Francisco J. Jacob

TOD IN DER HÖHLE


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einige sogar hinausbegleitet, damit es schneller ging. Scheinwerfer wurden hereingetragen, aufgestellt und eingeschaltet. Der Tatort war von der Polizei mit einem gelben Kunststoffband abgesperrt worden. Das Band hatte den Aufdruck POLICÍA NO PASAR (POLIZEI KEIN DURCHGANG).

      Hellen und ich standen abseits. Wir unterhielten uns. Ich konnte den schrecklichen Anblick nicht so schnell vergessen.

      »Und an ihren Köpfen klebte noch das Blut?«, fragte Sie.

      »Ja.«

      »Und sie lagen halb nackt aneinander?«

      »Ja.«

      »Glaubst du, dass sie vorher zusammen…«

      »Das ist schon möglich. Ich habe nur gesehen, dass beide eng zusammen lagen und sie die Hosen heruntergezogen hatten.«

      »War es eine Frau und ein Mann?«

      »Das habe ich nicht erkennen können.«

      »Wer legt sich schon mit nacktem Unterkörper auf so einen kalten und dazu noch matschigen Boden?«, fragte sie zweifelnd.

      Ich konnte es mir nicht erklären, warum ich wieder in eine solche Lage hineingeraten war.

      »Warum passiert mir immerzu so etwas?«, sagte ich nachdenklich. »Nicht einmal in Ribadés, bleibt mir das erspart.«

      »Ja, warum immer nur?«, fragte Hellen. »In Oxford die Geschichte mit dem toten Professor, in München die mit dem toten Golfer …«

      »Schon gut«, unterbrach ich sie. »Das hilft uns jetzt auch nicht weiter.«

      »Ich habe es nicht so gemeint«, sagte sie und nahm meine Hand. »Ich hoffe nur, dass unsere Reise nicht darunter leidet.«

      Es war schon mehrmals vorgekommen, dass ich ähnliche Entdeckungen gemacht hatte und daraufhin in die Fälle verwickelt worden war. Während unserer gemeinsamen Reisen und in meinem früheren Berufsleben war mir das widerfahren.

      »Es scheint, als würden mich diese Dinge anziehen.«

      »Ja, wobei du immer sehr interessiert an der Lösung des Falls mitgearbeitet hast!«, sagte sie mürrisch. »Ich hoffe, dass das dieses Mal nicht so ist.«

      »Das ist eben meine natürliche Neugier«, entgegnete ich.

      »Ich weiß. Ich kenne deinen Forscherdrang, den Dingen auf den Grund zu gehen«, sagte sie. »Du hättest einfach nicht auf das Klingeln hören sollen.«

      »Es wäre aber möglich gewesen, dass jemand Hilfe gebraucht hätte. Wer weiß das schon vorher?«

      »Das stimmt auch wieder.«

      Nachdem ich die Leichen gefunden hatte, begann ich nachzudenken, aus welchem Grund jemand die beiden umgebracht haben konnte, denn nach einem Unfall sah es ganz und gar nicht aus. Ebenso stellte ich mir die Frage, warum das Mobiltelefon geklingelt hatte, obwohl es keinen Empfang in der Höhle gab.

      Ein etwa vierzigjähriger, schlanker und sonst unauffälliger Polizist der Guardia Civil kam mit einem Notizblock in der Hand zu uns. Er fragte nach unseren Pässen, nahm anschließend unsere Daten auf, befragte uns und schrieb geduldig auf, was wir ihm auf seine Fragen antworteten. Dann beschrieb ich ihm, wie ich die Leichen gefunden hatte. Es kam noch ein zweiter Kollege dazu, sicher nicht älter als fünfundzwanzig, mit einer dicken Hornbrille auf der Nase, der gelangweilt zuhörte und so tat, als ginge ihn das Ganze nichts an. Geradezu aufbrausend kam kurze Zeit später ein dritter Polizist der Guardia Civil dazu. Diesem stand die Wichtigkeit direkt auf die Stirn geschrieben. Er war Mitte fünfzig, mittelgroß, untersetzt und trug einen kräftigen Oberlippenbart. Sofort standen die anderen beiden Polizisten stramm und salutierten ihm synchron.

      »¡A sus órdenes, mi Capitán!« (Zu Befehl, mein Hauptmann!)

