Norbert Buchner

Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall


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mit Temperaturen, welche um mehrere Grad Celsius unter den bisherigen lagen. Die kalten Temperaturen brachten auch Trockenheit mit sich: der Dampfdruck des Wassers und die verdampfende Menge fallen überproportional mit der Temperatur und Wasser, das nicht verdampft, kann auch nicht als Regen zurückkommen. Diese Abkühlung bedeutete eine gewaltige Herausforderung für Flora, Fauna und den Vormenschen. Es ist wissenschaftlich gesichert, dass in dieser Zeit in den afrikanischen Savannen die Entwicklung zum Homo sapiens, zum Menschen mit gesteigerter Intelligenz, in Gang gesetzt wurde: härtere Herausforderungen verlangten nach einer neuen Antwort der Evolution! Lit.1.3

      Prüfung des Frühmenschen durch große Trockenheit und Tête-a-Tête mit dem Neandertaler

      Die letzte Warmzeit ging vor etwa 130 000 Jahren zu Ende. Mit der Abkühlung setzte in Zentralafrika auch eine große und lang anhaltende Dürre ein. Die Menschen, welche sich im günstigen Klima der Warmzeit stark vermehrt hatten, waren nun nicht nur durch die Absenkung der Temperatur um mehr als 5°C sondern auch noch durch eine große Trockenheit bedrängt. Die Natur erfuhr eine völlige Umgestaltung: Untersuchungen am Malawisee zeigten, dass der Wasserspiegel zwischen 135 000 und 75 000 Jahren v.h. um mindestens 550 Meter unter den heutigen Wert abgefallen ist! Erst vor 70 000 Jahren begann der See wieder anzusteigen. Forscher um den Geowissenschaftler Andrew Cohen aus Tucson untersuchten Sedimente von drei zentralafrikanischen Seen und sie konnten dabei über 100 000 Jahre afrikanische Vergangenheit erforschen. Sedimente aus dem Zeitraum von 135 000 bis 90 000 Jahren v. h. enthielten nur wenige Pollen: die Seen waren also von trockenem Buschland umgeben.

      Diese lange Zeit von Trockenheit und Dürre muss den Menschen stark zugesetzt und die menschliche Population gering gehalten haben. Erst vor etwa 70 000 Jahren wurde es wieder feuchter.

      Während der großen Trockenheit versuchten Menschen vor etwa 100 000 bis 90 000 Jahren das unwirtliche Afrika über die Landbrücke der Sinai-Halbinsel zu verlassen. Sie blieben aber am Widerstand der Neandertaler hängen, welche wohl den eiszeitlichen Temperaturen in Europa entkommen wollten und so bis in die Levante vorgedrungen waren. Zwischen den beiden frühen Menschengruppen ergab sich eine Pattsituation und der Homo sapiens aus Afrika konnte sich nicht gegen den Neandertaler durchsetzen. Auch die materiellen Hinterlassenschaften der beiden Arten weisen keine großen Unterschiede auf und mal wurde eine Höhle von der einen, dann wieder von der anderen Menschenart bewohnt. Die beiden Arten haben aber wohl nicht nur dieselben Höhlen benutzt, sondern gelegentlich gleichzeitig auch ihre Betten! Während mehrere Forscher aus der Untersuchung der Reste des mitochondrialen Genoms in europäischen Neandertaler-Knochen noch vor wenigen Jahren gefolgert hatten, dass sich die beiden Menschenarten bei ihren späteren Kontakten in Europa nicht vermischt haben, kamen nun Forscher um Svante Pääbo, Leipzig, in einer riesigen Forschungsarbeit (56 Autoren!) bei Untersuchungen der rekonstruierten Kern-DNS mit ihrer großen Informationsfülle zu dem Schluss, dass der heutige moderne Mensch etwa 1 – 4 % Schnipsel der DNS des Neandertalers fein verteilt in sich trägt. Lit. 1.4

      Vulkanische Superexplosion: der Mensch stirbt beinahe aus

      Genforscher haben mit Verwunderung festgestellt, wie gering die Varianz im heutigen menschlichen Genom und wie hoch der Grad der Verwandtschaft aller Menschen weltweit ist. Dies hat zu der Vermutung geführt, die Menschheit müsse irgendwann einen „genetischen Flaschenhals“ durchlaufen haben, in welchem sich der Genreichtum – und damit notgedrungen die Anzahl der Menschen – stark reduziert hat. Die über viele Jahrzehntausende herrschende Dürre in Afrika könnte hierzu eine glaubhafte Erklärung liefern. Aber ganz offensichtlich war sie nicht die einzige Existenz-bedrohende Bedrängnis für unsere Vorfahren: M.R.Rampino von der New York University und S.H. Ambrose von der University Illinois sehen einen entscheidenden Einschnitt in der Supereruption des indonesischen Vulkans Toba vor 74 000 Jahren, also in der Endphase der langen afrikanischen Dürrezeit. An Stelle dieses damaligen Vulkans befindet sich heute im Norden der indonesischen Insel Sumatra ein 100 km langer und 30 km breiter See in einer eingebrochenen Caldera. Bei der Superexplosion sollen fast 30 000 km3 vulkanisches Material in Atmosphäre und Stratosphäre geschleudert worden sein. Asche von diesem Ereignis findet sich noch heute auf dem Meeresboden im gesamten Indischen Ozean, aber auch in Eisbohrkernen der Polarregionen. Das Gletschereis in Grönland (s.Abb. 2) zeigt sogar 2 jähe und sehr tiefe kurzzeitige Temperatureinbrüche, nämlich vor 74 000 und vor 70 000 Jahren. Wurde der Vulkan in zwei Eruptionen weggerissen?

