Gisela von Mossen

Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck


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Stahltrossen sind wie die Saiten einer Harfe die die Fahrbahn tragenden etwas dünneren Stahlseile befestigt, mit einer Länge von 2,2 Kilometern und enormer Spannweite von 1.4 Kilometern eine der größten Hängebrücken der Welt; in ihrer Eleganz vergleichbar mit der berühmten Golden Gate Bridge in San Francisco.

      Weiter ging’s auf kürzester Strecke zurück an das immer noch wild bewegte Meer und auf kurvenreicher Straße hügelauf und -ab, häufig durch größere belebte und kleine verträumte Badeorte bis in die etwa 160 km entfernte Hafenstadt

      - Boston -

      wo uns besonders die im dekorativen spätgotischen Stil erbaute herrliche Kirche St. Botolph ins Auge fiel, eine der größten Pfarrkirchen ENGLANDS; ihr 90 m hoher „Boston Stump“ genannter Turm mit seiner achteckigen Laterne ist ein Wahrzeichen der Stadt. Die weite Bucht The Wash umrundend, landeten wir zur rechten Zeit, d. h. am frühen Abend, in dem wieder unmittelbar an der Küste gelegenen malerischen Fischerdorf

      - Hunstanton -

      wo wir schon nach kurzer Suche einen uns sehr genehmen Stehplatz für die Nacht entdeckten, natürlich wieder hoch über dem Meer mit herrlichem Ausblick. Die uns zuvor in einem urgemütlichen Fischrestaurant am Hafen mit rustikalem Ambiente servierte Platte mit Meeresfrüchten aller Art ließ keine Wünsche offen.

      Am Samstagvormittag verließen wir schon nach kurzer Zeit die Küstenstrecke, der Sturm hatte noch zugenommen, blies inzwischen mit Windstärke 8-9 und drohte uns von der Straße zu fegen, weiße Gischtflocken versperrten die Sicht, so dass die Scheibenwischer in Aktion treten mussten. Wir wollten sowieso der etwa 30 km im Landesinneren liegenden Hauptstadt der Grafschaft Norfolk,

      - Norwich -

      einen Besuch abstatten. Sehr schön die gut erhaltenen Häuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert, und über 30 alte, zum Teil sehr sehenswerte Kirchen. Ganz besonders hatte es uns die mächtige 135 m lange Kathedrale aus dem 11. Jahrhundert angetan, ein monumentaler Bau aus hellgrauem Sandstein; über dem kunstvoll gestalteten Hauptportal ein überdimensionales Spitzbogenfenster, verziert durch geschwungene, im oberen Teil in geometrische Muster auslaufende Sandsteinsprossen, fast den ganzen Giebel ausfüllend und bis zum etwa 45 m hohen, von einem steinernen Kreuz gekrönten Dachfirst hinaufreichend. Der dahinter majestätisch aufragende quadratische Turm, dessen Fassade hohe, sehr schmale Fenster im Wechsel mit reliefartigen Ornamenten zeigt, ist zwar an seinen Ecken mit den üblichen Türmchen versehen, läuft aber hier aus in eine schlanke, fast 50 m hohe, leicht verwitterte Spitze, auf einer Kugel thronend ein metallenes Kreuz. Dank Parkplatz in unmittelbarer Nähe hatten wir auch das Glück, dieses Kleinod von innen zu bewundern. Durch die bleiverglasten, mit bunten religiösen Motiven geschmückten Fenster fiel das Sonnenlicht vielfach gebrochen in den Altarraum. Die schlanken, kunstvoll behauenen Pfeiler münden in ein fächerartiges Gewölbe an der überhohen Decke, an sanft geschwungene Palmwedel erinnernd, bestückt mit schimmernden goldenen Kugeln; umlaufend eine Balustrade, durch kunstvoll gestaffelte Rundbögen mit dem Kirchenschiff verbunden. Dazu gehört ein wunderschöner Kreuzgang mit den gleichen Stilelementen der Hauptkirche.

      Etwa 100 km trennten uns jetzt noch von

      - Cambridge -

      neben Oxford die bedeutendste Universitätsstadt Englands, idyllisch am Ostufer des Cam gelegen. Die 1209 gegründete Universität bildet ein eigenes Gemeinwesen und umfasst inzwischen etwa 30 Colleges, von denen wir das berühmteste, das 1441 von Heinrich VI. erbaute King’s College, so weit es möglich war, etwas näher in Augenschein nahmen. Aus dem Komplex mit überwiegend dreistöckigen Gebäuden, davon einige sehenswerte mittelalterliche Gemäuer, die Fassaden säulengeschmückt, andere modernerer Natur, erhebt sich sehr eindrucksvoll die ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert stammende spätgotische Kapelle aus weißem Kalkstein mit wunderschön gearbeiteten Farbglasfenstern und vier hohen kantigen Ecktürmen und unzähligen, den Dachfirst an beiden Seiten überragenden kleinen reich verzierten Türmchen; aus einiger Entfernung über eine blühende Wiese hinweg fotografiert, herrliche alte Bäume im Vordergrund und friedlich grasende pechschwarze Kühe mit schneeweißen Köpfen als willkommene Statisten, ein lohnendes Motiv.

