das nicht. Und ich weiss, dass sie mit so wenig Aufwand als möglich zum Ziel gelangen wollen. Ein offener Kampf mit vielen Verletzten und Verlusten ist kostspielig.“ alle sahen Joret gespannt an. „Ich schätze, sie werden es erst mit Hinterlist versuchen. Sie tun so, als ob sie sich auf einen Angriff von den Bergen vorbereiten, um uns abzulenken, während sie weiter entfernte Ortschaften für sich zu gewinnen versuchen. Von dort womöglich Soldaten rekrutieren. Sich so nach Rupes vorarbeiten um schlussendlich von mehreren Seiten gleichzeitig mit nur einem Schlag angreifen zu können. Sie werden Meuchelteams einsetzen, sollte sich eine“ er winkte ab „Ach wem erzähl ich das. Keiner weiss besser, was für Spielchen sie treiben als du Boris.“
„Du denkst, sie gehen gleich vor wie auf Aquawald?“ Boris schüttelte den Kopf „So einfallslos werden sie nicht sein.“ „Die Armee ist ein grosses schwerfälliges Gebilde. So schnell ändert sich da nichts. Nein, nein. Sie werden ihre Taktiken verfeinern und noch skrupelloser Vorgehen.“ „Noch skrupelloser? Das glaub ich nicht.“ „Oh doch, Boris. Glaub mir. Sie können und sie werden. Zumal sie diesmal dazu gezwungen sind, weil ihre Waffen nicht funktionieren.“
„Ich verstehe nicht ganz, was du meinst, Joret. Bitte erklär dich.“ unterbrach Barra. Joret hob die Hände „Sie können Rupes nicht einnehmen. Vorerst. Aber sie können kleinere, wehrlose Ortschaften einnehmen. Entweder sie überzeugen die Ortsregierungen zur Kooperation mit irgendwelchen Versprechen oder marschieren einfach ein. Ein kleines Dorf wie Kreuzland zum Beispiel kann nichts ausrichten gegen ein 100er Trupp Terra Sonnensystem Soldaten. Um die Kontrolle zu wahren, werden sie sogenannte Schattenteams einsetzen, die schlicht Aufständische ausschalten, bevor die etwas unternehmen können. Das Team von Commander Zylin Sa war so eines. Ich habe dir von ihm erzählt.“ Barra nickte und Joret fuhr fort „Jeder Widerstand wird im Keim erstickt, getötet. Sa wüsste noch Genaueres dazu, wie sie z.B. an Informationen gelangen. Damit hatte ich nie etwas zu tun. Aber ich schätze, dass irgendjemand hier in Rupes bereits mit denen zusammenarbeitet. Ich kann mir Boris Entführung einfach nicht anders erklären. Und so sind wir verdammt abzuwarten, was sie als nächstes unternehmen und erfahren es dann vielleicht zu spät. Sie werden uns langsam aber sicher einkreisen und aushungern. Plötzlich stehen wir nicht nur dem Terra Sonnensystem gegenüber, sondern unseren eigenen Leuten der Orte, die sich dem Terra Sonnensystem bereits angeschlossen haben.“
Sehr nachdenklich blickten alle Joret an. Schwiegen. Was konnte man dagegen tun? Man konnte nicht überall gleichzeitig sein.
„Ich würde das nicht so schwarz sehen“ unterbrach Boris das Schweigen „denn sie können nicht einfach irgendwo einmarschieren, ohne dass wir es wissen.“ „Wie sollen wir es erfahren? Du vergisst, dass wir keine Elektrizität für Kommunikation besitzen, auf rupianischem Boden.“ gab Barra zu bedenken. Und geduldig erklärte Boris noch einmal „Ich weiss, es ist schwer zu verstehen. Und ich gebe zu, ich habe es noch nicht wirklich unter Kontrolle. Überhaupt nicht. Aber ihr könnt mir glauben. Ich spüre alle im rupianischen Tal. Ich kann in jedem Moment sagen, wer wo ist. Ich muss mich natürlich darauf konzentrieren, aber ich kann es.“ er sah zu Esmar, die ihn mehr als überrascht und erstaunt ansah. Boris nickte „Ja, alles diesseits des Flusses, muss ich ergänzen. Ich vermute, überall dort, wo es keine Elektrizität gibt. Von Rotsand zum Beispiel spüre ich nichts. Und diese Seite der Berge“ er schloss die Augen „leider reicht es nicht bis zu Korons Höhlen, da verliert es sich irgendwo. Dann wieder bis zum Meer und flussaufwärts bis in die trotarischen Ebenen.“ Er sah Joret und Barra an „das Straflager gehört nicht mehr dazu. Es ist verflixt. Das Terra Sonnensystem platziert sich immer gerade an den Grenzen meiner Macht, wenn ihr so wollt. Als ob sie’s wüssten.“
Etwas ungläubig kniff Joret die Augen zusammen. Märchen oder nicht? fragte er sich. Barra trank Tee und dachte nach. Esmar musste sich zurückhalten um Boris nicht sofort mit Fragen zu löchern und Sora grinste stolz.
