Norbert Buchner

Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall


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im weiten iranischen Raum geschlossen werden. Auch hier besteht wieder eine Parallele zu den Bandkeramikern in Europa: das kräftige und lange Klimaoptimum hat also in recht unterschiedlichen und weit voneinander entfernten Regionen zur selben Zeit zu vergleichbaren Entwicklungen geführt, einem starken Wachstum der Bevölkerung und einer darauf aufbauenden Expansion in weite geografische Räume, wobei in beiden Räumen enge kulturelle Kontakte über lange Zeit erhalten blieben. Lit. 13.7

      Blütezeit von Mehrgarh in Pakistan, dem Brückenkopf zum Indus

      Der Kälterückfall vor mehr als 8000 Jahren und die anschließende wechselhafte Zeit sind an der uralten Siedlung Mehrgarh in Pakistan, einer Schlüsselsiedlung zwischen dem persischen Raum und dem Indus-Gebiet, nicht ohne Schaden vorüber gegangen: die erste um 9000 v.h. gegründete kleine Bauernsiedlung scheint in der Trockenphase vor mehr als 7500 Jahren völlig erloschen zu sein. Als sich aber kurz danach wieder ein stabiles feucht-warmes Klima einzustellen begann, welches zu einem langen Klimaoptimum auswuchs, wurde an dieser strategisch bedeutsamen Stelle eine neue viel größere Siedlung, Mehrgarh II, gegründet. Es war genau die Zeit, in der im Iran und in Zentraleuropa eine massive bäuerliche Expansion begann. Bei den neuen Siedlern ist in der folgenden Zeit der Klimagunst ein schneller kultureller Aufschwung feststellbar: die Keramik nahm Einzug und die Architektur der aus Lehmziegeln gebauten Häuser verfeinerte sich. Schon in dieser Frühzeit entwickelte sich auch ein ausgeprägtes Kunsthandwerk mit einem hohen Entwicklungsstand bei der Bearbeitung von Schmucksteinen, wie sie dann für die spätere Indus-Kultur kennzeichnend wurde. So wurden in Mehrgarh schon glasierte Perlen (Fayance) und Terrakotta-Figuren hergestellt und es tauchten auch schon Siegel aus Terrakotta mit geometrischen Mustern auf. Sie sind Vorläufer der großen rechteckigen Siegel der Indus-Kultur. Lapislazuli aus Badakhshan und Muscheln vom Persischen Golf oder dem Arabischen Meer weisen auch auf einen Fernhandel hin.

      Die Ortschaft entwickelte auch bald eine städtische Struktur: Mehrgarh gilt heute als Vorgängersiedlung der späteren großen Indus-Städte. Im Ortskern befanden sich Getreidespeicher, welche – ähnlich wie später am Indus – sogar schon von unten belüftet waren. Sie waren in mehrere kleine Räume unterteilt. Diese gemeinschaftlichen Getreidespeicher mit vielfacher Unterteilung verweisen auf den Persischen Golf als Ursprungsregion der Idee, denn dieses Charkteristikum fand sich dort in Tell el Ueli schon ein Jahrtausend früher. Lit. 13.8

      Kultureller Aufschwung aus einer Trockenphase in der Levante

      Gegen 7700 v.h. (5700 v.Chr) neigte sich im Nahen Osten eine lange Periode von Trockenheit ihrem Ende zu, wie dies durch Sedimente aus dem Vansee angezeigt wird (s.Abb. 12). Nun setzte eine lange Feuchtperiode ein, die bis über die Jahrtausendwende reichen sollte. In der Levante wurde es feuchter und ab 5 600 v.Chr. breitete sich dort eine neue Kultur aus, die sog. Yarmukia-Kultur. Ihr Kulturraum waren die feuchteren Regionen von Palästina, wie das nördliche und das zentrale Jordantal, andere nördliche Täler von Israel und die zentrale Küstenebene. Diese Frühkultur errichtete große und zum Teil sogar monumentale Gebäude mit Innenhof in offensichtlich geplanten Siedlungen, die von Straßen durchzogen waren. Sie zeichnet sich auch durch eine exzellente Keramik aus und durch hochwertige Figurinen. Auf der Keramik finden sich Heringsgräten-artige Muster. Man nimmt an, dass es sich um stilisierte Palmwedel handelt und dass Dattelpalmen für die Ernährung in diesen Räumen damals eine große Rolle gespielt haben. Es fanden sich Verbindungen mit Byblos und anderen Regionen des Nahen Ostens in bearbeiteten Figuren aus Kieseln und in charakteristischen Tonfiguren mit konischen Köpfen und den für die Obed-Kultur aus dem Süden Mesopotamiens typischen „Kaffeebohnen-Augen“. Man glaubt, dass mit den Köpfen Datteln nachgebildet sind und die Augen ihre Kerne wiedergeben. Diese Art der Darstellung dürfte sich aus dem südlichen Mesopotamien nordwestwärts ausgebreitet haben.

