Francisco J. Jacob

TOD IN DER HÖHLE


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Name ist Lesemann. Wir haben ein Doppelzimmer reserviert«, sagte ich.

      Wir legten ihm unsere Pässe auf den Tresen. Er sah in sie hinein, dann auf den Bildschirm des PCs und nach ein paar eleganten, fast schon virtuosen Tastaturanschlägen vermeldete er:

      »¡Muy bien!«

      Hellen und ich verkneiften uns das Grinsen.

      »¡Señora y Señor Lessemaan por diez días!«, sagte er dann, wobei er unseren Nachnamen besonders spanisch wiedergab.

      »Korrekt«, quittierte ich. »Für zehn Tage.«

      Er bemusterte Hellen von unten nach oben, dann sah er sie mit großen Augen an.

      »Sie bekommen unser bestes Zimmer!«, vermeldete er mit schmeichelnder Stimme, hielt ihr den Zimmerschlüssel mit gespreizten Fingern hin und verbeugte sich.

      »Das ist aber nett von Ihnen«, schmeichelte Hellen zurück.

      »Oooh, nicht doch! Wir tun alles für unsere Gäste!«

      Dann wechselte er den Blick zu mir, reichte mir ein Formular und sagte lässig:

      »Die oberen drei Zeilen und Ihre Unterschrift genügen, den Rest mach ich schon.«

      Das kühle Hotelzimmer hatte einen geräumigen Zuschnitt und war modern eingerichtet. Ich stellte unsere Koffer ab, während Hellen sofort zur Balkontür ging. Sie zog die schweren Vorhänge zur Seite, öffnete die Flügeltüren und genoss als erstes die Aussicht vom Balkon mit schmiedeeisernem Geländer. Ich folgte ihr.

      »Ist das nicht wunderschön?«, sagte Sie begeistert und umarmte mich. »Wir können aufs Meer sehen.«

      Die Aussicht war traumhaft. Weiß getünchte Häuser, enge Gassen und kunstgeschmiedete Straßenlaternen harmonierten zu einem romantischen Bild. Eine kleine alte Frau, mit einer schwarzen Schürze gekleidet, fegte vor einem kleinen Gemüseladen, der seine frische Ware auf simplen Holzkisten auf dem Bürgersteig anbot. Und über den roten Dächern hinweg sah man auf das Meer, in dem sich die Sonne schillernd spiegelte. So hatte ich diese kleine Stadt in Erinnerung.

      Wir zogen unsere Reisekleidung aus. Während sich Hellen im Bad umsah, räumte ich, in Boxershorts, meine Kleidung in den Schrank. Dann stand sie im knappen Slip und im hautfarbenen kurzen Spagettitop vor mir. Sie trug nie einen BH. Ich sah sie bewundernd an.

      »Der Concierge hat dir große Augen gemacht«, sagte ich im Spaß zu ihr.

      »Sei nicht albern. Du weißt doch, dass nur du …«

      Sie sah mich mit einem neckischen Blick an, kam näher, legte ihre Arme auf meine Schultern und zog mich sanft zu sich, um mich ihre üppigen Brüste spüren zu lassen. Danach kam sie mit ihren Lippen näher und drückte sie weich an die Meinen.

      Ich umfasste ihre schlanke Taille und streichelte sie. Plötzlich zog sie sich langsam zurück.

      »Was ist?«, fragte ich überrascht.

      »Lass uns das verschieben. Wir sollten jetzt lieber deine ehemaligen Schulfreunde suchen.«

      »Das hat doch Zeit«, sagte ich großzügig.

      »Ich möchte erst Ribadés sehen und ein paar Fotos schießen.«

      »Hellen! Willst du mich ärgern?«, fragte ich erregt.

      »Wie kommst du darauf?«, gab sie schelmisch zurück.

      Zum Rathaus war es nicht weit. Wie sollte es das auch. Die Stadt hatte gerade einmal 6500 Einwohner und das hatte sich seit vierzig Jahren kaum geändert. Wir gingen durch die Calle Santa María. Zur Linken lag die Plaza, auf der Kinder spielten und direkt am Ende derselben, stand das bekannte Café Carmen.

