Dimitri.
Seine Frau Natascha schaute ihn beleidigt an: «Ich möchte nichts verpassen!»
«Du verpasst nichts. Die Jagd beginnt jeden Tag um 15 Uhr!»
«Also ich schaue mir das gerne an!», meinte sie ein wenig eingeschnappt. Sie liebte Hunting Prey. Sie liebte die ganze Show. Auch das Drumherum.
«Ich möchte noch ein wenig schlafen, verstehst du das?», sagte er ein wenig sauer, nahm das Kissen und presste sein Gesicht hinein. Der etwas untersetzte Russe hatte keine Lust mit seiner Frau zu diskutieren.
Sie antwortete nicht, sondern ging aus dem separaten Schlafzimmer hinaus in das andere Zimmer der Suite. Dann schaltete sie dort den Fernseher an.
«... wir sehen die drei Russinnen Richtung Glades of Prey gehen. Man kann gespannt sein, wie sich das sehr forsche Trio hier auf der Insel macht. Die drei Frauen nennen sich selbst die "Amazonen". Aber nun genug von den News am Morgen. Ich wünsche allen unseren Gästen an den Bildschirmen und denen im Hotel einen schönen Tag ...»
«Hey, Schatz!», rief Natascha hinüber ins Schlafzimmer: «Deine drei Frauen sind auf der Insel angekommen!»
Doch sie bekam von ihrem Mann keine Antwort.
Natascha schaute sich die Livebilder an, die von einer Drohne ausgestrahlt wurden. Die drei jungen Frauen waren Tänzerinnen im Club ihres Mannes. Eigentlich konnte sie die drei überhaupt nicht leiden. So wie die meisten Frauen, mit denen sich ihr Mann umgab. Sicherlich, sie gehörten zum Geschäft, aber in ihr keimte doch immer auch ein wenig Eifersucht, ... sie wusste, dass er sie alle fickte. Mindestens einmal. Er nahm sich immer, was er wollte.
Die Russin zappte durch das Programm. Es gab einen Hauptsendeplatz und insgesamt 10 weitere Kanäle, die man alternativ anwählen konnte. Mit diesen jeweiligen Kanälen konnte man das einzelne Freiwild beobachten. Sogar die Steuerung für das Zoomen und das Drehen der Kamera konnte man als Zuschauer übernehmen, wenn das jeweilige Bedienfeld des Kanals nicht bereits von einem anderen zahlenden Kunden gesteuert wurde.
Natascha schaute sich Kanal 3 an. Die Afrikanerin Zuri aus dem Senegal. Die Kameraeinstellung zeigte die Brüste der Afrikanerin in voller Größe. Die Steuerung war besetzt. Natascha war vollkommen klar, dass hier irgendein Mann den Zoom bediente.
Sie zappte weiter und blieb bei der Inderin hängen. Eine schöne junge Frau, die nackt, wie sie war, über die Wiese der sogenannten Glades of Prey ging. Die Steuerung war nicht besetzt und Natascha übernahm deshalb die Kontrolle über den Zoom und das Schwenken der Kamera. Sie holte die Inderin größer ins Bild ...
Glades of Prey
Vier Stunden lang hatte es in der Nacht geregnet. Die Pflanzen auf Pope Island hatten einiges an Feuchtigkeit abbekommen und der Rest des gefallenen Regens verdampfte nun nach und nach in der Wärme der aufgehenden Morgensonne. Zahlreiche Blumen, Sträucher und Bäume gaben dabei einen intensiven Geruch von sich. Vor allem auf der Lichtung Glades of Prey roch es angenehm nach einer unglaublichen Mischung interessanter Düfte.
Ein Paradies auf Erden ...
Die 21jährige Shiva atmete die frische Luft ein. Noch nie hatte sie ein derartiges Geruchserlebnis gehabt. Kein Parfum auf der Welt konnte es mit dieser betörenden und kunstvollen Mischung unterschiedlicher Pflanzendüfte aufnehmen. Eine natürliche Kreation die kaum eine Parfümerie auf der Welt in dieser Weise hin bekam. Alles roch. Selbst das Gras gab einen leicht süßlich-herben Duft von sich.
Was für ein unglaublich befreiendes Gefühl ...
Barfuß ging die Inderin über die Wiese. Der feuchte Boden war angenehm. Shiva war glücklich. Unendlich glücklich sogar. Es war erst der zweite Tag hier auf der Insel, aber sie hatte jede Stunde in ganz besonderer Weise genossen. Weg von ihrem Vater, der sie derart gedemütigt hatte, weg von der trostlosen Einöde des kleinen Vorortes, in dem sie gelebt hatte. Sie hatte eine neue Chance bekommen.
