Francisco J. Jacob

TOD IN DER HÖHLE


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Name sagt mir zwar etwas, aber nicht im Zusammenhang mit unserer Schule.«

      Nachdem wir die Kirche verlassen hatten und einige Schritte gegangen waren, machte Hellen einen beseelten Eindruck.

      »Dein Freund Ángel scheint das Herz eines Heiligen zu haben«, sagte sie mit einem Lächeln im Gesicht.

      3

      Eine grauenhafte Entdeckung

      Auf unserem Frühstückstisch sammelten sich Obstabfälle anstelle der üblichen Wurst- oder Schinkenabfälle. Wir schätzten schon damals eine vegetarische Ernährung. Mit der Zeit hatte ich die Vorzüge dieser gesunden Ernährungsweise entdeckt, wobei ich mir kleine Ausnahmen genehmigte.

      »Das Frühstücksbuffet ist genauso, wie ich es mag«, schwärmte Hellen. »Vollkornbrot, Avocados und frisches Obst.«

      »Und nicht zu vergessen, Café con leche«, hob ich den Milchkaffee hervor, welcher in Spanien traditionell ist.

      »Wir haben ein schönes Hotel ausgesucht«, meinte sie und reckte sich genüsslich in ihrem Stuhl.

      »Das kann ich bestätigen«, sagte ich lächelnd. »Ganz besonders gefällt mir die große Badewanne, in der wir gestern Abend zusammen …«

      »O ja!«, unterbrach sie mich. »Das hat mir sehr gefallen«, und streifte mit ihrem Zeigefinger sanft über meine Hand.

      Wir genossen etwas länger die milde Morgensonne auf der Terrasse.

      Etwas später waren wir mit dem Wagen auf den Weg zur Cueva de Ribadés, einer prähistorischen Höhle und gleichzeitig die archäologische Attraktion in Ribadés.

      »Wie mag die Höhle heute aussehen?«, fragte ich mit einer gewissen Erwartung.

      »Ich bin auch gespannt«, sagte sie.

      Wir fuhren über eine lange Brücke. Von Weitem sahen wir die große, massive Felswand, die sich neben dem Fluss und der schmalen Straße steil in die Höhe streckte. Der enorme Eingang zur Höhle war vergittert. In der Mitte des Gitters war ein Tor eingeschnitten, welches den Zugang gewährte. Vor dem Tor stand eine Menschenschlange, die sich kaum vorwärts zu bewegen schien.

      »Was für ein Andrang«, bemerkte Hellen erstaunt.

      »Hm, ob wir einen Parkplatz in der Nähe finden?«, fragte ich zweifelnd.

      Wir bogen in die Straße ein und fuhren langsam an duzenden von Fahrzeugen entlang. Am Ende des Weges angekommen, bewegte sich glücklicherweise ein Wagen aus seiner Parklücke langsam heraus.

      »Da! Glück muss man haben«, entfuhr es mir vor Freude.

      Nachdem der Wagen geparkt war, spazierten wir zum Eingang. Auf dem Weg dorthin fiel mir eine mattschwarz lackierte BMW M5 Limousine auf.

      »Ein Wagen mit über fünfhundert PS«, gab ich bewundernd von mir und zeigte darauf.

      »Der sieht aber cool aus«, sagte Hellen begeistert und sah sich die Lackierung genauer an. »Als käme der aus dem Kühlfach.«

      »Ja, das ist eine Sonderlackierung und heißt deswegen auch frozen black

      »Aha! Dann habe ich ja richtig getippt!«

      »Genau, aber in Ribadés hätte ich solch einen Wagen nicht erwartet.«

      »Warum nicht? Hier gibt es gewiss auch reiche Menschen.«

      Hellen holte ihren Fotoapparat aus der Tasche und schoss einige Fotos von dem Wagen, dann gingen wir weiter.

      »Was ist denn an dieser Höhle eigentlich interessant?«, wollte sie wissen.

