knapp.
»Gut, bis gleich.«
»¡Hasta pronto!«, sagte sie und legte auf.
Erstaunt sah ich Hellen an.
»Das war die Policía Nacional.«
»Ja, ich habe etwas mitgehört.«
»Die wollen ebenfalls meine Aussage aufnehmen.«
»Gut. Dann musst du deine Pflicht tun.«
»Und was ist mit dir?«
»Mache dir um mich keine Sorgen, ich wollte noch Fotos von der Plaza machen.«
Ich gab ihr einen Kuss, umarmte sie und ging.
Ich fuhr die Calle de la Paz (Straße des Friedens) entlang. Als ich an ein größeres Gebäude kam, vor dem einige Polizeifahrzeuge parkten, hielt ich an. Es war ein stattliches Haus mit Garagen an den Seiten. Die Fenster waren mit kunstgeschmiedeten Gittern versehen. Die Grundstückstore rechts und links vom Gebäude bestanden ebenso aus kunstvoll geschmiedeten Eisenstäben. Das Haus hatte mehr den Charakter einer alten Villa, als das einer Comisaría. Zudem dachte ich an den Sirenenlärm, den die Polizeifahrzeuge in dieser Straße bereiteten, und kam zu dem Schluss, dass der Straßenname unpassend für die Lage einer Comisaría war.
Ich parkte den Wagen und ging in das Gebäude. Uniformierte Polizisten der Policía Nacional kamen mir entgegen.
»¡Buenos días! Wo finde ich bitte das Zimmer 6?«, fragte ich einen von ihnen.
»¡Segunda habitación a la derecha!«, sagte der forsch und schickte mich damit zum zweiten Zimmer rechts.
»¡Gracias!«
Ich ging zur Tür und klopfte an.
»¡Adelante!«, forderte mich eine kräftige Stimme auf hereinzukommen.
Das Amtszimmer war mit schlichten Möbeln eingerichtet, alles machte einen ordentlichen Eindruck. Akten waren übersichtlich in den Schränken geordnet. Auf den zwei Schreibtischen standen PCs mit dazugehörigen Druckern. Ein sportlich gekleideter Mann kam dynamisch auf mich zu und reichte mir die Hand.
»¡Buenos días! ¿Señor Lessemaan?«, fragte er mich freundlich und sprach meinen Namen deutlich mit spanischer Betonung aus.
»Ja, ich heiße Lesemann, Diego Lesemann. Ich bin angerufen worden.«
»Ja, das war Lola! Ich heiße Pablo«, sagte er sympathisch.
Ich wusste nicht, ob Pablo sein Vor- oder Nachname war. Grundsätzlich war es auch gleich. Er war schlank, um die vierzig und machte einen sportlichen Eindruck.
»¡Muy bien!«, sagte er. »Nehmen Sie Platz und machen Sie es sich bequem.«
Er ging forsch an die Tür zum Nachbarzimmer und klopfte an.
»¿Qué pasa?«, fragte eine energische Stimme aus dem anderen Zimmer.
Pablo öffnete die Tür ein wenig, steckte den Kopf hinein und murmelte etwas in den Raum.
»Fang du schon an, ich muss noch was erledigen«, sagte die energische Stimme.
»Muy bien«, sagte Pablo daraufhin und schloss die Tür hinter sich.
»Der Comisario kommt später dazu«, berichtete er mir.
Pablo befragte mich zu meiner entsetzlichen Entdeckung in der Höhle. Ich erzählte ihm dieselbe Geschichte, die ich zuvor der Guardia Civil mitgeteilt hatte, er schrieb fleißig mit dem PC mit. Nachdem ich meine Aussage zu Protokoll gegeben hatte, druckte er sie aus und gab sie mir.
»Lesen Sie es bitte durch und unterschreiben Sie dann hier unten.«
Ich nahm das Dokument und fing an zu lesen.