War es falsch sich für Geld jagen zu lassen, um sich schließlich einem völlig fremden Mann zu unterwerfen?
Shiva fand das in keiner Weise. Auf der langen Reise hierher, hatte sie sich schon Gedanken darübergemacht, dass sie sich eigentlich prostituierte. Sie verkaufte ihren Körper für Geld, ... aber die Zweifel waren längst verflogen. Es war ihre Entscheidung gewesen.
Shiva war unglaublich stolz. Sie war ausgewählt worden. Sie hatte das Casting bestanden.
Warum?
Weil sie sich richtig präsentiert hatte?
Dabei war es ein großer Zufall gewesen, dass man sie überhaupt gefunden hatte. Eine wichtige Rolle hatte dabei ihre Mutter gespielt ...
Januar 2016, Kamarhati (Indien)
Thomas trank seinen Tee. Er schmeckte ihm nicht. Eigentlich hatte er gedacht, hier in Indien wäre Tee etwas ganz Besonderes. Das hier schmeckte nach aufgebrühtem Gras oder Heu. Er mochte es definitiv nicht. Aber vielleicht lag es auch daran, dass er kein Teetrinker war. Damit erfüllte er als Engländer natürlich nicht das typische Klischee. Aber das war ihm egal.
Thomas arbeitete seit mittlerweile gut sieben Monaten für Richard Pope. Der Engländer war ein sogenannter Headhunter. Gut vier Jahre hatte er für bedeutende Modelagenturen geeignete Frauen gesucht. Für den Laufsteg, für die Modezeitschrift oder Werbefilme. Nun war er dafür zuständig geeignete Frauen zu finden, die bei Popes moralisch nicht ganz korrekten «Spiel» mitmachten ...
«Sie suchen eine Frau für eine Show?», fragte die Dame am anderen Tisch. Sie hatte das Gespräch zwischen dem Engländer und dem Teehausbesitzer interessiert mitgehört. Einen Moment lang hatte sie gezögert, dann ihn jedoch angesprochen.
Thomas legte das Handy zur Seite und nickte: «Ja! Wieso?»
«Sie nehmen diese Frau mit nach Europa, ja?»
Thomas nickte: «Ja! Das ist richtig und ...»
«Ich habe eine Tochter namens Shiva!», meinte sie schnell: «Vielleicht wollen Sie sich Shiva anschauen?»
«Wie alt ist sie?»
«Sie ist 21!»
«Okay, aber wieso wollen Sie, dass jemand sie mitnimmt?»
«Mein Mann ist nicht gut zu ihr. Wir haben nicht ausreichend Geld, um ihr eine Heirat zu ermöglichen. Wir haben zu wenig Mitgift. Und er lässt seine Wut an ihr aus!», sagte sie seufzend: «In Indien ist es schwer eine Frau zu verheiraten, wenn man ihr keine Mitgift mitgeben kann!»
Thomas schaute äußerst interessiert. Die Frau vor ihm war vermutlich um die 40. Sah gut aus. Er war durchaus interessiert sich die Tochter anzuschauen: «Okay, ich würde sie mir gerne anschauen. Vielleicht komme ich ja mit ihr ins Geschäft!»
«Das wäre gut. Das wäre ihre Chance!»
«Sie verdient gutes Geld!», meinte Thomas: «Wenn sie mitkommt.»
«Das wäre sehr gut. Das wäre ihre Freiheit!», meinte die indische Frau.
Thomas nickte. Er fand, dass es noch nicht der richtige Zeitpunkt war mit der ganzen Wahrheit über die Show herauszurücken. Vielleicht sollte er dass mit der jungen Frau persönlich klären: «Wo kann ich sie sehen? Ich würde gerne mit ihrer Tochter reden!»
«Bei uns Zuhause!», sagte die Frau: «Ich hoffe, mein Mann ist in guter Laune.»
Das Haus der indischen Familie war außerhalb der Stadt.
«Mein Vater war früher Metzger, aber wir haben das Geschäft aufgegeben. Hier ist der Hinduismus sehr stark verbreitet und es wird wenig Rindfleisch gegessen!", sagte die Frau: «Zumal mein Mann und ich Hindus sind. Mein Vater hingegen war Katholik!»
Thomas nickte stumm und schaute auf die Kühe, die vor dem Haus standen.
«Das sind unsere Kühe!», sagte sie: «Sie leben hier frei.»
«Aber das sind keine, wie soll man sagen, Überbleibsel aus der Metzgerzeit ihres Vaters, oder?»