fiel das Klima gegen 40 000 v.h. über fast 5000 Jahre mit Schwankungen wieder auf ein tiefeiszeitliches Niveau ab (s. Abb. 2). Dies bedeutete Kälte und Trockenheit und Hunger für Mensch und Tier! In Europa ist in dieser Periode der Neandertaler verdrängt worden und schließlich ausgestorben. Die Großtierwelt Australiens könnte sich in dieser Zeit durch Hunger reduziert haben und den Rest könnte ihr der ebenfalls hungernde Mensch gegeben haben.
Als im 17. Jahrhundert n.Chr. die ersten Europäer in Australien eintrafen, fanden sie dort Jäger und Sammler vor, welche in ihrer Lebensweise noch tief in der Steinzeit verharrten. Die Nachfahren der gleichzeitig mit den australischen Ahnen auf dem Kontinent Australien/Neuguinea/Tasmanien eingetroffenen Menschen von Neuguinea hingegen waren fortschrittlicher: sie haben vor 10 000 bis 9 000 Jahren, also lange vor dem Eintreffen weiterer Menschen aus Südostasien, eigenständig den Ackerbau entwickelt, lebten als Bauern und Schweinehirten in Dörfern und verwendeten Pfeil und Bogen und eine vielfältige Keramik. Die Natur hatte ihnen nach der Abtrennung von Australien ein unterschiedliches Schicksal vorgegeben: die Australier lebten in einem vorwiegend sehr weiten und wenig fruchtbaren Land, welches ein Dasein als Jäger und Sammler nahe legte. Ihre Population blieb dünn und damit fehlten ausreichende kulturelle Anregungen und auch ein Überfluss an wirtschaftlichen Ressourcen. Die Ahnen dieser Menschen, die so weit gewandert waren und mehrere Meeresstraßen überwunden haben, mussten anderseits zu den wagemutigsten und vielleicht auch innovativsten Menschen gehört haben. Dafür sprechen nicht nur ihre frühen Felsgravierungen, sondern auch ihre geschliffenen Steinbeile mit Holzschaft. Die Menschen von Neuguinea hingegen fanden ein fruchtbares und vielfach gegliedertes Land vor, das die Entwicklung von Landwirtschaft und von Sesshaftigkeit begünstigte. Die räumliche Begrenztheit von günstigen Landschaften und Höhenlagen setzte der kulturellen Entwicklung aber doch wieder enge Grenzen. Lit.2.2
Hengelo-Interstadial: erneute Vermehrung und Abwanderung nach dem Norden
Das warme Glinde-Interstadial war in eine Kaltzeit ausgelaufen, welche etwa ein Jahrtausend lang anhielt. Dann aber hob sich zwischen 44 000 und 43 000 v.h. die Temperatur wieder plötzlich um mindestens 5°C zu einer neuen Warmphase an, dem Hengelo-Interstadial, welches drei bis vier Jahrtausende anhielt – wenn auch wieder mit fallender Tendenz in eine neue kurze Kaltphase (s. Abb. 2). Unter den günstigen wärmeren Bedingungen wuchs die Bevölkerung im Nahen Osten wieder an und es entstand erneut Auswanderungsdruck. Diesmal richtete er sich nach dem Norden und die breite Tiefebene von Euphrat und Tigris war seine Pforte.
Der Norden des Orients, die Levante, war immer noch vom Neandertaler besetzt. Der vormoderne Mensch, welcher von Afrika aus schon fünfzigtausend Jahre früher auf den Neandertaler getroffen war, hatte sich damals gegen diesen robusten Menschentyp nicht durchsetzen können; diesmal aber scheint der Neandertaler kein ernsthaftes Problem mehr gewesen zu sein, denn die Expansion ging schnell weiter, im Westen nach Nordafrika, im Nordwesten nach Europa, im Norden nach Russland und im Nordosten in die sibirischen Weiten. Innerhalb einiger Jahrtausende verschwand dann der Neandertaler in der Levante. Es ist auch erstaunlich, in wie kurzer Zeit die modernen Jäger und Sammler nun riesige Strecken hinter sich gebracht haben: am mittleren Don, in Kostenki, 400 Kilometer südlich von Moskau, gräbt man ihre Hinterlassenschaften schon aus einer Zeit vor 43 000 Jahren aus. Südost-Europa wurde an der unteren Donau zur selben Zeit erreicht. Nach neu datierten Funden aus der Geißenklösterle-Höhle auf der Schwäbischen Alb ist der moderne Mensch kurz darauf auch schon in Süddeutschland angekommen: den berühmten Adoranten auf einem Täfelchen aus Mammut-Elfenbein datiert man nun auf 43 000 bis 42 000 Jahre v.h. Er hat der bisher ältesten Plastik der Menschheit, der prallen „Venus vom Hohle Fels“ bei Schelklingen am Südrand der Schwäbischen Alb, damit den Rang abgelaufen! Die Donaupassage bis Zentraleuropa wurde also schnell bewältigt! Sogar viel weiter westlich finden sich sehr alte Stätten des Menschen: nach dem britischen Archäologen Paul Mellars aus Cambridge sind die ältesten Funde auf der iberischen Halbinsel und an der französischen Atlantikküste mit 42 000 bis 41 000 Jahren nur geringfügig jünger! Ein weiterer Pfad nach Westeuropa könnte der Umweg über Nordafrika und die Meerenge von Gibraltar gewesen sein. Nach Funden im Museum in Tunis ist die Anwesenheit des modernen Menschen dort seit etwa 40 000 Jahren nachgewiesen. Die Menschen haben sich auch in Nordafrika sehr rasch in einem Gebiet ausgebreitet, das im Westen bis zum Atlantik und im Süden bis zum Tschadsee reicht. Der neue Mensch scheint sich bis heute auch noch sprachlich bemerkbar zu machen, denn man hat Parallelen zwischen Berbersprachen in Nordafrika und der baskischen Sprache im Norden der iberischen Halbinsel gefunden, welche wohl auf diese frühen Einwanderer zurückgehen.