»Kommt der Comisario noch?«, fragte ich nebenher.
»Ah, richtig! Ich sehe nach, wo er ist.«
Er ging wieder zur Tür des Comisario und klopfte an. Niemand meldete sich. Drauf hin öffnete er die Tür ein wenig und steckte den Kopf hinein. Achselzuckend kam er zurück.
»Der Comisario ist nicht da!«
»Schade! Wie heißt der Comisario eigentlich?«, fragte ich ihn.
»Comisario de Vega«, antwortete er wie selbstverständlich.
Ich wurde hellhörig.
»Wie bitte? Sagten Sie de Vega?«
»¡Sí!«
»Fernando de Vega?«
»¡Sí! Comisario Fernando de Vega!«
»Wohnt er etwa in Ribadés?«
»¡Sí! Aber, warum fragen Sie?«
»Sie müssen wissen, ich bin auf der Suche nach meinen ehemaligen Schulkameraden …«, so fing ich an, es ihm zu erklären.
»¡Interesante, muy interesante! Sie glauben also, dass der Comisario einer Ihrer früheren Schulfreunde …«
»Ich hoffe es.«
»Hätte ich das doch vorher gewusst«, gab er erfreut von sich.
»Ich dachte, dass der Comisario ohnehin persönlich mit mir sprechen würde.«
»Ja, natürlich. Ich frage am besten Lola, wo er ist.«
Er nahm den Telefonhörer ab.
»¿Lola, dónde está el comisario?« (Wo ist der Comisario?).
Es entstand eine kurze Pause.
»¡Muy bien!«, quittierte er schließlich und legte auf.
»Also, der Comisario ist jeden Moment wieder zurück.«
»Gut, dann warte ich«, sagte ich erleichtert.
»Sie können draußen auf der Bank warten«, bot er mir freundlich an. »Da steht auch ein Kaffeeautomat.«
Wir gingen zur Tür, als mir Capitán Sabál wieder in den Sinn kam.
»Sagen Sie, kennen Sie vielleicht Capitán Sabál von der Guardia Civil?«
»Sicher, wer kennt ihn nicht, diesen aufgeblasenen Kerl. Hat er Sie etwa am Tatort befragt?«
»Nein, das hat einer seiner Leute getan. Obwohl er auch.«, fiel mir ein. »Er hat mich kurz befragt, aber meine Antworten hat er ignoriert. Und mit seinen Untergebenen hat er ununterbrochen geflucht.«
»Er ist eben ein Choleriker.«
»Ich hatte auch den Eindruck, dass es ihm nicht passte, dass ich die Leichen gefunden hatte. Und er mag keine Touristen.«
»Der mag niemanden!«, entgegnete Pablo.
In diesem Augenblick stand ein mittelgrosser, kräftiger Mann mit lichtem, kurz geschnittenem, gelocktem Haar und langen, schmalen Koteletten in der Tür. Er sah älter aus als ich.
»¿Quíen?«, fragte der sofort.
»Aahhh, Comisario, wir sprachen gerade über Capitán Sabál.«
»¿Sobre ese cabrón?«, bemerkte er schlecht gelaunt, dass Capitán Sabál ein Arschloch sei.
Das war eine ziemlich ungehobelte Bemerkung. Nicht, dass mich so etwas in Spanien überrascht hätte, schließlich kannte ich diese Ausdrucksart, die mehr oder weniger gebräuchlich ist und nicht so gemeint ist, wie sie sich anhört. Allerdings hätte ich es von einem Comisario in einem Amtszimmer nicht erwartet. Ich schaute ihn an und fragte mich, ob er mein Schulkamerad aus alten Tagen sein konnte. Ich sah deutlich, wie peinlich es Pablo war. Den Comisario störte es dafür keineswegs.
»Comisario, das ist Señor Lessemaan«, sagte dann Pablo schnell. »Er hat die Leichen in der Höhle gefunden.«