Gisela von Mossen

Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck


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Tod gerissen; der verantwortliche junge Ingenieur hatte bei seinen Berechnungen die Windkräfte nicht einkalkuliert. Als Verursacher dieser Katastrophe ließ Fontane in dichterischer Freiheit drei sich dort zu üblem Tun treffende Hexen fungieren.

      Schon bald erreichten wir den weiten Firth of Forth, den wir auf einer sehr imposanten, an zwei Pylonen hängenden modernen Straßenbrücke (1964 eingeweiht) überquerten, mit einer Länge von über 2 km und einer Hauptspannweite von ca. 1.000 m ist sie eine der längsten Hängebrücken Europas. Einen interessanten Kontrast dazu bildet die daneben liegende 1.600 m lange dreibogige Eisenbahnbrücke aus massiver gitterförmiger Stahlrohrkonstruktion. Am Südufer erhebt sich auf sieben Hügeln die Hauptstadt Schottlands,

      - Edinburgh -

      der politische und kulturelle Mittelpunkt des Landes, außerdem ein wichtiges Industrie- und Wirtschaftszentrum, Sitz einer bekannten Universität und etlicher Fachhochschulen. Unser erster Blick bei der Einfahrt fiel auf den alles überragenden Burgberg, über dessen steilen Felswänden sich sehr eindrucksvoll das mächtige dunkelgraue Castle aus dem 11. Jahrhundert erhebt, u. a. einst Wohnsitz der schottischen Königin Maria Stuart. Die so genannte New Town zeigt sich weiträumig mit schnurgeraden, zum Teil sechsspurigen Straßen. Sie wurde Ende des 18. Jahrhunderts unter großflächiger Bewahrung der historischen Substanz erbaut, nur vereinzelt unterbricht moderne Architektur den schönen klassizistischen Charakter, weswegen Edinburgh auch „Athen des Nordens“ genannt wird.

      Da zum Zeitpunkt unserer Ankunft gerade das alljährlich dort stattfindende internationale Sommerfestival für Theater, Ballett, Musik, Film und Kunst begangen wurde, präsentierten sich die Straßenzüge festlich geschmückt, überall flatternde bunte Fahnen der teilnehmenden Nationen und Blumen in den kunstvollsten Arrangements. Leider erwiesen sich die schmalen Gassen der sich an den Burgfelsen drängenden Altstadt mit ihrem mittelalterlichen Gepräge als zu eng für unser Mobi, so dass wir nur mittels langsamem Vorbeifahren einen Blick in das Labyrinth werfen konnten. Per Zufall fanden wir im belebten Zentrum einen Parkplatz, so dass ich von dort aus auf Fotosafari gehen konnte und wir anschließend auf einer nahen Bank noch eine Weile die Atmosphäre dieser faszinierenden Stadt in uns aufnehmen konnten. Die historische Altstadt nebst Castle wurden 1995 ebenfalls von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

      Tief beeindruckt fuhren wir nach über drei Stunden in östlicher Richtung wieder dem Meer entgegen, das wir schließlich mit dem eleganten Badeort North Berwick erreichten. An den dem lang gestreckten Sandstrand vorgelagerten Klippen brach sich malerisch eine gewaltige Brandung. Weiter ging es auf herrlicher, leicht hügeliger Küstenstrecke, vorbei an eindrucksvollen Ruinen ehemals stolzer Burgen, bis wir laut Landkarte hinter dem kleinen Örtchen Berwick upon Tweed wieder in

      - englisches Gebiet -

      einfuhren. Noch etwa 90 km hügelauf und –ab, durch weite blühende Wiesen, immer mit Blick auf die leicht bewegte Nordsee, ab und zu ein verträumtes Fischerdörfchen, dann die hübsche Hafenstadt

      - Whitley Bay -

      unser Tagesziel.

      Ein Parkplatz direkt neben der Hafeneinfahrt erschien uns gerade recht für die Nacht. Vorher hatten wir uns in einem per Zufall entdeckten indischen Restaurant in gepflegtem schwarzweißen Ambiente mit edlem Lilienschmuck kulinarischen exotischen Genüssen hingegeben. Äußerst zufrieden mit dem Verlauf des Tages saßen wir noch eine ganze Weile bei einigen Gläschen Wein aus den heimischen Beständen auf unserer gemütlichen „Wohnzimmerbank“, das rege Leben auf dem Wasser beobachtend. Ein- und auslaufende Schiffe waren noch in großer Zahl unterwegs, einige bei der einbrechenden Dämmerung hübsch illuminiert. Am Ende der weit in das Meer hinausragenden Mole wies ihnen ein blinkender Leuchtturm den Weg.