„Du hast vorhin schon sowas erwähnt. Gut, dass du es nochmals ansprichst. Selbst wenn das wahr ist, was nützt es dir, wenn du schläfst? Was ist, wenn sie dann einfallen? Ist doch Unsinn.“ hackte Joret nach. Boris seufzte, atmete einmal schwermütig ein und aus „Ach weißt du Joret.“ fing er an „So etwas glaubt man immer erst, wenn es geschieht. Seit ich Stadtmeister bin“ Boris schüttelte seinen Kopf „schlafe ich nicht mehr. Nie mehr. Ich kann nicht mehr schlafen.“ Joret blinzelte ungläubig. Sagte nichts. Sah zu Sora, die eifrig nickte. Dann zu Esmar, die ebenfalls nickte, dann zu Barra, die die Augenbrauen hob und meinte „Was siehst du mich an? Ich höre davon zum ersten Mal.“
„Wie soll das gehen? Das ist doch eine Räuberpistole sondergleichen. Seit du Stadtmeister bist hast du Mühe mit Sehen und Gehen. Denk nicht, mir wäre das nicht aufgefallen. Das sieht ein Blinder. Ich mache mir Sorgen um dich Boris. Ich denke eher, dass mit deinem Kopf nicht mehr alles in Ordnung ist. Vielleicht solltest du uns erst nach Rotsand begleiten und dich in der Stadtklinik untersuchen lassen.“ Boris verschluckte sich beim Trinken, musste husten und lachen miteinander.
Joret blieb ernst, während ihn die anderen am Tisch erstaunt ansahen. „Es ist mein voller Ernst. Ich wüsste nicht, was es zu lachen gibt. Schliesslich haben dich diese Sturrköpfe hier zu ihrem Stadtmeister und Regierungsoberhaupt gewählt. Da solltest du gesundheitlich schon auf dich achten.“ Nun musste sich Sora das Grinsen verkneifen. Hielt sich die Hand vor den Mund, während Boris sich wieder beruhigen konnte.
„Joret, ich danke dir für deine Sorge um mich. Ich muss zugeben, so habe ich das noch nicht gesehen. War zu sehr auf mich konzentriert und habe nicht daran gedacht, dass ich im Moment wohl tatsächlich einen angeschlagenen Eindruck auf Aussenstehende mache. Aber du kannst mir glauben“ Boris musste dazwischenkichern „Tschuldige“ er rieb sich mit beiden Händen das Gesicht, strich sich durch den Bart, er war amüsiert über den Gedanken, der ihm ganz neu war.
„Nein, ernsthaft. Es ist alles in Ordnung. Wirklich. Ich werde mich bemühen, so schnell als möglich, nicht mehr so ungeschickt zu wirken.“ Joret sah ihn mit Stirnrunzeln an „Bitte Joret, hier und jetzt ist nicht der richtige Moment es zu erklären.“ Boris deutet auf seine Augen „das mit den Augen, zum Beispiel, ist kompliziert. War auch für mich völlig ungewohnt. Oder besser: Ist es noch. Wie soll ich sagen? Äh“ Boris stutzte „Naja. Ihr werdet es nicht glauben, aber ihr alle leuchtet wie verdammte Sonnen und das blendet unglaublich. Ich kann kaum hinsehen. Wenn ich die Augen schliesse oder nur auf die Füsse schaue, geht es. Und so langsam gewöhne ich mich daran und erkenne wieder Strukturen. Aber eben, nur langsam. Versteht ihr?"
Nachdenklich schüttelte Joret den Kopf "Sonnen?" "Stell dir vor, wie es ist, wenn du Schnee siehst. Anfangs siehst du gar nichts, alles nur weiss und grell. Bis sich die Augen daran gewöhnen und du die Strukturen darin wiedererkennen kannst." Joret begriff schon, was Boris meinte "Aber wozu soll das gut sein? Selbst wenn es so ist? Ein blinder Stadtmeister. So ein Blödsinn! Typisch Rupes!"
Schon seit Joret nach Steinwelten gekommen war, hatte ihn die rupianische Art und Weise gestört. Er war immer dafür, dass man neue Technologien ausprobiert. Nach besseren Lösungen in allen Belangen sucht. Sich Neuem nicht einfach verschliesst.
Als Hauptmann der Rotsandwachen und später auch als einer der Stadtherren Rotsands musste er unweigerlich mit der Nachbarstadt Rupes zusammenarbeiten. Und Rupes änderte sich nicht. Kein bisschen. Nie. Es wurden keine neuen Häuser gebaut, nur mager neue Technologien verwendet und die Regierung.... aus seiner Sicht in völlig desaströsem Zustand, eigentlich gar nicht vorhanden. Von Geheimnissen und Legenden umringt präsentierte sich ganz Rupien. Verschloss sich gegen aussen. ‚Unmöglich!’ fand er das. Ein Wunder, dass das funktionierte.
Aber ‚Bitte’.
Seiner Meinung nach würde diese Einstellung Rupiens eines Tages im Chaos enden oder bei einer Übernahme durch das Terra Sonnensystem.
Als er vom Ausrufen des Stadtmeisters erfahren hatte, war er erleichtert gewesen. ‚Endlich vernünftig geworden!’ hatte