Norbert Buchner

Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall


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sind. Da aber eine massive Ausbreitung der modernen Menschen in ferne neue Räume erst nach 50 000 v.h. feststellbar ist dürften frühere Auswanderer allenfalls den arabischen Raum erreicht haben. Die Besiedelungsgeschichte der gesamten Erde fing erst später an!

Abb 3

       Abb. 3 Ausdehnung des Meeres im heutigen Persischen Golf beim Einzug des modernen Menschen vor etwa 50 000 Jahren

      Zahlreiche schon länger bekannte Funde mit einem Alter von mindestens 50 000 Jahren auf der Halbinsel Katar im Persischen Golf verweisen darauf, dass die Menschen aus Afrika recht schnell in dieses bevorzugte Gebiet gekommen sind. Abb. 3 zeigt die damaligen geografischen Verhältnisse: schwarz gekennzeichnet ist die damalige Meereszunge im heutigen Golfmeer und schraffiert das Land im heutigen Golfmeer, welches damals trocken lag. Katar war ein flacher Höhenrücken in einer trockenen Ebene, welche heute vom Golfmeer überflutet ist. Nachdem zur Zeit der Ankunft der Menschen am Golf der Meeresspiegel abgesenkt war – das fehlende Wasser war in riesigen eiszeitlichen Gletschermassen deponiert – lag etwa die Hälfte des heutigen Golfmeeres trocken und durch den Golf von Hormuz ragte nur eine schmale Meereszunge (schwarz) etwa 800 Kilometer weit in die Tiefebene hinein. Im Nordwesten mündete der heutige Schatt-al-Arab, der Zusammenfluss von Euphrat, Tigris und Karun, in diese Meereszunge. Sowohl aus dem heute iranischen Norden als auch aus der heutigen Arabischen Halbinsel mündeten, zumindest in feuchteren Zeiten, weitere Flüsse in diese Meereszunge, welche erst viele Jahrtausende später zum heutigen Meer des Persischen Golfs werden sollte.

      Gibt es Hinweise dafür, dass die Menschen aus Afrika diesen südlichen Weg auf die Arabische Halbinsel genommen haben? Im gut erforschten Norden, in der Levante, fehlen Spuren für eine Zuwanderung zu dieser Zeit. Gibt es noch weitere Verweise auf den südlichen Weg? L.Qintana-Murci von der Universität von Pavia fand einen überzeugenden Beweis: eine bestimmte Gruppierung im mitochondrialen menschlichen Genom, welche man als typischen ostasiatischen Marker betrachtet, fand sich in hoher Häufigkeit sowohl in Äthiopien, der mutmaßlichen Heimat der Auswanderer, als auch im Süden der Arabischen Halbinsel wie auch in Indien. Der nördliche Teil der Arabischen Halbinsel, die Levante, ist hingegen weitgehend frei von dieser Genvariante! Lit.2.1

      Die Tiefebene des Persischen Golfs: Kinderstube der Kulturen

      Die damalige Tiefebene im heutigen Persischen Golf, in welcher sich im Laufe der kommenden Jahrzehntausende die angeführte Meereszunge unterschiedlich breit machte, muss für die weitere Entwicklung der Menschheit außerhalb von Afrika eine zentrale Rolle gespielt haben. In eiszeitlichen Zeiten bot sie wegen ihrer südlichen Lage und geringen Höhe über dem Meeresspiegel ein angenehmes Milieu – je nach Klimaphase mit gemäßigtem oder mediterranem Klima – und sie war zudem gegen die kalten Nordwinde durch das Alpen-ähnliche Zagros-Gebirge geschützt, da die Gebirgsketten parallel zum Nordufer des Golfs verlaufen. Die frühen Menschen bevorzugten die Nähe tief gelegener Gewässer: riesige oft kilometerlange Muschelhalden zeigen an, in wie starkem Maße die frühen Menschen an verschiedenen Stellen der Erde von der Ausbeute der Meere gelebt haben. An den über 2000 Kilometer langen Ufern der Meereszunge im Golf und in den zahlreichen Lagunen konnten die Menschen Fische fangen und Meeresgetier wie Muscheln und Schildkröten sammeln, sodass ihr Tisch reich gedeckt war. An den Zuflüssen konnten sie dem Wild auflauern, das an die Tränke kam, und die weiten Ebenen wie auch die Vorberge des Zagros boten ein riesiges Jagdrevier. Hier wuchs die Population in guten Zeiten so weit an, dass Bevölkerungsdruck einsetzte, der dann zu Abwanderungen führte.

      Afrika gilt zu Recht als die Wiege der Menschheit. Mit demselben Recht kann der Großraum des Persischen Golfs als die Kinderstube der frühen Kulturen bezeichnet werden.

      Warmes Glinde-Interstadial: Expansion nach Südostasien, Australien und Neuguinea

      Die Auswanderer haben Afrika aus Not bei ungünstigem Klima verlassen, aber sie hatten Glück, welches sie vermutlich ihrer neuen asiatischen Heimat zu Gute schrieben: es wurde sehr rasch wärmer und feuchter. Das Glinde-Interstadial setzte plötzlich ein (s.Abb. 2) und es bescherte über den langen Zeitraum von mehr als 5 Jahrtausenden relativ warme Temperaturen – wenn auch mit fallender Tendenz. Die höheren Temperaturen brachten dann auch mehr Feuchtigkeit mit sich.

