Norbert Buchner

Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall


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europäischen Frühkultur ein: der Schriftgebrauch begann in den nächsten Jahrhunderten zu erlöschen.

      In der Zeitspanne zwischen 4300 und 4100 v.Chr. wurden Hunderte von Siedlungen an der unteren Donau und in Ostbulgarien auf den Hügeln aufgegeben und neue kleinere Siedlungen im flachen Land errichtet. In den alten Siedlungen finden sich Brandspuren: die Klimaverschlechterung hatte wohl zu Gewalttaten geführt! Werkstätten für keramische und Metall-Arbeiten fand man in den neuen Siedlungen nicht mehr. Die Haupterwerbsquelle war nun auch nicht mehr der Ackerbau sondern die Viehhaltung.

      Bandkeramiker an der Donau geraten unter Druck

      Das sich verschlechternde kühlere und trockenere Klima brachte auch die bandkeramischen Bauern in Mitteleuropa in Bedrängnis. Schon um 4600 v.Chr. – nach der Beendigung des Klimaoptimums, welches durch die Errichtung von großen Kreisanlagen gekennzeichnet ist – zeigen die Dekors der Keramik in Fundstätten bei Straubing in der niederbayerischen Donauebene eine Verarmung an. Kurz danach – zwischen 4500 und 4200 v.Chr. – trat dann dort eine neue Kultur auf, nach dem ersten Fundort „Münchshöfener Kultur“ benannt, ein grazilerer Menschentyp mit einer neuen Hausarchitektur, mit anderer Keramik und auch mit einer unterschiedlichen Art der Bestattung der Toten. Die neue Kultur wird der Lengyel-Kultur aus dem Raum Wien/Südslovakei zugerechnet, einem Zweig der Donauzivilisation. Erstmals taucht nun Kupfer in dieser Gegend auf. Die neue Kultur brachte eine sehr fein gearbeitete Keramik mit vielfältigen Formen und raffinierten Dekors mit. Ihre sog. „Fruchtschalen“, flache Schalen, die auf einem hohen Tonzylinder mit reicher Verzierung aufgesetzt sind, zählen zu den schönsten Keramikschöpfungen der Vorgeschichte!

      Die Zuwanderer dürften dem Druck gewichen sein, den Invasoren von Kurgan 1 aus der russischen Steppe auf die sesshafte Bevölkerung des Balkans ausgeübt haben. Als Folge begann die Kultur zu verarmen, denn eine Schrift hat man auf den Fundstücken nicht mehr gefunden. Lit. 14.1

      Bergbau in Niederbayern endet im Klimatief

      In dem zwar von wechselhaften aber insgesamt noch brauchbaren klimatischen Bedingungen gekennzeichneten Beginn der zweiten Hälfte des 5.Jahrtausends v.Chr. entwickelte sich im niederbayrischen Arnhofen bei Abensberg, 30 Kilometer südwestlich von Regensburg, ein schwungvoller „Bergbau“ zur Gewinnung von Plattenhornstein, welcher über weite Entfernungen gehandelt wurde. Der hochwertige gebänderte Plattenhornstein taucht in Fundstätten an Rhein, Ruhr, Weser, in Württemberg, Westthüringen und auch in großen Teilen Tschechiens sowie in Niederösterreich auf.

      Hornstein, ein glasartiger Feuerstein, ist ein außerordentlich hartes Material, das bei einem gezielten Abschlag von der Trägerknolle klingenartig abspringt. Damit entstehen unter einer geübten Hand scharfkantige Schneidwerkzeuge, wie Klingen für Messer, Sicheln, Speere und Pfeile, welche in Halter aus Holz oder Horn eingesetzt wurden.

      Schon seit einem Jahrtausend waren solche Klingen im Umlauf. In Arnhofen war der Hornstein aber bis dahin nur oberflächig aufgelesen oder in flachen Schürfgrabungen gewonnen worden, denn dort trat eine das Mineral enthaltende Jurakalkscholle offen zu Tage. Nachdem die Oberflächenfunde aber offensichtlich erschöpft waren, begannen die Menschen um 4 400 v.Chr. dem Hornstein in die Tiefe zu folgen. Sie legten zahlreiche vertikale Stollen mit einem typischen Durchmesser von zwei Metern an, welche schließlich eine Tiefe von 8 Metern erreichten und sich an der Sohle glockenförmig erweiterten. Auf einer Fläche von etwa 50 Hektar entwickelte sich so ein intensiver Abbau. Bis zu 650 Schächte pro Hektar wurden niedergebracht und bis zu 18 000 Schacht- und Grubenbauten sind in diesen Jahrhunderten entstanden. In Massen sind heute noch alle Stadien der Geräteherstellung bis hin zu gebrauchsfähigen Stücken auf den Äckern zu finden. Arnhofen wurde so zu einem jungsteinzeitlichen Industrierevier mit einem weiten Handelsnetz für den „Stahl der Steinzeit“. Es entstanden auch spezialisierte Berufe in Bergbau und Steinschmiedekunst, denn das Abschlagen brauchbarer Klingen erforderte Kunstfertigkeit und Erfahrung. In Niederbayern tat sich sogar Wettbewerb auf, denn das untere Vilstal in der Nähe von Passau versorgte sich in dieser Zeit aus eigenen aber kleineren Vorkommen aus einer Mine bei Flintsbach und aus dem Ortenburger Jura.