      Am nächsten Morgen stand zunächst eine kurze private Stadtrundfahrt im nur wenige Kilometer entfernten, an der Mündung des Flusses Tyne gelegenen

      - Newcastle -

      auf dem Programm. Das Innenstadtbild wird bestimmt durch viktorianische Straßenzüge des frühen 19. Jahrhunderts. Herausragend die mächtige, im 14./15. Jahrhundert erbaute gotische Kathedrale St. Nicholas mit dem typischen quadratischen Turm am Ende des lang gestreckten Kirchenschiffes, gekrönt an seinen vier Ecken von schlanken Türmchen, die Spitzen geschmückt durch große Kreuze. Wunderschön die Umgebung, ein sehr gepflegter Park mit herrlichen alten Bäumen, in den sattgrünen Rasenflächen hügelig angelegte runde Beete, von in Motiven gepflanzten Blumen in bunter Pracht überquellend.

      Schon bald verließen wir die geschäftige Hafenstadt in Richtung Küste und glitten bei herrlichem Sonnenschein direkt am schimmernden, leicht rauschenden Meer entlang, durch malerische kleine Badeorte, wie Saltburn und Whitby. Größer und voller quirligem Leben der sehr schöne Ferienort Scarborough und etwas weiter südlich nicht minder hübsch und belebt

      - Bridlington -

      das wir spontan als Bleibe für die Nacht auserkoren. Ein direkt an der langen Promenade neben einem gepflegten Bowling Green gelegener Parkplatz, von der Straße her geschützt durch eine dichte Buchenhecke, war genau das Richtige. Doch zunächst suchten und fanden wir ein einladendes Restaurant, auf dessen großer, etwas höher liegender Terrasse, geschickt unterteilt durch prachtvoll bepflanzte Kübel, wir Ausblick und ein trotz aller Vorwarnungen, die englische Küche betreffend, wieder delikates Menü genossen. Auf unserem Übernachtungsplatz waren in der Zwischenzeit noch zwei weitere Wohnmobile eingetroffen, die beide allerdings im Laufe des späten Abends aufbrachen, um am nächsten Morgen wieder zurückzukehren. Nun, wir ließen uns nicht irritieren, von unseren bequemen Sitzen im „Cockpit“ aus, vor uns ein Glas Wein, beobachteten wir das rege Leben und Treiben auf der breiten, bunt illuminierten Promenade und dem in helles Licht getauchten Bowlingplatz, auf dessen kurz geschorenem Rasen noch etliche schneeweiß gekleidete Spieler voller Konzentration ihre Kugeln setzten.

      Ein in der Nacht aufkommender Sturm schüttelte uns kräftig durch, und das Meer zeigte sich am nächsten Morgen bleigrau und aufgewühlt mit gischtenden Schaumkronen, aber Gott sei Dank blieb uns die Sonne weiter treu. Einen modernen Supermarkt am Ortsausgang nutzten wir zum Auffüllen unserer zur Neige gehenden Lebensmittelvorräte, um dann nach etwa einer Stunde kurvenreicher Fahrt durch das waldreiche Landesinnere die am Nordufer des weiten Mündungstrichters der Flüsse Trent und Ouse gelegene große Hafen- und Industriestadt

      - Kingston upon Hill -

      zu erreichen. Direkt vor dem Portal der imposanten gotischen Kirche Holy Trinity fanden wir auf Anhieb einen Parkplatz, doch leider war das Tor verschlossen, so dass wir sie nur von außen bewundern und soweit möglich, in ihrer ganzen Mächtigkeit im Bild festhalten konnten: Dunkelrotes Mauerwerk mit vorgesetzten hellgrauen Sandsteinpfeilern, jeweils in schlanke spitze Türmchen auslaufend, das kunstvoll gestaltete breite, ebenfalls graue Sims überragend; die gewaltigen, etwas zurückgesetzten Spitzbogenfenster mit in gleichmäßigen Rillen behauenem Sandstein eingefasst und mit reliefartigen, hübsch gemusterten Sprossen aus dem gleichen Material versehen; der so typische, sich wuchtig über dem mit allerlei Zierrat versehenen Portal erhebende quadratische Turm mit insgesamt sechzehn hohen schlanken, ähnlich künstlerisch bearbeiteten Fenstern, endend in einer durchbrochenen Balustrade, gekrönt von nochmals acht spitzen, in einem Kreuz endenden Türmchen. Da sich das Ganze sehr attraktiv in der braunen Glasfassade der gegenüberliegenden Midland Bank spiegelte, war noch ein Foto der besonderen Art fällig.

      Das nächste herausragende Motiv war die Humberlandbridge,