Francisco J. Jacob

TOD IN DER HÖHLE


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Asphalt. Unser Wagen wurde vorgefahren. Den Fahrer in der schwarzen Limousine erkannte ich sofort wieder.

      »Das ist ja der Gorilla vom Counter«, entfuhr es mir.

      »Wieso nennst du ihn Gorilla?«

      »Ist mir soeben eingefallen. Komm, lass uns die Koffer einladen«, sagte ich, um das Thema zu wechseln. »Ich bin froh, wenn wir die Klimaanlage einschalten und endlich losfahren können.«

      »Aber fahre bitte langsam!«, bat sie mich vorsorglich, wie immer.

      »Ich werde mir Mühe geben«, erwiderte ich, wie immer.

      Hellen kannte meinen Fahrstil. Als ehemaliger Diplomingenieur in der Automobilentwicklung war ich in den Genuss gekommen, diverse Fahrertrainings auf Teststrecken zu absolvieren.

      Zunächst fuhren wir zum Guggenheim-Museum. Wir rollten langsam daran vorbei, um so viel wie möglich aufzusaugen. Während der Fahrt bewegten sich unsere Köpfe mit Blick zu dem imposanten Bauwerk hin und her sowie auf und ab.

      »Es ist schon fantastisch, was Frank Gehry hier hingestellt hat«, sagte ich und war von dem Anblick äußerst imponiert.

      Wir fuhren langsam weiter. Hinter uns fing ein Wagen an zu hupen. Im Rückspiegel sah ich den Fahrer, der wild mit den Händen gestikulierend schimpfte.

      »Ja, das stimmt«, sagte Hellen unbeeindruckt von den Hupgeräuschen. »Und neben diesen genialen Architekten hat Bilbao ebenso andere Künstler für sich gewinnen können.«

      »So?«

      »Jaaa!«, antwortete sie. »Für das Metro-System ist Norman Foster verantwortlich.«

      »Du meinst Sir Norman Foster«, bemerkte ich mit erhobenem Zeigefinger und zwinkerte ihr zu.

      »Oh, selbstverständlich! Sir Norman Foster.«

      »Da! Siehst du? Da ist ein Fosterito!«, sagte ich und zeigte auf den breiten Bürgersteig.

      »Was ist denn das?«

      »Die muschelförmigen, aus Glas bestehenden Eingänge der Metrostationen werden nach dem eben genannten Fosteritos benannt.«

      Es gefiel uns, durch Bilbao zu fahren und uns über die architektonischen Perlen lustig zu unterhalten.

      Wir verließen diese großartige Stadt und fuhren auf die Autovía del Cantábrico, der Autobahn, die nach Ribadés führt. Neben uns verlief die alte Landstraße in dieselbe Richtung.

      »Wir sind auf dem Jakobsweg«, sagte Hellen erfreut.

      »Ja, der Jakobsweg verläuft neben uns«, erklärte ich und zeigte auf die alte Landstraße. »Im Übrigen bezeichnet der Jakobsweg mehrere Pilgerwege, die aus den unterschiedlichsten Richtungen Europas kommen und allesamt nach Santiago de Compostela führen. Dieser Weg heißt El Camino de la Costa«, sagte ich und zeigte auf den Weg neben uns.

      Hellen warf mir einen kritischen Blick zu.

      »Vielen Dank für deinen Vortrag!«

      »Nun, ich dachte …«

      »Schon gut«, sagte sie. »Auf jeden Fall führt der Pilgerweg durch Ribadés!«

      Sie winkte mit dem Reiseführer.

      »Hast du das gewusst?«, fragte sie.

      »Ja, sicher.«

      Hellen holte ihre Kamera aus der Tasche und fing an Fotos zu schießen. Zur Linken lagen die Picos de Europa mit etwa zweihundert Bergen, die über zweitausend Meter hoch sind. Zur Rechten lag der weite Atlantik, in dem sich das Sonnenlicht schimmernd spiegelte.

      »Hast du gewusst, dass das Kantabrische Gebirge über fünfhundert Kilometer lang ist?«, fragte mich Hellen.

      »Ja.«, nickte ich ihr zu. »Eine äußerst lange Bergkette. Und in diesem Gebiet befindet sich auch der Nationalpark Picos de Europa

      »Ich weiß«, sagte sie und winkte wieder mit dem Reiseführer.