      Gegen 4000 v.Chr. erlosch der Feuersteinbergbau im Arnhofener Revier. Nach üblicher Meinung war die Mine nun weitgehend ausgebeutet. Um diese Zeit hatte aber ein Eisvorstoß im Atlantik zu einer lange anhaltenden Südtrift angesetzt (Abb. 10) und es sind auch 2 große Vulkanausbrüche dokumentiert. Der Klimaeinbruch hat wohl zu wirtschaftlichem Verfall geführt und damit verhindert, dass die Menschen mit ihren Grabungen dem Plattenhornstein in noch größere Tiefen gefolgt sind, denn 8 Meter Tiefe ist keine unüberwindbare Grenze: in Burkina Faso treiben Schatzgräber auf der Suche nach Gold-haltigem Gestein senkrechte Schächte sogar bis in 50 Meter Tiefe vor, deren lichte Öffnung kaum über einen Quadratmeter hinausgeht. Lit. 14.2

      Anbaugebiete der Bandkeramiker schrumpfen und es entstehen Pfahlbauten

      Als Folge der Klimaeinbrüche zeigen die großen Siedlungsgebiete der Bandkeramiker an der niederbayrischen Donau nach 4000 v.Chr. eine erste Schrumpfung und die Keramikfunde wie auch ihre Verzierungen gehen in dieser Zeit stark zurück. Offensichtlich zogen sich in dieser Zeit schon Menschen in südlicher Richtung zurück, um dann an wasserreichen Plätzen zu siedeln, welche ihnen auch sicherer erschienen. In Unteruhldingen am Bodensee sind um 4000 v.Chr. die ersten Pfahlbauten errichtet worden. Sie standen allerdings nicht im See, sondern am See. Der heutige höhere Stand des Bodensees lässt für die Gründerzeit ein trockeneres Klima mit niedrigerem Pegelstand vermuten. In einem weiteren Tief der Temperatur wurden um 3890 v.Chr. zwischen Öhningen und Eschenz im Thurgau, am Auslauf des Rheinsees, einem Nebensee des Bodensees, weitere Pfahlbauten errichtet.

      Nach einer gewissen Erholung während einiger Jahrhunderte brach das Klima nach 3500 v.Chr. zu einem neuen Minimum ein (s.Abb. 17) und die Zeit um 3300 v.Chr., die Periode des größten Vorstoßes von Eisbergen im Atlantik, markiert recht kühle und trockene Verhältnisse im gesamten Mitteleuropa. Als Folge erloschen zwischen 3500 und 3300 v.Chr. viele Siedlungen an der Donau in einer an sich sehr fruchtbaren Gegend und die überlebenden Menschen zogen sich in südlichere Räume zurück. Am Federsee bei Bad Buchau in Oberschwaben tauchten nun neue Siedlungen auf. Ende des 20./zu Beginn des 21.Jahrhunderts wurde dort eine dörfliche Reihensiedlung mit 15 in regelmäßigem Abstand beidseits des Wegs stehenden Häusern auf Pfählen ausgegraben, deren Errichtung sehr exakt auf die Jahre 3283 – 3279 v.Chr. datiert werden konnte. Die Zeit war offensichtlich recht unsicher, denn die Menschen legten ihre Pfahlbauten auf einem Landsporn an, welcher nur über einen Bohlenweg erreichbar war, und die Siedlung wurde auch schon nach nur einer einzigen Generation wieder verlassen. Paläobotaniker stellten an Ort und Stelle ein starkes Nachlassen der Fruchtbarkeit zu eben dieser Zeit fest.

Abb 17

       Abb. 17 Temperatur der Erde (6000 – 4000 v.h. = 4000 – 2000 v.Chr.) (Rekonstruiert aus Eisbohrkern GISP2 – Grönland)

      Am Bodensee fand man zwischenzeitlich Hinweise auf etwa hundert Pfahlsiedlungen und auch an anderen südlichen Seen in Mitteleuropa sind Pfahlbauten errichtet worden. Im Januar 2010 haben 5 Staaten mit Pfahlbauten, Deutschland, Österreich, Slowenien, Italien und die Schweiz, einen Antrag auf die Aufnahme der Pfahlbauten in das Register des Weltkulturerbes der UNESCO gestellt, welchem im Juni 2011 stattgegeben wurde. Die Kandidatur beschrieb gut tausend bekannte Fundstellen von Siedlungsresten in und an Seen und Mooren rund um die Alpen. Lit. 14.3

      Kurgan II und III: Zwei neue Wellen von Eindringlingen aus dem Osten.

      Um 3500 v.Chr., in einer Trockenperiode nach langer Absenkung von Temperatur und Fruchtbarkeit, kam erneut eine Welle von Menschen aus dem Osten (Kurgan II) und besetzte Teile von Russland, Polen und Ostdeutschland bis zur Elbe sowie weitere Inlandgebiete des Balkans bis hin zur Alpenregion. Sedimente vom Vansee (Abb. 12) zeigen seit mehr als einem halben Jahrtausend eine fallende Feuchtigkeit an mit einem Minimum eben um diese Zeit. Dieser massive zweite Einfall versetzte der durch den ersten Einfall vor 800 Jahren schon geschwächten Alteuropäischen Donauzivilisation