      Der Wichtige griff dem Polizisten mit der Brille an den Arm, ging mit ihm zur Seite, wechselte ein paar Worte und fluchte sogleich unüberhörbar laut. Dann drehte er sich schnell wieder um und kam direkt auf uns zu.

      »Warum haben Sie die Gruppe verlassen und sind durch die Felsspalte gegangen? Das ist gefährlich! Was haben sie da gesucht?!«, fragte er in einem befehlenden Ton und dazu mit einer finsteren Mine.

      »Ich habe ein Telefonklingeln gehört und …«

      Er machte sich erst gar nicht die Mühe mir zuzuhören, sah auf Hellens Fotoapparat, den sie mit dem Tragegurt um den Hals trug, und schaute ihr in die Augen.

      »Haben Sie Fotos von den Leichen gemacht?!«, fragte er laut.

      »Nein!«, erwiderte sie entschieden.

      »Wir müssen das überprüfen!«

      »Aber, ich sage Ihnen doch …«

      Er ignorierte ihre Aussage, drehte sich um und fragte den fragestellenden Polizisten:

      »¿Qué te han contado?«, er wollte wissen, was wir ihm erzählt hatten.

      Beide gingen ein paar Schritte zur Seite und unterhielten sich. Wir hörten, wie der Wichtige laut und wütend schimpfte. Er hatte offensichtlich etwas gegen Touristen.

      »¡Estos turistas!«, fluchte er.

      Mit einer rohen einschüchternden Gestik redete der Wichtige auf den Fragesteller ein, wobei er ihm mehrmals mit dem mahnenden Zeigefinger seine Befehle erteilte. Dann ging er.

      Der Fragesteller kam ruhig zu uns zurück, entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten und bat Hellen um den Chip aus ihrer Kamera. Dann sagte er, wir sollten im Hotel erreichbar bleiben. Wir würden noch von ihnen hören.

      Ich fragte ihn, wie der Wichtige hieß.

      »Capitán Sabál«, sagte er und hob dabei die Augenbrauen.

      Eine Geste, die wohl die Wichtigkeit seines Vorgesetzten unterstreichen sollte. Hellen musste sich anschließend etwas Luft verschaffen.

      »So ein aufgeblasener Wichtigtuer!«, sagte sie aufbrausend.

      Als wir hinausgingen, hatten sich einige Fahrzeuge der Guardia Civil und der Sondereinheiten vor dem Eingang angesammelt. Die Leute von der Spurensicherung kamen uns entgegen. Sie trugen ihre auffälligen weißen Overalls und die typischen quadratischen Aluminiumkoffer.

      Zurück im Hotel gingen wir in die Halle und bestellten uns eine Erfrischung. Am Tisch sprachen wir weiterhin über meine schreckliche Entdeckung.

      »Eigentlich wollte ich in Ribadés einige meiner ehemaligen Schulfreunde finden und keine Leichen«, sagte ich nachdenklich.

      »Das dachte ich auch«, bestätigte Hellen.

      Ich versuchte, die Dinge mit Abstand zu betrachten, als zugleich mein iPhone klingelte.

      »Hallo?«

      »Hier ist die Comisaría de Ribadés«, sagte eine charmante weibliche Stimme. »¡Buenos días! Ich möchte mit Diego Lesemann sprechen.«

      »Ich bin Diego Lesemann.«

      »Es geht um die Toten in der Höhle. Wir müssen Ihre Aussage zu Protokoll nehmen«, sagte sie.

      Ich war erstaunt, da ich meine Schilderung bereits zu Protokoll gegeben hatte.

      »Schon wieder?«, fragte ich.

      »Ihre erste Aussage ist von der Guardia Civil aufgenommen worden. Sie müssen jetzt die Aussage bei der Policía Nacional machen, also bei uns.«

      Der Konkurrenzkampf zwischen der Guardia Civil und der Policía Nacional war mir bekannt. Beide sind zuständig und keine will sich etwas von der anderen wegnehmen lassen.

      »Ich verstehe. Wann und wohin sollen wir vorbeikommen?«

      »Wieso wir?«, fragte die Dame erstaunt. »Hat außer Ihnen noch jemand die Leichen entdeckt?«

      »Nein, das war ich allein.«

      »Dann