      Die Kultur verfiel um 5000 v.Chr. wieder – zur selben Zeit wie im benachbarten Syrien und Obermesopotamien die Halaf-Kultur. Damals hat sich zeitweilig ein kühleres Klima eingestellt. In den heutigen Regionen Österreich und Süddeutschland hat dies zu Gewalttaten geführt. Untersuchungen an Stalagmiten der Soreq-Höhle in Israel verweisen für die Zeit kurz nach 5000 v.Chr. auf eine sehr starke Trockenheit (s. Abb. 15). Auch der zunächst recht hohe Spiegel des Toten Meers, das vom Jordan gespeist wird, hatte nun zu einem rapiden und lang anhaltenden Absinken angesetzt (Abb. 16).

      Austrocknung als Folge von Abkühlung brachte also im Vorderen Orient mehrere Kulturen mit großen künstlerischen Leistungen gleichzeitig zum Erliegen. Lit. 13.9

Abb 15

       Abb. 15 Niederschlag in Palästina (nach Stalagmiten aus der Soreq-Höhle) (Bar-Matthews u.a. – 1998)

Abb 16

       Abb. 16 Verlauf des Spiegels des Toten Meers unter dem heutigen Spiegel des Mittelmeers

      Viehzucht und Fischfang in einer grünen Sahara

      Für Regionen im Nahen Osten, die Levante, den Taurusbogen und das nördliche Zagros-Gebirge, hat sich Mitte des 20. Jahrhunderts der von dem berühmten Archäologen Gordon Childe geprägte Begriff „Fruchtbarer Halbmond“ eingeführt, weil man dort die damals ersten Zeugnisse für Ackerbau gefunden hat. Gesichert ist aber mittlerweile, dass man nicht nur von einem „Fruchtbaren Halbmond“ sprechen sollte, sondern eher von einem girlandenartig weit verzweigten fruchtbaren Gebiet, das sich vom Indus im heutigen Pakistan über fruchtbare Gebiete Persiens und Mesopotamiens und die Levante herüber zieht nach Nordafrika durch die heutige Sahara bis hin zum Atlantik und welches Länder verbindet, welche damals feuchtwarm waren und in denen erste neolithische Kulturen auftauchten.

      Wer heute durch die Wüste Sahara fährt oder Bilder dieser Wüste vor sich hat, kann sich kaum vorstellen, dass dieses eintönige und weitgehend vegetationslose Land einmal grün war. Denn mit dem Anstieg der Temperatur nach der Eiszeit stieg auch die Feuchtigkeit in der Atmosphäre und als Folge wurde die Sahara zumindest zeitweise fruchtbar. Es stellten sich mehrfach feuchtere Klimaperioden ein, welche allerdings durch unterschiedlich starke Rückschläge bis hin zu trockenem Klima wieder unterbrochen wurden. Mit der durch astronomische Gründe bedingten Abkühlung der Erde (s.Abb. 5) wurden aber die Feuchtphasen der Sahara durch Zwischenerwärmung immer kleiner – ähnlich wie in der südlichen Arabischen Wüste (Abb. 9) – und es stellte sich der heutige Zustand ein. Klimahinweise zum damaligen Zustand entnimmt man einer ganzen Reihe von Klimazeugnissen, wie früheren Ständen des Wasserspiegels von Seen, Stalagmiten in Höhlen, auch in der Türkei, Israel und im Oman, Foramiferen (Gehäusen von kleinen Schnecken) im östlichen Mittelmeer und im Roten Meer sowie dem Eintrag von durch Winde erodiertem Material im Roten Meer und im Atlantik wie auch dem Abrieb von Gesteinen aus Grönland und Nordkanada, welcher durch Eisberge unterschiedlich weit nach Süden transportiert worden ist.

      Wenn man heute in die kahlen und abweisenden Regionen südlich der Zentralgebirge der Sahara kommt, Hoggar, Tassili und Tibesti, ist es schwer vorstellbar, dass diese, ebenso der südliche Teil Mauretaniens, über Jahrtausende von ausgedehnten Seen über weite Flächen bedeckt waren, die jetzt von Dünengebieten oder Seescheiden-Bänken eingenommen werden. Eine beeindruckende Felszeichnung mit Schwimmern im Grenzgebiet von Libyen und Ägypten gibt aber Kunde von den damaligen Verhältnissen. Die Seen wurden von Flüssen gespeist. Einer davon kam mit seinen Quellflüssen aus dem Hoggar- und dem Tassili-Gebirge und floss in den Tschadsee. Die frühere Höhe des Seespiegels konnte rekonstruiert werden: das höchste Niveau lag 80 Meter höher und der See war vier- bis fünfmal größer als heute und seine Ausdehnung übertraf damals sogar das heutige Kaspische Meer! Reste von Fischen finden sich noch 50 Kilometer von den heutigen Ufern entfernt. Die höheren Regionen der Gebirge waren mit Laubwäldern und die niedrigeren mit Pistaziengewächsen, Wacholder und anderen Sträuchern sowie Ölbäumen bewachsen.

      Die eigentliche große Grünphase der Sahara begann mit der Erholung von Temperatur und Feuchtigkeit nach dem Einbruch von Trockenheit um 5500 v.Chr., d.h. in dem Klimaoptimum, welches u.a. zur