Gisela von Mossen

Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck


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mit Casinos, Pferderennbahn und seinem idyllischen Fischerhafen Trouville, dann weiter von einem malerischen Badeort zum anderen an der hier beginnenden, ihrem Namen alle Ehre machenden Côte Fleurie, eine Augenweide die gepflegten Parks; aus saftig grünen Rasenflächen erheben sich zum Teil riesige runde, hügelig angelegte Beete, kunstvoll bepflanzt mit buntestem Blumenschmuck, an den Seiten dekorative Fächerpalmen.

      An der Nordküste der sich anschließenden Halbinsel Cotentin schlugen wir unser nächstes „Nachtlager“ auf, und zwar in

      - Cherbourg -

      einem bedeutenden Kriegshafen; das mächtige Fort du Roule, eines der stärksten Bollwerke des Atlantikwalls, erinnert noch an den Zweiten Weltkrieg, als unter deutscher Heeresleitung die nordfranzösische Küste durch gewaltige Bunkeranlagen befestigt wurde, die jedoch die größte und erfolgreichste Landungsoperation der Kriegsgeschichte am 6. Juni 1944 durch die Alliierten nicht aufhalten konnten.

      Wir wählten für unsere Übernachtung allerdings einen friedlicheren Platz, direkt am sandigen Ufer gegenüber dem dicht besetzten Yachthafen, nur zwei andere Mobis leisteten uns Gesellschaft. Vorher hatten wir in einem zu Recht voll besetzten Fischrestaurant am Hafen wieder mit Erfolg die französische Küche getestet. Die vom Koch empfohlene Spezialität, Seezunge nach normannischer Art, mit Muscheln, Austern, Krabben, Champignons und einer köstlichen Rahmsoße zubereitet, war eine reine Gaumenfreude, nur eine einsame Auster blieb auf der Platte zurück. Der dazu genossene rassige Muscadet aus der Loire-Region sorgte wieder für noch gehobenere Stimmung.

      Genauso frohgemut ging es am sonnigen Sonntagmorgen weiter entlang der Westküste der NORMANDIE; etwas einsamer, nicht so viele Badeorte, mehr Landwirtschaft und Viehzucht. Eine riesige Kuhherde, die auf der Straße entlanggetrieben wurde und die wir in Zeitlupengeschwindigkeit überholten, bescherte uns eine einstündige Säuberungsaktion, als wir beim Tanken im kleinen Ort Granville voller Entsetzen feststellen mussten, dass die gesamte linke Seite bis über die Fenster hinaus mit Kuhschiete bespritzt war. Nach der Anstrengung stärkten wir uns ausnahmsweise einmal mit leckeren Sandwiches in einem kleinen Strandcafé. Nach etwa 40 Kilometern und der Umrundung einer Bucht kam in der Ferne noch ganz klein die größte Sehenswürdigkeit der Normandie, der Mont Saint Michel in Sicht, eine steile, fast 80 m hohe Granitinsel, kaum 900 m im Durchmesser, der wir uns auf einem 2 Kilometer langen Damm, eine flache, fast gänzlich im Trockenen liegende, von Prielen durchzogene Bucht durchquerend, näherten, bis wir auf einem in einiger Entfernung liegenden übervollen Parkplatz landeten, ein Touristenrummel sondergleichen.

      Da es von dort aus nur zu Fuß weiterging, ließen wir das Ganze eben von außen auf uns wirken, durch das Fernglas wurden auch Einzelheiten sehr gut sichtbar. Hoch oben auf schroffer Felsspitze thront trutzig eine Benediktinerabtei aus dem 11. bis 13. Jahrhundert mit angrenzender romanisch-gotischer Kirche, deren spitzer Turm hoch hinauf in den blauen Himmel ragt. Ihr zu Füßen gruppiert sich ein bescheidenes Dörfchen, von gigantischen normannischen Festungswällen gegen die Fluten geschützt, immerhin gibt es mit 15 m dort den größten Gezeitenunterschied an Europas Küsten; ein paar dunkelgrüne Baumwipfel unterbrechen das triste Grau. Insel und Bucht wurden 1979 von der UNESCO zur Weltnaturerbestätte erklärt. Nachdem wir das Ganze gebührend bewundert und natürlich auch im Bild festgehalten hatten, kehrten wir auf demselben Weg auf das Festland zurück, um nach weiteren etwa 45 Kilometern an der zerklüfteten Küste entlang wieder über einen künstlichen Damm in der alten Insel- und Hafenstadt

      - Saint Malo -

      an der Nordküste der BRETAGNE, einer großen Halbinsel im Atlantik, der nordwestlichsten Landschaft Frankreichs, zu landen; von Küste zu Küste sind es überwiegend 100, maximal 150 Kilometer. Ein idealer Parkplatz mit tollem Blick auf die nahe Ville Close, den alten, von mächtigen mittelalterlichen Festungswällen umgebenen Stadtteil, und den schäumenden Atlantik veranlasste uns zu dem spontanen Entschluss, die nächste Nacht dort zu verbringen.