      »Die Höhle ist atemberaubend und die Wandmalereien aus Urzeiten sind ein kostbarer Schatz. Drinnen ist es unbeschreiblich schön. Du musst es mit eigenen Augen gesehen haben.«

      »Dass du dich daran erinnern kannst.«

      »Oh, das habe ich noch sehr gut in Erinnerung«, sagte ich nachdenklich. »Damals gab es allerdings kein Gitter vor dem Eingang, es kostete keinen Eintritt und es standen auch keine Besucherschlangen an. Diesen Trubel gab es nicht. Für mich und meine Freunde war die Höhle eine Art Abenteuerspielplatz. Die Höhle gehörte zu unserer natürlichen Umgebung wie der Strand oder die Steilküste.«

      »War es nicht gefährlich hier zu spielen? Ich hätte unsere Kinder nicht in einer Höhle spielen lassen.«

      »Das würde ich heute auch nicht, aber früher war es etwas anders. Heute spielen die meisten Kinder auf Kinderspielplätzen, die einer gewissen Sicherheitsnorm entsprechen müssen. Oder sie spielen mit Computern beziehungsweise mit Smartphones«, erwiderte ich und versuchte den Unterschied aufzuzeigen.

      Wir waren an der Warteschlange angekommen. Es standen mindestens sechzig Personen an, die sich angeregt unterhielten.

      »Und deine Eltern? Ich meine, hatten sie es dir erlaubt, hier zu spielen?«

      »Natürlich nicht. Keinem von uns war es erlaubt gewesen.«

      »Ja, haben sie es nicht bemerkt, dass du hier gespielt hast?«, fuhr sie fort.

      Wenn Hellen sich einmal in ein Thema festgebissen hatte, fand sie kein Ende.

      »Oh doch, das haben sie. Es war an einem Sonntagvormittag. Ich hatte keine bessere Idee, als mit meinen Freunden hier in der Höhle zu spielen. Beim Klettern rutschte ich aus und lag mit meinem Sonntagspullover im Schlamm. Ich versuchte, den Schmutz auszuwaschen und habe den Pullover dann zum Trocknen aufgehängt. Das Dumme war nur, dass ich dabei die Zeit vergaß und zum Mittagessen nicht zu Hause war.«

      »Oh!«

      »Ja! Als ich mit dem verschmutzten Pullover nachhause kam, wurde ich erst einmal gerügt, dann gab es eine Ohrfeige und schließlich Hausarrest.«

      Hellen sah mich traurig an und küsste mich sanft auf die Wange.

      »Ach, du Armer«, sagte sie mitleidig.

      Nach etwa einer halben Stunde hatte das Warten ein Ende. Wir standen, mit acht weiteren Personen und einem weiblichen Führer vor dem Höhleneingang. Dann gingen wir los.

      »¡Bienvenidos a la Cueva de Ribadés!«, sagte sie und hieß uns in der Höhle von Ribadés willkommen.

      »Yo me llamo María Elena«, so stellte sich uns María Elena vor.

      Mit freundlichen Worten begrüßte uns die sehr junge Dame, die den Anschein machte, sich in den Semesterferien etwas nebenher zu verdienen. Es folgten einige archäologische und chronologische Daten. Der Weg zur eigentlichen Höhle führte durch einen engen Korridor, der uns hintereinander pilgern ließ, aber genügend Kopffreiheit bot und gut ausgeleuchtet war. María Elena ging voran und redete ununterbrochen. Ich hatte den Eindruck, dass sie damit versuchte, uns von der Enge abzulenken. Nach kurzer Zeit wurde es zunehmend heller und wir standen vor einem großen Eingang.

      »Und das ist die Höhle!«, verkündete sie Stolz.

      Sie tat es in einer Art und Weise, als würde sie den König von Spanien ankündigen. Sie drehte sich schwungvoll elegant um und zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Tiefe der Höhle, wobei sie sich einmal um die eigene Achse drehte. Unsere Augen folgten gespannt ihrer Gestik.

      Das grandiose Bild eines gewaltigen, in Millionen von Jahren gewachsenen Naturwunders bot sich uns. Die gewölbten, schimmernden Felswände und die unzähligen sowie hoch gewachsenen Stalaktiten und Stalagmiten ließen unsere Augen leuchten. Derart schön hatte ich die Höhle nicht mehr in Erinnerung, aber das lag sicher an der aufwändigen und effektvollen Ausleuchtung. Große Teile der Felswände leuchteten in einem warmen Gelb, andere wiederum in einem erfrischenden Orange. Ich hatte den Eindruck, ein vollkommenes Naturschauspiel vor Augen zu haben.

      »Das ist ja wunderschön«, staunte Hellen und blieb wie angewurzelt stehen. Nur ihr Kopf drehte sich, um die gesamte Pracht zu erfassen. Dann zog sie ihre Kamera aus der Tasche, schaltete sie ein und fotografierte ununterbrochen.