      Erst beim näher Kommen entdeckten wir den schmalen Fluss, der sich direkt an den gegenüberliegenden Mauern und Hauswänden entlangschlängelt. Auf den mit überquellenden Blumenkästen geschmückten Brücken fröhliche Studenten, mit lauten Rufen ihre Kommilitonen anfeuernd, die gekleidet in weite schwarze Hosen mit blaugestreiften T-Shirts, breiter roter Schärpe und verwegen aufgesetztem Strohhut wie Gondolieres aussahen und in venezinanischen Gondeln nachempfundenen Booten, natürlich voll besetzt mit ausgelassenen Passagieren, stehend um die Wette stakend einem fernen Ziel entgegenstrebten, ein buntes Bild.

      Nicht minder farbenfroh unser nächtlicher Stehplatz im etwa 50 km entfernten hübschen Städtchen

      - Bedford -

      direkt an der sehr schön gestalteten Uferpromenade des Flüsschens Ouse (nicht zusammenhängend mit dem Fluss gleichen Namens bei Kingston upon Hull); ein gepflegter Rasenstreifen, großzügig durchsetzt mit prachtvoll bepflanzten Blumenbeeten, trennte uns von dem mit Kies bestreuten Wanderweg, eine schmale Fußgängerbrücke spannte sich in elegantem Bogen aus schneeweiß gestrichenem Gitterwerk hinüber zum anderen Ufer, herrliche alte Bäume reckten ihr Geäst hoch in den Himmel, an dem sich inzwischen pechschwarze Wolken zusammengebraut hatten, ein immer lauter werdendes Grollen und zuckende Blitze kündeten ein sich näherndes Gewitter an, das sich dann mit ohrenbetäubendem Krachen und prasselndem Regen entlud.

      Nun, wir genossen im Trocknen, geschützt vor den Unbilden der Naturgewalten, in aller Ruhe unsere Hausmannskost, verfeinert durch ein Gläschen Wein. Eine ganze Schwanenkolonie ließ sich nach und nach vor uns auf dem Rasen nieder, eifrig Gras zupfend, sich ausgiebig das schimmernde Gefieder putzend oder auch, den schmalen Kopf unter den Flügeln verborgen, friedlich schlafend; der zahlreiche Nachwuchs, hellgrau und kuschelig, zunächst aufgeregt herumwuselnd, verschwand nacheinander unter den aufgeplusterten Fittichen der sie liebevoll umsorgenden Mütter oder der nicht minder fürsorglichen Väter.

      Nachdem sich das Gewitter verzogen und auch der Sturm gänzlich gelegt hatte - durch einzelne Wolkenfetzen lugte ein blasser Mond, und die schönen alten Laternen verbreiteten ein gemütliches Licht - kam uns eine nahe schneeweiße Bank gerade recht, um die Seele so ganz entspannt baumeln zu lassen und diese abendliche Idylle in vollen Zügen zu genießen.

      Der Sonntagmorgen grau in grau mit einzelnen Regenschauern, genau passend also die geplante Besichtigung des im etwa 20 km entfernten kleinen Örtchen

      - Woburn -

      in einem gepflegten Park gelegenen prachtvollen Herrenhauses des Earl of Bedford, der sein ehrwürdiges Schloss aus dem 18. Jahrhundert zu einer weltbekannten Attraktion umfunktioniert hat, prächtige hohe Räume mit alten Stilmöbeln aus Frankreich und England und eine imposante Gemäldesammlung, eine der größten im Privatbesitz. Dank genügender Sitzgelegenheiten konnten wir den Rundgang ganz in Ruhe vollziehen.

      Weitaus mächtiger unser nächstes Ziel, das westlich von London auf einem Kalkhügel oberhalb der Themse gelegene Windsor Castle. Die ursprünglich von Wilhelm dem Eroberer, der 1066 in der berühmten Schlacht bei Hastings England besiegte, aus Holz begonnene Festung wurde nach und nach in Stein fortgesetzt und war über 850 Jahre die Hauptresidenz der königlichen Herrscher Großbritanniens. Noch heute dient die riesige, von einer hohen Mauer umgebene Anlage der Queen und ihrer Familie neben dem Buckingham Palace als zeitweiliger