      Im Laufe der Zeit hatten noch zehn andere Mobis die gleiche Idee. Hinter einem nahen wuchtigen Stadttor „erstürmten“ wir mit kräftiger Unterstützung meinerseits auf einer Treppe die Krone der Stadtmauer und genossen von oben den weiten Blick auf das Meer und von gegenüber in die engen holperigen Gassen der Altstadt, die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, aber danach, so originalgetreu wie möglich, im Stil des 18. Jahrhunderts wieder aufgebaut wurde. Vierzehn Jahre später, im Frühjahr 2000, konnten wir uns anlässlich einer Kreuzfahrt auf der MS Astor nach wegen der hohen Wellen dramatischer Ausschiffung höchstpersönlich davon überzeugen, als wir uns mit Hilfe des Rollstuhls kreuz und quer durch die kopfsteingepflasterten Gassen arbeiteten, die kunstvoll gestalteten Fassaden der Häuser und die hübsche Kirche im Zentrum bewundernd, nicht zu vergessen das wuchtige viertürmige Schloss aus dem 14. und 15. Jahrhundert, das als eines der wenigen alten Gebäude den Krieg heil überstanden hat.

      Doch jetzt schafften wir es gerade bis zu einem nicht weit entfernten urigen Restaurant, in dessen gemütlicher Atmosphäre - an den Wänden Schiffsutensilien jeglicher Art, auf den rot-weiß kariert eingedeckten Tischen in flachen tönernen Krügen flackernde Kerzen - wir uns jeweils an einer großen Terrine „Cotriade“, der Fischsuppe der Bretagne, mit gerösteten Baguettes delektierten. Zurück an Bord bescherte uns zu fortgeschrittener Stunde das gleichmäßige Rauschen des Meeres einen tiefen traumlosen Schlaf.

      Petrus blieb uns weiterhin wohlgesinnt, so dass wir bei schönstem Wetter unsere Küstentour fortsetzen konnten; grandios zerklüftet zeigt sie sich, zum Teil bizarre Felslandschaften bildend, klippenreich mit zahllosen feinsandigen Buchten und vorgelagerten Inseln. Die wenigen Badeorte sind heillos überlaufen. Bei Flut rollt jedoch häufig vom Atlantik eine gewaltige Brandung heran, so dass das Baden nicht immer ganz ungefährlich ist. Hinter dem kleinen Städtchen Tréguier mit seiner imposanten romanisch-gotischen Kathedrale, auffallend die drei in Bauweise und Höhe völlig verschiedenen Türme, verließen wir die Küste. Von der leicht hügeligen Straße ging der Blick unendlich weit über wellenförmig angelegte wogende Felder, Wiesen und Äcker, jeweils begrenzt durch niedrige dunkelgrüne Hecken, ein interessantes Schachbrettmuster bildend. Die darüber schwebenden weißen Wolkengebilde verdichteten sich immer mehr, bis sie sich in einem gewaltigen Regenguss entluden. Als wir jedoch in Brest ankamen, hatte die Sonne wieder die Oberhand gewonnen.

      Frankreichs größter Kriegs- und Handelshafen liegt am Nordufer einer weit ins Landesinnere reichenden zerklüfteten Bucht an der Westküste der Bretagne. Kreuz und quer durch die verstopften Straßen arbeiteten wir uns zum alten Château empor, erbaut im 15. und 16. Jahrhundert war es ein dankbares Fotomotiv, ebenso der weite Blick auf die 64 m hohe Zugbrücke von Recouvrence und die Hafenausfahrt mit all dem Hin und Her von Kriegsschiffen, Frachtern und Schleppern. Das ganze Ufer war leider fest in militärischer Hand, nirgends ein Stehplatz für die Nacht, also weiter um die Bucht herum, bis wir direkt am hübschen Yachthafen von

      - Saint Marc -

      fündig wurden, auch hier wieder in guter Nachbarschaft mit fünf anderen Mobis. Da es durch die lange Suche schon recht spät geworden war, ließen wir uns an Bord zu einem gemütlichen Abendessen aus heimischen Beständen nieder.

      Auf landschaftlich sehr schöner Nebenstrecke durch die reizvollen hügeligen Ausläufer der Monts d’Arrée, deren höchste Erhebung gerade 384 Meter misst, also nicht gerade alpinen Charakter besitzt, trafen wir am nächsten, wieder herrlichen Sommertag auf die sehenswerte Stadt Quimper an der Nordspitze einer langen schmalen Bucht. Sie ist das besonders gut erhaltene Beispiel einer alten bretonischen Stadt mit ihren Kaianlagen, den mächtigen Befestigungsmauern, den mit Schiefer gedeckten Häusern in den mittelalterlichen engen Gassen, durch die wir uns natürlich