Wie weit ist der Mensch damals nach dem Osten vorgedrungen? Wir wissen es nicht! Im Cerro Toluquilla bei Puebla südlich von Mexico-City hat man Eindrücke im vulkanischen Boden gefunden, in denen einige Wissenschaftler versteinerte Fußspuren von Menschen zu sehen glauben mit einem Alter von etwa 40 000 Jahren. Die frühen Menschen könnten bei der Verfolgung von Wild im Osten von Sibirien eine schmale 80 bis 90 Kilometer lange Landpassage in der heutigen Beringstraße zwischen der ostsibirischen Halbinsel Chukchi und Alaska schon damals überquert haben. Der Meeresspiegel stand zu dieser Zeit etwa 50 Meter tiefer als heute, 5 Meter unter der tiefsten Stelle des Pfades in der Beringstraße, sodass die Menschen, sofern sie schon nach Nordostsibirien vorgestoßen sein sollten, auf dieser schmalen Passage nach Amerika gelangen konnten. Lit. 2.3
Warmes Denekamp-Interstadial fördert Kunst in Europa
Nach 40 000 v.h. stellte sich ein sehr wechselhaftes Klima ein: mäßig warme Zeitabschnitte wechselten mit starken eiszeitlichen Einbrüchen (vgl. Abb. 2). Haben die modernen Menschen aus dem wärmeren Orient diese schwierige Zeit in Europa überhaupt überstanden? Lange Zeit war dies unklar, weil entsprechende Funde fehlten. Im eingestürzten Abris Castanet in Südfrankreich hat man aber nun eine 37 000 Jahre alte unvollendete Ritzzeichnung eines Tiers zusammen mit einigen Symbolen gefunden, welche die Anwesenheit der Menschen für diese Zeit zumindest in dieser etwas wärmeren Region belegen. Etwa gleich alt ist die älteste aus Europa bekannte Zeichnung aus der El Castillo-Höhle in Nordspanien.
In einer wärmeren Region, auf der indonesischen Insel Sulawesi, datiert man eine auf eine Höhlenwand gesprühte menschliche Hand auf etwa 40 000 Jahre.
Gegen 35 000 v.h. setzte das Klima wieder zu einer längeren wärmeren Periode an, dem Denekamp-Interstadial, und es blieb fast 3 Jahrtausende warm, wenn auch die Temperatur wieder eine fallende Tendenz zeigte.
Unter diesen günstigeren Bedingungen regte sich wieder mehr menschliches Leben in Europa. Die Menschen waren nicht mehr gezwungen, ihre gesamte Zeit im Kampf ums Überleben einzusetzen und das gab der frühen Kunst wieder einen großen Impuls! Besonders reich sind einige Frühfunde aus dieser Zeit aus Höhlen des Lonetals bei Ulm: eine viereinhalb Zentimeter große Figur eines Mammuts aus Elfenbein datiert man auf ein Alter von 35 000 Jahren. Weiter fanden sich zwei ebenfalls aus Mammutelfenbein geschnitzte Figuren von Mischwesen aus Menschen und Löwen, deren Alter auf 32 000 Jahre bestimmt wurde. Später entstanden Skulpturen und Bilder solcher schamanenhafter Mischwesen aus Mensch und verschiedenen Tieren an vielen Orten und sie gewannen besonders in Ägypten, auf der Kunst der Sahara aufbauend, eine große Bedeutung. Am Beginn dieser Kunstperiode stehen auch Ritzzeichnungen in Felswänden mit einem Fruchtbarkeitssymbol, dem weiblichen Schoßdreieck. Dieses Zeichen wurde viele Jahrzehntausende später in der sumerischen Keilschrift in Mesopotamien für „Frau“ verwendet.
In dieser Zwischenwarmphase erlebte in Chauvet im Tal der Ardeche in Südfrankreich, einer wärmeren Gegend, die Kunst der Bemalung von Höhlenwänden eine erste Blüte: die frühesten Zeichnungen in einer längeren Zeitfolge werden dort schon auf 32 000 v.h. datiert, also lange bevor die spektakulären Kunstwerke der „Kathedralen der Eiszeit“ entstanden, wie in Lascaux in Südfrankreich oder in Altamira in Nordspanien.
Für die frühe Kunstentfaltung in Europa kann man einen wellenförmigen zeitlichen Verlauf finden: in wärmeren Perioden blühte das Kunstschaffen auf und in Kaltperioden kam es wieder ganz oder weitgehend zum Erliegen. Sicher ist nach einem starken Kälterückfall die Zahl der Menschen auch wieder stark geschrumpft, Menschen sind auch in mildere Regionen ausgewichen und die Zeit der verbliebenen Menschen war mit den Notwendigkeiten zum Überleben ausgefüllt. Lit.2.4