      »Diese Gegend ist auch historisch bedeutend.«

      »Warum?«

      »In diesem Gebirge begann um 720 nach Christus die so genannte Reconquista. Diese hat die Rückeroberung Spaniens, was überwiegend von den Mauren besetzt war, eingeleitet. Die so genannte Schlacht von Covadonga wurde von Don Pelayo angeführt, der von den Spaniern dafür zum Nationalhelden ernannt wurde. Steht das in dem Reiseführer?«

      »Nein!«, sagte sie und warf mir wieder einen kritischen Blick zu. »Es steht auch nicht drin, ob hier die Wikinger durchmarschiert sind.«

      »Ich glaube, die Nordmänner waren um 850 nach Christus in Asturien«, sagte ich grinsend.

      »Jetzt reicht’s«, gab sie lächelnd zurück und schlug mir mit dem Reiseführer auf den Oberschenkel.

      Wir sahen uns weiterhin die wunderbare Landschaft an. Plötzlich überholte uns ein kleiner, alter Seat und drängte uns beim Einfädeln ab. Das konnte ich mir freilich nicht gefallen lassen. Geistesgegenwärtig betätigte ich die Lichthupe. Ich trat das Gaspedal durch, um die dreihundert PS zu mobilisieren. Die Achtgang-Automatik schaltete blitzschnell herunter. Dann setzte ich zum Überholen an, um zu sehen, wer uns derart respektlos geschnitten hatte.

      »Was hast du vor?«, fragte Hellen kritisch.

      »Ich will diesen rücksichtslosen Fahrer sehen!«

      »Muss das wieder sein?«

      Im Nu waren wir auf gleicher Höhe mit dem Seat. Am Steuer saß eine kleine hagere Frau mit einer übergroßen Brille. Sie konnte kaum über die Instrumententafel sehen und starrte nach vorne auf die Straße. Hellen sah mich daraufhin fragend an. Mir war klar, dass jeder Kommentar unnötig war. Ich überholte den Seat und ließ es dabei bewenden.

      Das war einer der seltenen Momente, in denen ich mich verrennen konnte. Es war wohl mein spanisches Temperament, wie Hellen es nannte.

      Für eine kurze Zeit herrschte stilles Schweigen. Hellen schoss weitere Fotos.

      »Die Picos de Europa sind atemberaubend schön«, sagte ich dann, um das Schweigen zu brechen. »Weißt du, woher dieser Name kommt?«, fragte ich sie.

      »Nein, aber du wirst es mir sicher gleich sagen«, antwortete sie.

      »Na gut«, gab ich großzügig zurück. »Er stammt von den Seefahrern, die von Nordwesten kommend als erstes diese hohen Gipfel des Kontinents sahen und deswegen nannten sie sie die Gipfel Europas.«

      2

      Freunde suchen

      »An der nächsten Kreuzung rechts!«, sagte die nette weibliche Stimme des Navigationssystems.

      »Ja, die Straße kenne ich«, bemerkte ich gespannt.

      »Das Ziel ist auf der rechten Seite!«, lautete die letzte Information, dann standen wir vor der Calle de la Fuente dreiundzwanzig.

      Das Hotel Aurora war neu errichtet worden, wie auch andere Gebäude in Ribadés. Ich kannte es nicht, deswegen war ich erstaunt und gleichzeitig enttäuscht.

      »Hier stand früher ein Wohnhaus mit einem Gemüsegeschäft im Erdgeschoss«, sagte ich und beklagte damit die Tatsache, dass man ein Stück meiner Vergangenheit demontiert hatte.

      »Das Hotel sieht besser aus als auf den Fotos im Internet«, sagte Hellen, um mich aufzuheitern.

      Als wir aus dem klimatisierten Wagen stiegen, merkten wir, wie heiß es doch draußen war.

      An der Hotelrezeption wurden wir sofort vom Concierge aufs Freundlichste begrüßt. Der drahtige Mann mit kurz geschnittenem pechschwarzem Haar steckte in einem dunklen Anzug mit hellgrauer Weste und hatte eine dunkelgraue Krawatte umgebunden. Er sah ohne Übertreibung wie ein Concierge aus einem Fünf Sterne Hotel aus. Das hatte ich nicht erwartet!

      »¡Buenos