      Große Vulkanausbrüche können plötzlich für einige Jahre das Klima der Erde völlig verändern: schon der Staub, der in die Atmosphäre geschleudert wird, schirmt die Sonneneinstrahlung ab, sodass es auf der Erde plötzlich kühler wird. Schwefeldioxid aus solchen Eruptionen bildet mit dem Wasserdampf in der Luft auch sehr kleine Tröpfchen, die wenig zum Abregnen neigen und damit eine lange Zeit von trüber und trister Trockenheit einleiten.

      Die Folgen dieser Explosion waren gewaltig: weltweit soll die Temperatur über mehrere Jahre um mindestens 5°C gefallen sein. Sechs Jahre lang hat ein „Vulkanischer Winter“ angehalten, der die Vegetation weitgehend zum Stillstand gebracht hat – und dies während einer Trockenperiode mit ohnehin schon vermindertem Pflanzenwachstum! Extremer Hunger und vielfacher Tod waren die Folgen: höchstens 5 000 bis 15 000 Menschen können nach Rückschlüssen aus dem Genom moderner Menschen diese Katastrophe überlebt haben! Aus dem so reduzierten – aber wohl sehr widerstandsfähigen – genetischen Restbestand hat sich dann die heutige Menschheit entwickelt. Lit. 1.5

       Abb. 2: Sauerstoff-Isotopen-Kurve des Summit-Eisbohrkerns aus Grönland für die Rekonstruktion von Temperaturen (Links: kälter – Rechts: wärmer)

      Auswanderung und Verteilung des Menschen über die Erde

      Ein kleiner Clan wandert unter Klimadruck aus Afrika aus

      Vor etwa 58 000 Jahren machte die Temperatur plötzlich einen Sprung von mehreren Grad Celsius nach oben und sie blieb – mit einem kurzen Einbruch – drei bis vier Jahrtausende lang recht hoch (Abb. 2). Diese „Oerel-Interstadial“ genannte Warmzeit muss zu einer starken Vermehrung der Menschen geführt haben. Gegen 52 000 v.h. allerdings stellten sich wieder scharfe Kälteeinbrüche ein und die Temperatur fiel um mehrere Grad Celsius. Das wärmere Interstadial war zu Ende gegangen; überdies zeigen Bohrkerne aus dem Gletschereis von Grönland mehrere Vulkanausbrüche an, welche zu einer plötzlichen starken Absenkung der Temperatur führen mussten. Die Menschen in Ostafrika waren nun erneut von kühlen Temperaturen, Trockenheit und einem Einbruch bei der Fruchtbarkeit geplagt.

      Für eine kleine Gruppe unserer Urahnen bedeuteten Hunger und Nöte ganz offensichtlich das Signal zum Aufbruch. Sie hofften auf ein Heil im Osten, dort, wo jeden Tag die Sonne als Zeichen der Hoffnung neu aus dem Meer aufsteigt, jenseits der Meerenge, welche am Golf von Aden Afrika und Asien trennt. Diesmal wagten die Menschen also den direkten Weg über die Meerenge! Sie war damals auch schmäler als heute, weil der Meeresspiegel wegen der eiszeitlichen Bedingungen um etwa 30 Meter im Vergleich zu heute abgesenkt war.

      Genforscher glauben die Zeit der Auswanderung recht präzise aus dem „Geschichtsbuch des Genoms“ herauslesen zu können. Nach Bryan Sykes von der Universität Oxford lag der Zeitpunkt um 52 000 v.h., d. h. im zweiten und schärferen klimatischen Minimum. Weiterhin nehmen Forscher aus dem Forschungsprogramm HUGO (Human Genom Organisation) auf Grund der Enge des Genpools der Nachkommen der Auswanderer an, dass nur ein ganz kleiner Clan von höchstens einigen Hundert Menschen damals Afrika verlassen hat. Alle Menschen auf der Erde, ausgenommen die Afrikaner südlich der Sahara und ihre späteren Abwanderer, sollen auf diesen Clan zurückgehen.

      Diese „erste“ Auswanderung aus Afrika ist neuerdings in die Diskussion geraten. Ein Archäologenteam um H.P.Ürpmann, Tübingen, fand auf der Arabischen Halbinsel nahe der Straße von Hormuz unter einem Felsüberhang Bearbeitungsabfälle von Steinwerkzeugen, welche auf ein Alter von 125 000 Jahren datiert wurden. Ein weiterer Forscher, Jeffrey I.Rose, entdeckte in einer Uferböschung im Inneren der Dhofar-Ebene des Oman Steinwerkzeuge mit einem Alter von 106 000 Jahren, welche stilistisch