      Das Temperaturniveau war während der Eiszeit keineswegs konstant; es vollführte sogar rasche und große Sprünge (vgl. Abb. 2). Im Laufe der Jahrtausende hob sich die Temperatur in kurzer Zeit – oft innerhalb eines einzigen Jahrzehnts – um mehr als 5°C an und sie fiel dann nach einer längeren wärmeren Phase, einem „Interstadial“, in Stufen wieder auf die früheren Werte ab. Allerdings erreichten die Interstadiale nie die Temperaturen unserer Zwischeneiszeit, des Holozäns.

      Die langen wärmeren Interstadiale mussten zur Vermehrung der Menschen und zu Expansionen in neue Räume führen. Die erste Expansion ging nach Südosten, wohl entlang der asiatischen Küsten, denn hier blieb es warm oder es wurde sogar noch wärmer. Die Menschen behielten so auch ihre gewohnte Umgebung bei, die sie mit Nahrung versorgte. So erreichten die Abwanderer schnell auch feuchtwarme Regionen, in denen ein Rückgang der Temperatur zu Ende des Interstadials keinen zu großen Nachteil bedeutete.

      Es hat die Forscher immer wieder überrascht, in wie kurzer Zeit die Menschen nach Südostasien und nach Australien gekommen sind. Das langdauernde warme Glinde-Interstadial liefert hierfür eine perfekte Erklärung! Der heute recht heiße und feuchte südostasiatische Raum wies auch noch in kälteren eiszeitlichen Phasen ein akzeptables Klima auf, weswegen sich die Menschen dort schnell verbreiten konnten. Von diesen ersten Einwanderern gibt es in Süd- und in Südostasien noch geringe Spuren: in Indien rechnet man vor allem die dunkelhäutigen Bewohner der Andamaneninseln südlich von Myanmar (Birma) dazu. Für ihre Genvariante auf den Mitochondrien hat man ein Alter von 53 000 Jahren ermittelt. Dies entspricht etwa dem Zeitpunkt der Auswanderung aus Afrika. Als am wenigsten veränderte Nachfahren dieser Abwanderer nach Asien gelten die Aborigines in Australien und die Papuas auf Neuguinea. Diese große Insel wurde erst bei der Beendigung der Eiszeit durch den ansteigenden Meeresspiegel vom damaligen Kontinent Neu Guinea/Australien/ Tasmanien abgetrennt und die Menschen entwickelten sich dann in Isolation weiter.

      Um von Südostasien auf diesen Großkontinent mit Zentrum Australien zu gelangen, boten sich den frühen Menschen zwei Wege an. In beiden Fällen mussten allerdings mehrere Wasserstraßen bewältigt werden. Dass sich die Menschen der frühen Zeit schon auf Hochseeschifffahrt verstanden konnten kürzlich Sue O'Connor mit Kollegen von der National University in Canberra zeigen: sie fanden in einer Höhle in Timor, im Osten des malayischen Archipels, Reste von Hochseefischen mit einem Alter von 42 000 Jahren. Die damaligen Wasserwege waren auch kürzer als heute: wegen des abgesenkten Meeresspiegels lag ein beträchtlicher Teil des Sundashelfs trocken und er verband heutige Inseln von Indonesien zu einem riesigen Subkontinent, der im Süden bis Bali reichte. Von dort aus führte ein südlicher Wasserweg nach Australien. Nach dem Osten hin stellte die Meeresstraße vor der heutigen Insel Sulawesi (Celebes) die Grenze des südostasiatischen Festlandes dar. Dieser Weg wies nach Neu- Guinea, dem nördlichen Anhang von Australien. Auf beiden Pfaden mussten die Menschen aber mehrere Strecken bis zu 80 Kilometer Länge durch „Inselhüpfen“ bewältigen.

      Es gilt als wahrscheinlich, dass die ersten modernen Einwanderer schon vor fast 50 000 Jahren in Ostasien auftauchten und sich auch bald – noch während des warmen Glinde-Interstadials – in Richtung Australien aufmachten. Die ersten bekannten Felsgravierungen mit abstrakten Mustern in Australien sind etwa 45 000 Jahre alt. Schon vor 30 000 Jahren wurde an der Südspitze Australiens Feuerstein abgebaut und Tasmanien besiedelt, welches damals mit Australien zusammenhing. Allerdings müssen die Menschen unterwegs etwa 5 % der Gene des Denisova-Menschen aufgesammelt haben, eines Homo erectus, einer asiatischen Parallele des Neandertalers.

      Auf dem Kontinent Neuguinea/Australien/Tasmanien hat es damals Großtiere gegeben, wie Riesenkänguruhs, nashornähnliche Beuteltiere, groß wie eine Kuh, und sogar einen Beutel-Leopard. Weiter lebten dort flugunfähige bis zu 200 Kilogramm schwere Vögel, ähnlich dem afrikanischen Strauss, sowie Reptilien mit einem Gewicht bis zu einer Tonne. Sie sind alle ausgestorben: