ab geblieben waren. Dabei musste unser Zweiter noch höllisch aufpassen, dass ihm nicht eine der durch die Luft schwebenden Hieven gegen den Schädel krachte. - Für den Laien ein absolut chaotisches Bild, gewürzt mit Hitze und Staub, begleitet vom ohrenbetäubenden Kreischen der elektrischen Ladewinden und hundert anderen Geräuschen. - So etwas muss man erlebt haben, um es wirklich begreifen zu können.

      Natürlich durfte ich Hugo, unseren Affen, einem solchen Trubel nicht aussetzen. Da wäre er unweigerlich zertrampelt, zerquetscht oder der Einfachheit halber von irgend einer Type, über die Reling geworfen worden. Das Tier musste behutsam an den Bordbetrieb gewöhnt werden. Ich humpelte also mit Hugo, der sich nach wie vor ängstlich an mein Bein klammerte, die eiserne Treppe zur Back hoch. Dort band ich die Leine an der Bremse des Ankerspills fest, um den Affen vorsichtig in den Schatten der Winde zu setzen. Hugo war damit nicht einverstanden, er wollte meine Wade nicht loslassen und begann lauthals zu zetern. - Oh je, da hatte man mir etwas eingebrockt. Ich konnte doch nicht in Zukunft auch noch die Affenmutter ersetzen. - Jetzt musste ich Bernhard um Rat fragen. Also riss ich mich von Hugo los und spurtete den Niedergang zum Deck hinunter, der Affe kreischend an meinen Fersen. Dann spannte sich die Leine und Hugo blieb auf halbem Wege hängen. So saß er Oberkante Niedergang und heulte hinter mir her. - Als ich Bernhard unsere neuen Probleme beschrieb, war er zunächst ratlos. Dann sagte er ich solle dem Tier nur tüchtig zu Fressen geben, es würde sich schon beruhigen und an die Back solle ich ein Schild hängen: "Zutritt verboten" und wenn ich danach einen der Hafenarbeiter auf dem Vorschiff erwischen sollte, bräuchte ich ihm nur Bescheid geben. Er würde dem Kerl mit der Brechstange einen Scheitel ziehen, dass der keinen Frisör mehr bräuchte.

      Im Laufe der folgenden Tage begann sich Hugo langsam an das Leben an Bord zu gewöhnen. Die Leine die ich ihm angelegt hatte gab ihm genug Spielraum, um auf dem Ankerspill und zwischen den Pollern herum zu toben. Manchmal sprang er jetzt schon auf die Verschanzung, machte von dort aus einen Satz auf die Stagen und fing an, auf ihnen zum Fockmast hochzuklettern. Wenn ich mit dem Futternapf kam, wurde ich immer stürmisch begrüßt. Der Affe entwickelte einen erstaunlichen Appetit und fraß das was ich ihm brachte stets bis zum letzten Rest auf. - In dieser Hinsicht verhielt er sich wie unser Bootsmann; oder anders herum, Kraake stand dem Bordaffen in nichts nach. - Anschließend klammerte er sich regelmäßig an meinen Beinen fest. Besonders gern ließ er er sich von mir auf den Arm nehmen und durch die Gegend tragen. Nachts setzte ich Hugo an verkürzter Leine ins Kabelgatt. Dort hatte ich ihm aus alten Säcken, zwischen Tauwerk, ein Lager eingerichtet. Bei jeder Verabschiedung machte Hugo ein fürchterliches Theater, heulte, zeterte und begriff nicht, dass ich ihn nicht permanent mit mir herumschleppen konnte. Gegenüber meinen Arbeitskollegen verlor das Tier mit der Zeit ebenfalls die Scheu. Aber so richtig Zutrauen fasste Hugo eigentlich nur zu mir und Bernhard. Der Matrose brachte ihm gelegentlich irgend etwas fressbares aus der Kombüse und alberte mit dem Affen auf der Back herum. Dank meiner Pflege entwickelte sich das Tier prächtig. Bernhard konnte richtig stolz sein. Mittags, in der Mannschaftsmesse, rätselte die Decksgang herum, um was für eine Art Affen es sich bei Hugo handeln würde. Die einen meinten es sei ein Schimpanse oder ein Oran-Utan. Bernhard und ich tippten eher auf einen Hundsaffen. Hugo hatte ein kurzes, hellbraunes Fell; einen kantigen, großen Schädel mit viereckiger Schnauze. Die langen Arme waren bereits jetzt, bei dem jungen Tier, erstaunlich muskulös, die Hände und Füße großflächig, der Bauch rund und gut gefüllt. Hugo sah richtig urig aus und bis auf den Bootsmann mochten ihn alle leiden. Der einzige der bis zu diesem Zeitpunkt nichts von Hugos Existenz wusste, war unser Alter. - Allerdings sollte sich das bald ändern.

      Die Lösch- und Ladungsarbeiten waren beendet, die Luken geschlossen. Unser Zossen lag seeklar an der Pier, wir warteten auf den Lotsen. Hugo saß vorne auf dem Ankerspill und schien das was um ihn herum geschah mit großer Aufmerksamkeit zu verfolgen. Zum Glück stand ich oben auf der Brücke am Ruder, so konnte ich zwar Hugo sehen, er aber nicht mich. Anderenfalls hätte ich ihn schon wieder an Armen oder Beinen hängen gehabt. - Dann kam der Lotse, wir liefen aus Ziguinchor aus. Der Kapitän stand am Maschinentelegraf, das schwere Zeissglas vor den Augen, den Blick voraus auf das schmale Fahrwasser des Flusses gerichtet. Neben ihm der Lotse. Da plötzlich, mit affenartiger Geschwindigkeit kletterte ein Schatten an den vorderen Pardunen zum Mast hoch, um im nächsten Augenblick mit gleichem Tempo wieder hinunter an Deck zu fegen. So ging das mehrmals fünfzehn Meter rauf und runter. Das war Hugo, der sich angeregt durch die vorbeiziehende Flusslandschaft auf dem Vorschiff austobte und sekundenlang im Blickfeld von unserem Käpt'n erschien. Der Alte nahm das Glas von den Augen, schüttelte den Kopf und sah den Lotsen an, als würde er am eigenen oder dessen Verstand zweifeln. Dann hob er sein Fernglas aufs neue. Ich konnte Hugo erkennen, der jetzt an Backbordseite ganz oben kurz unter der Saling an einer der Pardunen hing und im Fahrtwind hin und her schaukelte. Der Alte starrte gebannt durch sein Glas; es verschlug ihm die Sprache. Ich musste mich auf die Kommandos des Lotsen konzentrieren und auf den Ruderlagenanzeiger vor mir achten. Allerdings erwartete ich jeden Moment ein Donnerwetter unseres Alten über dieses "Affentheater" und die Order an unseren Ersten, dieses sofort abzustellen zu lassen. - Es geschah jedoch nichts. Wortlos, breitschultrig und schwer stand unser Alter auf der Brücke. Sein Verhalten gab mir wieder einmal Rätsel auf. Am Nachmittag hatte Bernhard das Tier von der Back geholt, die Leine etwas gekürzt und Hugo Vorkante Brücke auf Luke zwei gesetzt. Anschließend brachte er ihm den gefüllten Futternapf, der, wie immer, umgehend leer gefressen wurde. Jetzt saß der Affe auf der Persennige in der Sonne und schien mit sich und der Welt zufrieden. Langsam begann er wie ein Ball auf und ab zu springen und sich im Rhythmus der Schiffsbewegungen auf den runden Bauch zu trommeln. - Ich konnte von der Brücke aus die Szene gut beobachten und plötzlich stand unser Käpt`n dick und mit vorgestrecktem Bauch an der Luke. Hugo ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und sprang weiter auf und ab. Jeder betrachtete den anderen ausgiebig und mit großem Interesse. Endlich sah ich den Alten ein paar Grimassen schneiden und wohlgefällig mit dem Kopf nicken, da wusste ich, das die Decksgang gewonnen hatte. Hugo durfte an Bord bleiben.

      Ich erinnere mich heute nicht mehr genau, wie der nächste Hafen hieß, in den unser Dampfer einlief. Auf jeden Fall war es ein Hafen an der westafrikanischen Küste und es muss an einem Nationalfeiertag gewesen sein, denn es standen keine eingeborenen Hafenarbeiter auf der Pier d. h. es erwartete uns niemand. Normalerweise hängt da schon ein halbes Hundert Arbeiter herum und stürzt sich auf den Zossen, wie ein Heuschreckenschwarm über ein Durafeld. Noch bevor man den Eimer richtig festgemacht hat, fallen die Burschen über einen her. Alles muss hoppla hopp gehen; die Ladebäume hoch, die Luken auf; die Scherstöcke raus. Nur keine Zeit verlieren, Tempo, Tempo; man kommt nie zur Ruhe. Fast überall ist es dasselbe, nur nicht in England. Wenn da "teatime" ist, bewegt sich rein gar nichts, allenfalls der Löffel in der Teetasse. - Respekt! - vor den Jungs ziehe ich heute noch nachträglich den Hut. - Nachmittags ist die halbe Besatzung in einer Bucht, die ganz in der Nähe war, zum Baden gegangen. Hugo, unseren Affen nahmen wir mit d. h. ich platzierte ihn von meiner rechten Wade an meinen linken Oberarm. So behinderte er mich weniger beim Laufen. Als wir dann aber unsere Badehosen anzogen und ins Wasser sprangen gab es die nächste Überraschung. Hugo wollte nicht mit rein. Zum einen klammerte er sich an mir fest, zum anderen hatte er Angst vor dem Wasser. Widerstrebend ließ er mich los, um mir im nächsten Moment wieder hinterherzurennen. Schließlich blieb Hugo aber doch unter lautem Protestgebrüll am Ufer zurück. So rannte der nasse Affe unter dem Gelächter der Decksgang am Strand hin und her. Er konnte nicht begreifen, dass ich, sein Bezugstier, im ungeliebten Nass davon schwamm, ohne Schaden zu nehmen.

      Als wir später an Bord zurück kamen erwartete uns schon unser Erster und schixx uns mächtig zusammen, ob wir wohl bekloppt wären da draußen gemütlich in der Bucht herum zu schwimmen. Haie gäbe es dort und zwar nicht zu knapp und so ein paar schlappe Katzenhaie seien das auch nicht, sondern richtige Kawenzmänner. Wir könnten von Glück reden, dass wir unsere Knochen noch alle beisammen hätten. - Ungläubig sahen wir den Ersten an und alle waren der Meinung, das er uns nur das Baden missgönnen würde und wahrscheinlich sei er ja Nichtschwimmer und im übrigen übertreibe er maßlos. - Allerdings wurden wir einige Zeit später eines besseren belehrt. Da fuhr nämlich ein Lastwagen an der Pier entlang, gefolgt von einem Haufen johlender Schwarzer. Auf dem Wagen lag ein riesiger Hai. Die Schwanzflosse hing hinten über die Ladekante und gefangen hatten sie ihn in unserer Badebucht. Der eisige