      »In dieses Café gingen wir an manchen Sonntagen Kuchen essen«, sagte ich freudig. »Hier haben wir den Sonntag gefeiert.«

      »Ich weiß, dass du schon früher gern Kuchen gegessen hast.«

      »Ja. Insbesondere die Pasteles de merengue. Wir müssen uns nachher unbedingt diese köstlichen Stücke und Torten ansehen. Es gibt viele Sorten davon«, schwärmte ich. »Sie haben einen schaumig geschlagenen Inhalt und sind sehr lecker.«

      Hellen lächelte mich an, dann gab sie mir einen Kuss.

      Wir gingen weiter und bogen in die Calle del Progreso (Straße des Fortschritts) ein, in der das Rathaus stand.

      Vor uns stand ein aus Sandstein gebautes kleines, quadratisches Gebäude mit winzigen Fenstern. Sehr massiv, aber schmucklos, unauffällig und furchtbar klein für ein Rathaus.

      »Ein bescheidenes Gemeindehaus«, bemerkte Hellen enttäuscht.

      »Tja, was soll ich sagen?«

      »Sah das immer so aus?«

      »Ich fürchte, ja. Das ist dasselbe Rathaus wie vor vierzig Jahren. Es gibt wohl kein Neues.«

      »Dann sollte man den Straßennamen ändern.«

      »Wieso?«

      »Weil dieses Rathaus mit Fortschritt wenig zu tun hat«, sagte sie grinsend.

      Der Eingang war von zwei großen Pflanzenkübeln eingesäumt. Ich öffnete die schwere Eingangstür, dann gingen wir hinein. Im dunklen und angenehm kühlen Flur roch es muffig. Eine streng wirkende Dame über sechzig mit grauem, hochgestecktem Haar begrüßte uns. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und trug eine schwarze Mantilla, ein gesticktes Kopftuch. Sie erinnerte mich sofort an meine ehemalige Religionslehrerin in Ribadés, die jeden nicht auswendig gelernten Religionstext unverzeihlich bestrafte.

      »¡Buenos días! Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie uns.

      »¡Buenos días!«, erwiderte ich. »Nun, ich bin auf der Suche nach ehemaligen Mitschülern, die mit mir vor vierzig Jahren hier zur Schule gegangen sind«, sagte ich mit einem gewissen Zweifel auf Hilfe.

      Sicher lag es daran, dass ich an meine Religionslehrerin dachte. Andererseits bemusterte mich die alte Dame mit einer missbilligenden Mine.

      »Wissen Sie, vierzig Jahre sind eine sehr lange Zeit. Wie wollen Sie da noch jemanden finden?«, fragte sie verständnislos.

      »Ich kenne zwei Namen. Könnte man nicht aus dem Einwohnermelderegister feststellen, wo …«

      »… wo sie wohnen?«, vollendete sie meinen Satz in einem höhnischen Ton.

      »Ja?«, fragte ich zweifelnd.

      »Das tut mir sehr Leid, aber die Daten sind zu vertraulich, um sie jedem auszuhändigen. Stellen Sie sich vor, Ihre Daten würden ohne Weiteres an Fremde weitergegeben werden«, entgegnete sie patzig.

      »Ich würde mich freuen, wenn es zu diesem Zweck geschieht.«

      Sie sah mich erneut missbilligend an.

      »Nein, das kommt nicht in Frage!«, und winkte ab. »Außerdem hatten wir vor sechs Jahren ein Feuer im Haus, durch das viele Akten vernichtet wurden.«, gab sie rechtfertigend hinzu.

      Hellen schaute mich an und schüttelte mit dem Kopf.

      »Tatsächlich?«, fragte ich staunend.

      »Ja! Ich habe Ihnen ohnehin schon mehr gesagt, als ich darf«, sagte sie überheblich.

      Die Eingangstür öffnete sich und ein Priester in schwarzer Soutane kam herein. Er kam langsam näher.

      »Buenos días, Señora Jiménez«, sagte er, während er sich leicht verbeugte und seine Hände in Gebetshaltung hielt.

      »Buenos días, Euer Hochwürden«, antwortete sie ehrfürchtig, verbeugte sich und hielt ihre Hände ebenfalls in Gebetshaltung.

      »Kann ich helfen?«, fragte er sie mit gütiger Stimme.

      Sie war vom plötzlichen Erscheinen des Priesters derart überrascht, dass Sie ihren Oberkörper